Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Resultat aller Ueberlegungen und Unterredun-
gen war, daß ich nach einer nicht sehr entfern-
ten großen Stadt, in die adeliche Militair-
Schule daselbst geschickt ward, um mich dort
in den nöthigen Uebungen geschickt zu machen,
eh ich in Dienste treten konnte. Mein Hof-
meister, auf den nicht der geringste Verdacht
fiel, bekam die Versorgung nun noch früher, als
er gehofft hatte, er tröstete sich also für meinen
Verlust, und mir war es auch nichts geringes,
ihn so auf gute Art los zu werden. Der Ab-
schied ward mir leicht; meine arme Schwester
grämte sich aber recht herzlich, daß ich mich
von ihr trennen mußte. Das arme Kind war
nun ganz den Menschen überlassen, die sich
der Schwäche ihres Characters bedienten, um
sie nach ihrer Willkühr zu lenken. Sie fühlte
ihre Abhängigkeit, aber diese drückte sie nicht
so wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht
denken, daß sie nicht eben so unzufrieden seyn
müßte. Beym Abschied steckte ich ihr einen
Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu schreiben,
wenn ich ihr helfen sollte, ihre Hofmersterin

Reſultat aller Ueberlegungen und Unterredun-
gen war, daß ich nach einer nicht ſehr entfern-
ten großen Stadt, in die adeliche Militair-
Schule daſelbſt geſchickt ward, um mich dort
in den noͤthigen Uebungen geſchickt zu machen,
eh ich in Dienſte treten konnte. Mein Hof-
meiſter, auf den nicht der geringſte Verdacht
fiel, bekam die Verſorgung nun noch fruͤher, als
er gehofft hatte, er troͤſtete ſich alſo fuͤr meinen
Verluſt, und mir war es auch nichts geringes,
ihn ſo auf gute Art los zu werden. Der Ab-
ſchied ward mir leicht; meine arme Schweſter
graͤmte ſich aber recht herzlich, daß ich mich
von ihr trennen mußte. Das arme Kind war
nun ganz den Menſchen uͤberlaſſen, die ſich
der Schwaͤche ihres Characters bedienten, um
ſie nach ihrer Willkuͤhr zu lenken. Sie fuͤhlte
ihre Abhaͤngigkeit, aber dieſe druͤckte ſie nicht
ſo wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht
denken, daß ſie nicht eben ſo unzufrieden ſeyn
muͤßte. Beym Abſchied ſteckte ich ihr einen
Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu ſchreiben,
wenn ich ihr helfen ſollte, ihre Hofmerſterin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="127"/>
Re&#x017F;ultat aller Ueberlegungen und Unterredun-<lb/>
gen war, daß ich nach einer nicht &#x017F;ehr entfern-<lb/>
ten großen Stadt, in die adeliche Militair-<lb/>
Schule da&#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chickt ward, um mich dort<lb/>
in den no&#x0364;thigen Uebungen ge&#x017F;chickt zu machen,<lb/>
eh ich in Dien&#x017F;te treten konnte. Mein Hof-<lb/>
mei&#x017F;ter, auf den nicht der gering&#x017F;te Verdacht<lb/>
fiel, bekam die Ver&#x017F;orgung nun noch fru&#x0364;her, als<lb/>
er gehofft hatte, er tro&#x0364;&#x017F;tete &#x017F;ich al&#x017F;o fu&#x0364;r meinen<lb/>
Verlu&#x017F;t, und mir war es auch nichts geringes,<lb/>
ihn &#x017F;o auf gute Art los zu werden. Der Ab-<lb/>
&#x017F;chied ward mir leicht; meine arme Schwe&#x017F;ter<lb/>
gra&#x0364;mte &#x017F;ich aber recht herzlich, daß ich mich<lb/>
von ihr trennen mußte. Das arme Kind war<lb/>
nun ganz den Men&#x017F;chen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, die &#x017F;ich<lb/>
der Schwa&#x0364;che ihres Characters bedienten, um<lb/>
&#x017F;ie nach ihrer Willku&#x0364;hr zu lenken. Sie fu&#x0364;hlte<lb/>
ihre Abha&#x0364;ngigkeit, aber die&#x017F;e dru&#x0364;ckte &#x017F;ie nicht<lb/>
&#x017F;o wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht<lb/>
denken, daß &#x017F;ie nicht eben &#x017F;o unzufrieden &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;ßte. Beym Ab&#x017F;chied &#x017F;teckte ich ihr einen<lb/>
Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu &#x017F;chreiben,<lb/>
wenn ich ihr helfen &#x017F;ollte, ihre Hofmer&#x017F;terin<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0135] Reſultat aller Ueberlegungen und Unterredun- gen war, daß ich nach einer nicht ſehr entfern- ten großen Stadt, in die adeliche Militair- Schule daſelbſt geſchickt ward, um mich dort in den noͤthigen Uebungen geſchickt zu machen, eh ich in Dienſte treten konnte. Mein Hof- meiſter, auf den nicht der geringſte Verdacht fiel, bekam die Verſorgung nun noch fruͤher, als er gehofft hatte, er troͤſtete ſich alſo fuͤr meinen Verluſt, und mir war es auch nichts geringes, ihn ſo auf gute Art los zu werden. Der Ab- ſchied ward mir leicht; meine arme Schweſter graͤmte ſich aber recht herzlich, daß ich mich von ihr trennen mußte. Das arme Kind war nun ganz den Menſchen uͤberlaſſen, die ſich der Schwaͤche ihres Characters bedienten, um ſie nach ihrer Willkuͤhr zu lenken. Sie fuͤhlte ihre Abhaͤngigkeit, aber dieſe druͤckte ſie nicht ſo wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht denken, daß ſie nicht eben ſo unzufrieden ſeyn muͤßte. Beym Abſchied ſteckte ich ihr einen Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu ſchreiben, wenn ich ihr helfen ſollte, ihre Hofmerſterin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/135
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/135>, abgerufen am 13.05.2024.