Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

die zwar gedruckt, aber nicht für's Publikum bestimmt sind.
Ich schreibe dir einige ab. Sinnige, zarte Überschriften für
Gräber, sowohl der Heiden als der Christen; im schönsten
menschlichen Gefühl gedacht; in reiner Klarheit anspruchslos
ausgedrückt. Der edle Geist spricht überall daraus an, wenn
auch der Dichter es damit nicht auf Uberschwängliches ange-
legt hat. Soviel weiß ich, auch als Dichter möcht' ich diese
schmucklosen, aber gediegenen Sprüche noch immer lieber ge-
macht haben, als die meisten der künstlichen, in der Treib-
haushitze gezogenen Gedichte, die man mir jetzt zu bewundern
geben will. --




-- Haben Sie die vollendete Rede Humboldts gelesen,
zur Eröffnung der Gesellschaft der Naturforscher? Ein gelun-
genes Meisterwerk; eine Ehre; erstlich für unsre Sprache;
dann für unsre Nation, dann für uns Preußen. Vive le Roi!
Vive notre constitution!
wo solche Früchte wachsen. O!
wie stolz, wie glücklich könnte man durch und für Andre sein,
wenn das Ganze immer ein Ganzes wäre: berechnet wie eine
Organisation, für alle Theile; weise, gütig, glücklich. Nun,
es rückt ja! Machen Sie ja, daß Mama, und auch Fürst
P., die gehaltene, elegante, gediegene, abgepaßte Rede liest! --




22 *

die zwar gedruckt, aber nicht für’s Publikum beſtimmt ſind.
Ich ſchreibe dir einige ab. Sinnige, zarte Überſchriften für
Gräber, ſowohl der Heiden als der Chriſten; im ſchönſten
menſchlichen Gefühl gedacht; in reiner Klarheit anſpruchslos
ausgedrückt. Der edle Geiſt ſpricht überall daraus an, wenn
auch der Dichter es damit nicht auf Uberſchwängliches ange-
legt hat. Soviel weiß ich, auch als Dichter möcht’ ich dieſe
ſchmuckloſen, aber gediegenen Sprüche noch immer lieber ge-
macht haben, als die meiſten der künſtlichen, in der Treib-
haushitze gezogenen Gedichte, die man mir jetzt zu bewundern
geben will. —




— Haben Sie die vollendete Rede Humboldts geleſen,
zur Eröffnung der Geſellſchaft der Naturforſcher? Ein gelun-
genes Meiſterwerk; eine Ehre; erſtlich für unſre Sprache;
dann für unſre Nation, dann für uns Preußen. Vive le Roi!
Vive notre constitution!
wo ſolche Früchte wachſen. O!
wie ſtolz, wie glücklich könnte man durch und für Andre ſein,
wenn das Ganze immer ein Ganzes wäre: berechnet wie eine
Organiſation, für alle Theile; weiſe, gütig, glücklich. Nun,
es rückt ja! Machen Sie ja, daß Mama, und auch Fürſt
P., die gehaltene, elegante, gediegene, abgepaßte Rede lieſt! —




22 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0347" n="339"/>
die zwar gedruckt, aber nicht für&#x2019;s Publikum be&#x017F;timmt &#x017F;ind.<lb/>
Ich &#x017F;chreibe dir einige ab. Sinnige, zarte Über&#x017F;chriften für<lb/>
Gräber, &#x017F;owohl der Heiden als der Chri&#x017F;ten; im &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
men&#x017F;chlichen Gefühl gedacht; in reiner Klarheit an&#x017F;pruchslos<lb/>
ausgedrückt. Der edle Gei&#x017F;t &#x017F;pricht überall daraus an, wenn<lb/>
auch der Dichter es damit nicht auf Uber&#x017F;chwängliches ange-<lb/>
legt hat. Soviel weiß ich, auch als Dichter möcht&#x2019; ich die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chmucklo&#x017F;en, aber gediegenen Sprüche noch immer lieber ge-<lb/>
macht haben, als die mei&#x017F;ten der kün&#x017F;tlichen, in der Treib-<lb/>
haushitze gezogenen Gedichte, die man mir jetzt zu bewundern<lb/>
geben will. &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Oktober 1828.</hi> </dateline><lb/>
            <p>&#x2014; Haben Sie die vollendete Rede Humboldts gele&#x017F;en,<lb/>
zur Eröffnung der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Naturfor&#x017F;cher? Ein gelun-<lb/>
genes Mei&#x017F;terwerk; eine Ehre; er&#x017F;tlich für un&#x017F;re Sprache;<lb/>
dann für un&#x017F;re Nation, dann für uns Preußen. <hi rendition="#aq">Vive le Roi!<lb/>
Vive <hi rendition="#i">notre</hi> constitution!</hi> wo <hi rendition="#g">&#x017F;olche</hi> Früchte wach&#x017F;en. O!<lb/>
wie &#x017F;tolz, wie glücklich könnte man durch und für Andre &#x017F;ein,<lb/>
wenn das Ganze immer ein Ganzes wäre: berechnet wie eine<lb/>
Organi&#x017F;ation, für alle Theile; wei&#x017F;e, gütig, glücklich. Nun,<lb/>
es <hi rendition="#g">rückt</hi> ja! Machen Sie ja, daß Mama, und auch Für&#x017F;t<lb/>
P., die gehaltene, elegante, gediegene, abgepaßte Rede lie&#x017F;t! &#x2014;</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">22 *</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0347] die zwar gedruckt, aber nicht für’s Publikum beſtimmt ſind. Ich ſchreibe dir einige ab. Sinnige, zarte Überſchriften für Gräber, ſowohl der Heiden als der Chriſten; im ſchönſten menſchlichen Gefühl gedacht; in reiner Klarheit anſpruchslos ausgedrückt. Der edle Geiſt ſpricht überall daraus an, wenn auch der Dichter es damit nicht auf Uberſchwängliches ange- legt hat. Soviel weiß ich, auch als Dichter möcht’ ich dieſe ſchmuckloſen, aber gediegenen Sprüche noch immer lieber ge- macht haben, als die meiſten der künſtlichen, in der Treib- haushitze gezogenen Gedichte, die man mir jetzt zu bewundern geben will. — Oktober 1828. — Haben Sie die vollendete Rede Humboldts geleſen, zur Eröffnung der Geſellſchaft der Naturforſcher? Ein gelun- genes Meiſterwerk; eine Ehre; erſtlich für unſre Sprache; dann für unſre Nation, dann für uns Preußen. Vive le Roi! Vive notre constitution! wo ſolche Früchte wachſen. O! wie ſtolz, wie glücklich könnte man durch und für Andre ſein, wenn das Ganze immer ein Ganzes wäre: berechnet wie eine Organiſation, für alle Theile; weiſe, gütig, glücklich. Nun, es rückt ja! Machen Sie ja, daß Mama, und auch Fürſt P., die gehaltene, elegante, gediegene, abgepaßte Rede lieſt! — 22 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/347
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/347>, abgerufen am 22.11.2024.