Liebe; sie mögen sein und machen was sie wollen; der Andre soll vor Empfindung krepiren. Angelus Silesius sagt: "Gott schafft die Welt annoch," und so thut Amor der Bube.
1829.
An Fouque, in Nennhausen.
Berlin, Mittwoch den 17. Juni 1829.
Gott grüße Sie, lieber Baron Fouque. Haben Sie ja rechten Muth, nämlich rechte Geduld in Ihrem Unwohlsein! meines ist mir noch so frisch gegenwärtig, daß ich noch sehr wohl weiß, wie das allein durchhilft. Und wie krank, wie mit Erd' und Atmosphäre uneins war ich: und wie leidend! Zwei wußten das nur; der große Gott, und ich: jetzt weiß es nur Einer; Er. Leiden kann man dies; aber nicht in der Seele behalten. Meine Geduld bestand darin, nie mein Übel summarisch zu fassen; sondern, Leid vor Leid; Weh vor Weh; Minute nach Minute. Eine Art thierisch-kindischer Unschuld befiel mich hierin: und die wird Ihnen nicht fehlen! Das wollte ich Ihnen sagen: und darum grüße ich Sie hier mit herzlichstem Antheil. Sie sind ja wohlauf in Herz, Seele und Sinn: und mitten im Sommer, auf dem schönen eigenen Land- sitz; umgeben von den Ihrigen: beschäftigt: gewiß sind Sie schon besser. Ich leide noch an zu beweglichen Nerven, und Rheuma; sonst muß ich mich loben. Und Ihnen wird es noch besser, und schneller besser gehn: bei Soldaten bleibt derglei- chen nicht gern.
Liebe; ſie mögen ſein und machen was ſie wollen; der Andre ſoll vor Empfindung krepiren. Angelus Sileſius ſagt: „Gott ſchafft die Welt annoch,“ und ſo thut Amor der Bube.
1829.
An Fouqué, in Nennhauſen.
Berlin, Mittwoch den 17. Juni 1829.
Gott grüße Sie, lieber Baron Fouqué. Haben Sie ja rechten Muth, nämlich rechte Geduld in Ihrem Unwohlſein! meines iſt mir noch ſo friſch gegenwärtig, daß ich noch ſehr wohl weiß, wie das allein durchhilft. Und wie krank, wie mit Erd’ und Atmoſphäre uneins war ich: und wie leidend! Zwei wußten das nur; der große Gott, und ich: jetzt weiß es nur Einer; Er. Leiden kann man dies; aber nicht in der Seele behalten. Meine Geduld beſtand darin, nie mein Übel ſummariſch zu faſſen; ſondern, Leid vor Leid; Weh vor Weh; Minute nach Minute. Eine Art thieriſch-kindiſcher Unſchuld befiel mich hierin: und die wird Ihnen nicht fehlen! Das wollte ich Ihnen ſagen: und darum grüße ich Sie hier mit herzlichſtem Antheil. Sie ſind ja wohlauf in Herz, Seele und Sinn: und mitten im Sommer, auf dem ſchönen eigenen Land- ſitz; umgeben von den Ihrigen: beſchäftigt: gewiß ſind Sie ſchon beſſer. Ich leide noch an zu beweglichen Nerven, und Rheuma; ſonſt muß ich mich loben. Und Ihnen wird es noch beſſer, und ſchneller beſſer gehn: bei Soldaten bleibt derglei- chen nicht gern.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0399"n="391"/>
Liebe; ſie mögen ſein und machen was ſie wollen; der Andre<lb/>ſoll vor Empfindung krepiren. Angelus Sileſius ſagt: „Gott<lb/>ſchafft die Welt annoch,“ und ſo thut Amor der Bube.</p><lb/><dateline><hirendition="#et">1829.</hi></dateline></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Fouqu<hirendition="#aq">é</hi>, in Nennhauſen.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Berlin, Mittwoch den 17. Juni 1829.</hi></dateline><lb/><p>Gott grüße Sie, lieber Baron Fouqu<hirendition="#aq">é</hi>. Haben Sie ja<lb/>
rechten Muth, nämlich rechte Geduld in Ihrem Unwohlſein!<lb/>
meines iſt mir noch ſo friſch gegenwärtig, daß ich noch ſehr<lb/>
wohl weiß, wie das allein durchhilft. Und wie krank, wie<lb/>
mit Erd’ und Atmoſphäre uneins war <hirendition="#g">ich</hi>: und wie leidend!<lb/>
Zwei wußten das nur; der große Gott, und ich: jetzt weiß es<lb/>
nur Einer; Er. Leiden kann man dies; aber nicht in der<lb/>
Seele behalten. Meine Geduld beſtand <hirendition="#g">dar</hi>in, nie mein Übel<lb/>ſummariſch zu faſſen; ſondern, Leid vor Leid; Weh vor Weh;<lb/>
Minute nach Minute. Eine Art thieriſch-kindiſcher Unſchuld<lb/>
befiel mich hierin: und die wird Ihnen nicht fehlen! <hirendition="#g">Das</hi><lb/>
wollte ich Ihnen ſagen: und darum grüße ich Sie hier mit<lb/>
herzlichſtem Antheil. Sie ſind ja wohlauf in Herz, Seele und<lb/>
Sinn: und mitten im Sommer, auf dem ſchönen eigenen Land-<lb/>ſitz; umgeben von den Ihrigen: beſchäftigt: gewiß ſind Sie<lb/>ſchon beſſer. Ich leide noch an zu beweglichen Nerven, und<lb/>
Rheuma; ſonſt muß ich mich loben. Und Ihnen wird es noch<lb/>
beſſer, und ſchneller beſſer gehn: bei Soldaten bleibt derglei-<lb/>
chen nicht gern.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[391/0399]
Liebe; ſie mögen ſein und machen was ſie wollen; der Andre
ſoll vor Empfindung krepiren. Angelus Sileſius ſagt: „Gott
ſchafft die Welt annoch,“ und ſo thut Amor der Bube.
1829.
An Fouqué, in Nennhauſen.
Berlin, Mittwoch den 17. Juni 1829.
Gott grüße Sie, lieber Baron Fouqué. Haben Sie ja
rechten Muth, nämlich rechte Geduld in Ihrem Unwohlſein!
meines iſt mir noch ſo friſch gegenwärtig, daß ich noch ſehr
wohl weiß, wie das allein durchhilft. Und wie krank, wie
mit Erd’ und Atmoſphäre uneins war ich: und wie leidend!
Zwei wußten das nur; der große Gott, und ich: jetzt weiß es
nur Einer; Er. Leiden kann man dies; aber nicht in der
Seele behalten. Meine Geduld beſtand darin, nie mein Übel
ſummariſch zu faſſen; ſondern, Leid vor Leid; Weh vor Weh;
Minute nach Minute. Eine Art thieriſch-kindiſcher Unſchuld
befiel mich hierin: und die wird Ihnen nicht fehlen! Das
wollte ich Ihnen ſagen: und darum grüße ich Sie hier mit
herzlichſtem Antheil. Sie ſind ja wohlauf in Herz, Seele und
Sinn: und mitten im Sommer, auf dem ſchönen eigenen Land-
ſitz; umgeben von den Ihrigen: beſchäftigt: gewiß ſind Sie
ſchon beſſer. Ich leide noch an zu beweglichen Nerven, und
Rheuma; ſonſt muß ich mich loben. Und Ihnen wird es noch
beſſer, und ſchneller beſſer gehn: bei Soldaten bleibt derglei-
chen nicht gern.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/399>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.