sind; was wir verlieren, wie einsam wir sein werden, wie be- seelt sie war, ist. Diese große Freude hatt' ich in meiner Wehmuth (ja, Wehmuth erfind' ich hier, das ist der Zustand; Wehmuth des Verlustes), daß V. seine noch weniger verber- gen konnte als ich. -- Wir bestärken uns also in der reinen Liebe für die lebendige, zarte, liebe, menschenfreundliche, gott- gesinnte Adelheid. Das freut mich für Sie und mich! Blei- ben Sie so, geliebte Fürstin: bilden Sie das Bessere immer stärker, reiner in sich aus: pflegen Sie es halsstarrig, möchte ich sagen: die Welt überhaupt, die vornehmere besonders, hin- dert uns daran, stört uns darin. Generalisiren Sie Ihre Zeit, möchte ich wieder sagen: sehen Sie nicht auf einen Abend, eine Stunde, ein Erscheinen, ein Rechtbehalten, eine Zustimmung, einen Sieg. Fragen Sie besonders sich: in uns ist die wahre, die einzige Antwort, auf die wir hören sollen. Nie hab' ich eigentlich einen Andern beleidigt, oder ihm Wort gebrochen, (antworten Sie mir auf diesen Punkt nicht!), aber mir selbst: und mit harter, langer Strafe; d. h. mit nothwendiger, unausbleiblicher Folge. Sei Ihr Leben ein Ganzes, wo Ein Augenblick dem andern in richtigster Folge entspricht! das wünscht die Freundin, das möchte sie Ihnen schaffen helfen! und dies allein verführt sie zu dieser Ermah- nung. Sie sind so vielbegabt; ich möchte diese so herrlich- köstlichen Geschenke pflegen helfen! und Ihnen ersparen, was ich durchmachen mußte, und wohl versäumte. Pardon! --
ſind; was wir verlieren, wie einſam wir ſein werden, wie be- ſeelt ſie war, iſt. Dieſe große Freude hatt’ ich in meiner Wehmuth (ja, Wehmuth erfind’ ich hier, das iſt der Zuſtand; Wehmuth des Verluſtes), daß V. ſeine noch weniger verber- gen konnte als ich. — Wir beſtärken uns alſo in der reinen Liebe für die lebendige, zarte, liebe, menſchenfreundliche, gott- geſinnte Adelheid. Das freut mich für Sie und mich! Blei- ben Sie ſo, geliebte Fürſtin: bilden Sie das Beſſere immer ſtärker, reiner in ſich aus: pflegen Sie es halsſtarrig, möchte ich ſagen: die Welt überhaupt, die vornehmere beſonders, hin- dert uns daran, ſtört uns darin. Generaliſiren Sie Ihre Zeit, möchte ich wieder ſagen: ſehen Sie nicht auf einen Abend, eine Stunde, ein Erſcheinen, ein Rechtbehalten, eine Zuſtimmung, einen Sieg. Fragen Sie beſonders ſich: in uns iſt die wahre, die einzige Antwort, auf die wir hören ſollen. Nie hab’ ich eigentlich einen Andern beleidigt, oder ihm Wort gebrochen, (antworten Sie mir auf dieſen Punkt nicht!), aber mir ſelbſt: und mit harter, langer Strafe; d. h. mit nothwendiger, unausbleiblicher Folge. Sei Ihr Leben ein Ganzes, wo Ein Augenblick dem andern in richtigſter Folge entſpricht! das wünſcht die Freundin, das möchte ſie Ihnen ſchaffen helfen! und dies allein verführt ſie zu dieſer Ermah- nung. Sie ſind ſo vielbegabt; ich möchte dieſe ſo herrlich- köſtlichen Geſchenke pflegen helfen! und Ihnen erſparen, was ich durchmachen mußte, und wohl verſäumte. Pardon! —
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Wehmuth des Verluſtes), daß V. ſeine noch weniger verber-
gen konnte als ich. — Wir beſtärken uns alſo in der reinen
Liebe für die lebendige, zarte, liebe, menſchenfreundliche, gott-
geſinnte Adelheid. Das freut mich für Sie und mich! Blei-
ben Sie ſo, geliebte Fürſtin: bilden Sie das Beſſere immer
ſtärker, reiner in ſich aus: pflegen Sie es halsſtarrig, möchte
ich ſagen: die Welt überhaupt, die vornehmere beſonders, hin-
dert uns daran, ſtört uns darin. Generaliſiren Sie Ihre
Zeit, möchte ich wieder ſagen: ſehen Sie nicht auf einen
Abend, eine Stunde, ein Erſcheinen, ein Rechtbehalten, eine
Zuſtimmung, einen Sieg. Fragen Sie beſonders ſich: in
uns iſt die wahre, die einzige Antwort, auf die wir hören
ſollen. Nie hab’ ich eigentlich einen Andern beleidigt, oder
ihm Wort gebrochen, (antworten Sie mir auf dieſen Punkt
nicht!), aber mir ſelbſt: und mit harter, langer Strafe; d. h.
mit nothwendiger, unausbleiblicher Folge. Sei Ihr Leben ein
Ganzes, wo Ein Augenblick dem andern in richtigſter Folge
entſpricht! das wünſcht die Freundin, das möchte ſie Ihnen
ſchaffen helfen! und dies allein verführt ſie zu dieſer Ermah-
nung. Sie ſind ſo vielbegabt; ich möchte dieſe ſo herrlich-
köſtlichen Geſchenke pflegen helfen! und Ihnen erſparen, was
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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