Vormittag 12 Uhr. Duschig, nach dem göttlichsten Frühling, den ich genoß.
Heute nur ein Wort! und das ist: "Nun hab' ich mein Sach nicht mehr auf nichts gestellt!" (Lies das neueste Heft Kunst und Alterthum: "Geneigte Theilnahme an den Wan- derjahren.") Ich habe Friedrichs des Zweiten schwarzen Adler- orden: er bedeckt mein belohntes Herz. Er ist gemacht: aus allen Thränen, die ich weinte und verschluckte, aus allem was ich litt; liebte; lebte; genoß im Bösen und Guten. Mein Leben ist an seine Adresse gelangt. Daß dieser Mann er- lebe von seinen Zeitgenossen, daß er vergöttert, anerkannt, studirt, begriffen, mit dem einsichtigsten Herzen geliebt würde, war der Gipfel all meiner Erdenwünsche und Kommission! Dieser vollständigste Mensch; dieser Repräsentant, der alle andern in sich trägt; und so mächtig ist, sie uns zu zeigen. Dieser Priester, dieser wahrhafte Gesandte! dieser sagt nun befriedigt selbst, er sei verstanden; das heißt: geliebt; geliebt mit einer Liebe, die Er nur erschaffen konnte. Dies hab' ich ihm verschafft. Ich Ball in den Händen der Vorsehung, -- Mad. Guion will das sein -- und auf dies Glück, als Ball, bin ich stolz; nämlich freudig: und das freut den lieben Gott. Und der Triumph geht von Berlin aus: und das freut mich noch besonders, weil Er von Berlin häßlich berührt wurde, weil ich ewig Friedrich dem Zweiten dankbar bleibe; und weil es die beste deutsche Stadt ist. (So wird sie auch mit Recht
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Sonnabend, den 9. Februar 1822.
Vormittag 12 Uhr. Duſchig, nach dem göttlichſten Frühling, den ich genoß.
Heute nur ein Wort! und das iſt: „Nun hab’ ich mein Sach nicht mehr auf nichts geſtellt!“ (Lies das neueſte Heft Kunſt und Alterthum: „Geneigte Theilnahme an den Wan- derjahren.“) Ich habe Friedrichs des Zweiten ſchwarzen Adler- orden: er bedeckt mein belohntes Herz. Er iſt gemacht: aus allen Thränen, die ich weinte und verſchluckte, aus allem was ich litt; liebte; lebte; genoß im Böſen und Guten. Mein Leben iſt an ſeine Adreſſe gelangt. Daß dieſer Mann er- lebe von ſeinen Zeitgenoſſen, daß er vergöttert, anerkannt, ſtudirt, begriffen, mit dem einſichtigſten Herzen geliebt würde, war der Gipfel all meiner Erdenwünſche und Kommiſſion! Dieſer vollſtändigſte Menſch; dieſer Repräſentant, der alle andern in ſich trägt; und ſo mächtig iſt, ſie uns zu zeigen. Dieſer Prieſter, dieſer wahrhafte Geſandte! dieſer ſagt nun befriedigt ſelbſt, er ſei verſtanden; das heißt: geliebt; geliebt mit einer Liebe, die Er nur erſchaffen konnte. Dies hab’ ich ihm verſchafft. Ich Ball in den Händen der Vorſehung, — Mad. Guion will das ſein — und auf dies Glück, als Ball, bin ich ſtolz; nämlich freudig: und das freut den lieben Gott. Und der Triumph geht von Berlin aus: und das freut mich noch beſonders, weil Er von Berlin häßlich berührt wurde, weil ich ewig Friedrich dem Zweiten dankbar bleibe; und weil es die beſte deutſche Stadt iſt. (So wird ſie auch mit Recht
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0070"n="62"/><divn="2"><head>An Ludwig Robert, in Karlsruhe.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonnabend, den 9. Februar 1822.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#et">Vormittag 12 Uhr. Duſchig, nach dem göttlichſten<lb/>
Frühling, den ich genoß.</hi></p><lb/><p>Heute nur ein Wort! und das iſt: „Nun hab’ ich mein<lb/>
Sach nicht mehr auf nichts geſtellt!“ (Lies das neueſte Heft<lb/>
Kunſt und Alterthum: „Geneigte Theilnahme an den Wan-<lb/>
derjahren.“) Ich habe Friedrichs des Zweiten ſchwarzen Adler-<lb/>
orden: er bedeckt mein belohntes Herz. Er iſt gemacht: aus<lb/>
allen Thränen, die ich weinte und verſchluckte, aus allem was<lb/>
ich litt; liebte; lebte; genoß im Böſen und Guten. Mein<lb/>
Leben iſt an ſeine Adreſſe gelangt. Daß <hirendition="#g">dieſer</hi> Mann <hirendition="#g">er-<lb/>
lebe</hi> von ſeinen Zeitgenoſſen, daß er vergöttert, anerkannt,<lb/>ſtudirt, begriffen, mit dem einſichtigſten Herzen geliebt würde,<lb/>
war der Gipfel all meiner Erdenwünſche und Kommiſſion!<lb/>
Dieſer vollſtändigſte <hirendition="#g">Menſch</hi>; dieſer Repräſentant, der alle<lb/>
andern in ſich trägt; und ſo mächtig iſt, ſie uns zu zeigen.<lb/>
Dieſer Prieſter, dieſer wahrhafte Geſandte! dieſer ſagt nun<lb/>
befriedigt ſelbſt, er ſei verſtanden; <hirendition="#g">das heißt</hi>: geliebt; geliebt<lb/>
mit einer Liebe, die Er nur erſchaffen konnte. <hirendition="#g">Dies</hi> hab’<hirendition="#g">ich</hi><lb/>
ihm verſchafft. Ich Ball in den Händen der Vorſehung, —<lb/>
Mad. Guion <hirendition="#g">will</hi> das ſein — und auf dies Glück, <hirendition="#g">als</hi> Ball,<lb/>
bin ich ſtolz; nämlich freudig: und das freut den lieben Gott.<lb/>
Und der Triumph geht von Berlin aus: und das freut mich<lb/>
noch beſonders, weil Er von Berlin häßlich berührt wurde,<lb/>
weil ich ewig Friedrich dem Zweiten dankbar bleibe; und weil<lb/>
es die beſte deutſche Stadt iſt. (So wird ſie auch mit Recht<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[62/0070]
An Ludwig Robert, in Karlsruhe.
Sonnabend, den 9. Februar 1822.
Vormittag 12 Uhr. Duſchig, nach dem göttlichſten
Frühling, den ich genoß.
Heute nur ein Wort! und das iſt: „Nun hab’ ich mein
Sach nicht mehr auf nichts geſtellt!“ (Lies das neueſte Heft
Kunſt und Alterthum: „Geneigte Theilnahme an den Wan-
derjahren.“) Ich habe Friedrichs des Zweiten ſchwarzen Adler-
orden: er bedeckt mein belohntes Herz. Er iſt gemacht: aus
allen Thränen, die ich weinte und verſchluckte, aus allem was
ich litt; liebte; lebte; genoß im Böſen und Guten. Mein
Leben iſt an ſeine Adreſſe gelangt. Daß dieſer Mann er-
lebe von ſeinen Zeitgenoſſen, daß er vergöttert, anerkannt,
ſtudirt, begriffen, mit dem einſichtigſten Herzen geliebt würde,
war der Gipfel all meiner Erdenwünſche und Kommiſſion!
Dieſer vollſtändigſte Menſch; dieſer Repräſentant, der alle
andern in ſich trägt; und ſo mächtig iſt, ſie uns zu zeigen.
Dieſer Prieſter, dieſer wahrhafte Geſandte! dieſer ſagt nun
befriedigt ſelbſt, er ſei verſtanden; das heißt: geliebt; geliebt
mit einer Liebe, die Er nur erſchaffen konnte. Dies hab’ ich
ihm verſchafft. Ich Ball in den Händen der Vorſehung, —
Mad. Guion will das ſein — und auf dies Glück, als Ball,
bin ich ſtolz; nämlich freudig: und das freut den lieben Gott.
Und der Triumph geht von Berlin aus: und das freut mich
noch beſonders, weil Er von Berlin häßlich berührt wurde,
weil ich ewig Friedrich dem Zweiten dankbar bleibe; und weil
es die beſte deutſche Stadt iſt. (So wird ſie auch mit Recht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/70>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.