diese kleine Seligkeit, diese zweite Jugend noch auf der Erde abzuleben, sie auch nur zu kosten. Welch ruhevolles, genuß- ergiebiges Daseinsgefühl ist es, gleichsam nur zur Atmosphäre gehörig, mit ihr und durch sie zu leben; mit einem Geist ge- krönt, der dies betrachtet; mit einem Herzen im Busen, wel- ches dies allen Mitgeschöpfen verschaffen möchte! Dann ist nur Gesundheit nöthig, die uns nicht trennt von der Atmosphäre! Ich erwarte mir in aller Ewigkeit, wie Saint-Martin, im- mer neue Offenbarungen. Wie schwer aber gelangt man zu ihnen! Wie lange bleiben sie aus! Welche Schmerzen müssen wir durchmachen! Aber ich danke für das Schimmer-Tag!
Dienstag früh, halb 8. den 27. November 1832.
Wieder nach einer, in einer harten Krankheit
An Ernestine Robert.
Montag, den 3. December 1832.
Obgleich meine Nacht leidlich war, so wachte ich doch öfters und bekam die größten Skrupel über Moritz Gesund- heit. Ich bin so mißtrauisch geworden! -- Zwei Jahr selbst nicht mehr kränklich, sondern ernstlich krank: und --!!!! Es kam mir mit einemmale unwahrscheinlich vor, daß Sie in's Theater gingen, und ich glaubte Moritz krank, und Sie woll- ten mich nur schonen. Ich bitte Sie, sagen Sie mir auf Ehrenwort, daß alles gesund ist, und ich will es glauben. "Das Alter macht mich schwächlich, ich bin gar sehr ge- brechlich!" Also pardon! Vergessen Sie, liebe Ernestine, meine Leinwand nicht!!! Ich möchte gerne für 15 Rtl. haben. Der
dieſe kleine Seligkeit, dieſe zweite Jugend noch auf der Erde abzuleben, ſie auch nur zu koſten. Welch ruhevolles, genuß- ergiebiges Daſeinsgefühl iſt es, gleichſam nur zur Atmoſphäre gehörig, mit ihr und durch ſie zu leben; mit einem Geiſt ge- krönt, der dies betrachtet; mit einem Herzen im Buſen, wel- ches dies allen Mitgeſchöpfen verſchaffen möchte! Dann iſt nur Geſundheit nöthig, die uns nicht trennt von der Atmoſphäre! Ich erwarte mir in aller Ewigkeit, wie Saint-Martin, im- mer neue Offenbarungen. Wie ſchwer aber gelangt man zu ihnen! Wie lange bleiben ſie aus! Welche Schmerzen müſſen wir durchmachen! Aber ich danke für das Schimmer-Tag!
Dienstag früh, halb 8. den 27. November 1832.
Wieder nach einer, in einer harten Krankheit
An Erneſtine Robert.
Montag, den 3. December 1832.
Obgleich meine Nacht leidlich war, ſo wachte ich doch öfters und bekam die größten Skrupel über Moritz Geſund- heit. Ich bin ſo mißtrauiſch geworden! — Zwei Jahr ſelbſt nicht mehr kränklich, ſondern ernſtlich krank: und —!!!! Es kam mir mit einemmale unwahrſcheinlich vor, daß Sie in’s Theater gingen, und ich glaubte Moritz krank, und Sie woll- ten mich nur ſchonen. Ich bitte Sie, ſagen Sie mir auf Ehrenwort, daß alles geſund iſt, und ich will es glauben. „Das Alter macht mich ſchwächlich, ich bin gar ſehr ge- brechlich!“ Alſo pardon! Vergeſſen Sie, liebe Erneſtine, meine Leinwand nicht!!! Ich möchte gerne für 15 Rtl. haben. Der
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dieſe kleine Seligkeit, dieſe zweite Jugend noch auf der Erde
abzuleben, ſie auch nur zu koſten. Welch ruhevolles, genuß-
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gehörig, mit ihr und durch ſie zu leben; mit einem Geiſt ge-
krönt, der dies betrachtet; mit einem Herzen im Buſen, wel-
ches dies allen Mitgeſchöpfen verſchaffen möchte! Dann iſt
nur Geſundheit nöthig, die uns nicht trennt von der Atmoſphäre!
Ich erwarte mir in aller Ewigkeit, wie Saint-Martin, im-
mer neue Offenbarungen. Wie ſchwer aber gelangt man zu
ihnen! Wie lange bleiben ſie aus! Welche Schmerzen müſſen
wir durchmachen! Aber ich danke für das Schimmer-Tag!
Dienstag früh, halb 8. den 27. November 1832.
Wieder nach einer, in einer harten Krankheit
An Erneſtine Robert.
Montag, den 3. December 1832.
Obgleich meine Nacht leidlich war, ſo wachte ich doch
öfters und bekam die größten Skrupel über Moritz Geſund-
heit. Ich bin ſo mißtrauiſch geworden! — Zwei Jahr ſelbſt
nicht mehr kränklich, ſondern ernſtlich krank: und —!!!! Es
kam mir mit einemmale unwahrſcheinlich vor, daß Sie in’s
Theater gingen, und ich glaubte Moritz krank, und Sie woll-
ten mich nur ſchonen. Ich bitte Sie, ſagen Sie mir auf
Ehrenwort, daß alles geſund iſt, und ich will es glauben.
„Das Alter macht mich ſchwächlich, ich bin gar ſehr ge-
brechlich!“ Alſo pardon! Vergeſſen Sie, liebe Erneſtine, meine
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/595>, abgerufen am 23.11.2024.
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