Ihre Musik hat mich gestern in's Leben zurückgerufen: und ich bin voller Sehnsucht danach! Nun hat mir Graf Blan- kensee sagen lassen, er käme heute Abend mit Noten und Lie- dern: seine Frau höchst wahrscheinlich, sie war krank von den Feten. Ich bitte Sie, Ernesta! kommen Sie! erfreuen Sie mich: machen Sie mir Ehre! Singen Sie schön wie gestern. Ich habe Blut geleckt; ich muß mehr haben. Parole d'hon- neur! ich wollte Sie ohne Blankensee's schon bitten. --
Ende Februars 1833.
Wilhelm Meisters Wanderjahre. Zweites Buch. Neuntes Kapitel, gegen das Ende hin (S. 174.) Es ist nicht "der Geist des Widerspruchs" -- den ich absolut angesehen nie erkenne, außer als Tollheit, -- "der sich hier regt." Daß aber Wilhelm hier mit halber Überzeugung hörte, das ist richtig. Oft dozirt man uns etwas vor, was so zusammengebaut ist, daß eben in diesem unorganischen Zusammenfügen das mit eingehämmert und eingekittet ist, was unsern ganzen Wider- spruch lebendig begründet: wir können es aber aus dem fest- gefügten, auch wohl wohlgefügten Gebäude nicht gleich her- vorkriegen, besonders nicht, ohne dies ganz umzureißen: und da bleibt uns denn sogar eine Art von Schmerz übrig, ein Lebendiges ganz mit uns Lebendes, zu uns Gehöriges, als
An Erneſtine Robert.
Montag, den 25. Februar 1833.
Ihre Muſik hat mich geſtern in’s Leben zurückgerufen: und ich bin voller Sehnſucht danach! Nun hat mir Graf Blan- kenſee ſagen laſſen, er käme heute Abend mit Noten und Lie- dern: ſeine Frau höchſt wahrſcheinlich, ſie war krank von den Fêten. Ich bitte Sie, Erneſta! kommen Sie! erfreuen Sie mich: machen Sie mir Ehre! Singen Sie ſchön wie geſtern. Ich habe Blut geleckt; ich muß mehr haben. Parole d’hon- neur! ich wollte Sie ohne Blankenſee’s ſchon bitten. —
Ende Februars 1833.
Wilhelm Meiſters Wanderjahre. Zweites Buch. Neuntes Kapitel, gegen das Ende hin (S. 174.) Es iſt nicht „der Geiſt des Widerſpruchs“ — den ich abſolut angeſehen nie erkenne, außer als Tollheit, — „der ſich hier regt.“ Daß aber Wilhelm hier mit halber Überzeugung hörte, das iſt richtig. Oft dozirt man uns etwas vor, was ſo zuſammengebaut iſt, daß eben in dieſem unorganiſchen Zuſammenfügen das mit eingehämmert und eingekittet iſt, was unſern ganzen Wider- ſpruch lebendig begründet: wir können es aber aus dem feſt- gefügten, auch wohl wohlgefügten Gebäude nicht gleich her- vorkriegen, beſonders nicht, ohne dies ganz umzureißen: und da bleibt uns denn ſogar eine Art von Schmerz übrig, ein Lebendiges ganz mit uns Lebendes, zu uns Gehöriges, als
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An Erneſtine Robert.
Montag, den 25. Februar 1833.
Ihre Muſik hat mich geſtern in’s Leben zurückgerufen:
und ich bin voller Sehnſucht danach! Nun hat mir Graf Blan-
kenſee ſagen laſſen, er käme heute Abend mit Noten und Lie-
dern: ſeine Frau höchſt wahrſcheinlich, ſie war krank von den
Fêten. Ich bitte Sie, Erneſta! kommen Sie! erfreuen Sie
mich: machen Sie mir Ehre! Singen Sie ſchön wie geſtern.
Ich habe Blut geleckt; ich muß mehr haben. Parole d’hon-
neur! ich wollte Sie ohne Blankenſee’s ſchon bitten. —
Ende Februars 1833.
Wilhelm Meiſters Wanderjahre. Zweites Buch.
Neuntes Kapitel, gegen das Ende hin (S. 174.) Es iſt nicht
„der Geiſt des Widerſpruchs“ — den ich abſolut angeſehen nie
erkenne, außer als Tollheit, — „der ſich hier regt.“ Daß aber
Wilhelm hier mit halber Überzeugung hörte, das iſt richtig.
Oft dozirt man uns etwas vor, was ſo zuſammengebaut iſt,
daß eben in dieſem unorganiſchen Zuſammenfügen das mit
eingehämmert und eingekittet iſt, was unſern ganzen Wider-
ſpruch lebendig begründet: wir können es aber aus dem feſt-
gefügten, auch wohl wohlgefügten Gebäude nicht gleich her-
vorkriegen, beſonders nicht, ohne dies ganz umzureißen: und
da bleibt uns denn ſogar eine Art von Schmerz übrig, ein
Lebendiges ganz mit uns Lebendes, zu uns Gehöriges, als
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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