diesem Kinde freundliches Leben; Freundesberührung aller Art; was Künste, Litteratur, und gesellige Bewegung mit sich bringt, durch die Seele rinnen lassen! Hier sind Sie von all dem er- wartet. -- Sie sind alt, und würdig, und -- auch mate- riell -- frei genug, um sich zu zeigen, wie Sie eben grad sind, eben grad sein wollen. Leben Sie doch -- was fast Schuldigkeit ist -- in Ihnen angemessener Mittheilung und Bewegung Ihr Leben ab! Wir sind die Geschöpfe mit Sprache geschaffen; zur Erörterung, zur Vernunftdarlegung bis in die kleinsten Dinge hinab: Mittheilung ist unser Wesen: daher unsre Pflicht. Durch sie nur werden wir urbar. Kommen Sie, liebe gute Freundin. Ihr Neffe Kalckreuth denkt dar- über wie ich: wir haben schon alles erörtert. Er wünscht es; er bittet wie ich; doch zweifelt er mehr als ich. Er war gestern Abend mit ein paar Leuten, erst allein bei mir, alles zufällig. Die große Welt kann Sie gar nicht stören: die lebt sehr eingeschränkt. Fragen Sie Einmal Graf Kalckreuth, Ihren Neffen von Siegersdorf -- ich spreche immer nur von dem. -- Und für die sind Sie nur die Gräfin Schlabren- dorf. Schicken Sie also keine Karten mit dem Worte drauf, so existiren Sie nicht für sie. Sie existirt doch nun auch nicht für Sie. Zu Hofe wollen Sie nicht; Ämter auch nicht: Amüsement ist nicht da. Also; sie kommen an, schicken Kar- ten zu denen, die Sie wollen, mögen, sie seien aus wel- chem Kreise Sie wollen. Es macht sich in dem großen Orte alles. Sie kommen Ihrer Gesundheit wegen: einiger Freunde, heißt es, wegen Vorlesungen; was Sie wollen. -- Zeigen sich unerschütterlich über caquet, verbieten es, verbitten sich es-
dieſem Kinde freundliches Leben; Freundesberührung aller Art; was Künſte, Litteratur, und geſellige Bewegung mit ſich bringt, durch die Seele rinnen laſſen! Hier ſind Sie von all dem er- wartet. — Sie ſind alt, und würdig, und — auch mate- riell — frei genug, um ſich zu zeigen, wie Sie eben grad ſind, eben grad ſein wollen. Leben Sie doch — was faſt Schuldigkeit iſt — in Ihnen angemeſſener Mittheilung und Bewegung Ihr Leben ab! Wir ſind die Geſchöpfe mit Sprache geſchaffen; zur Erörterung, zur Vernunftdarlegung bis in die kleinſten Dinge hinab: Mittheilung iſt unſer Weſen: daher unſre Pflicht. Durch ſie nur werden wir urbar. Kommen Sie, liebe gute Freundin. Ihr Neffe Kalckreuth denkt dar- über wie ich: wir haben ſchon alles erörtert. Er wünſcht es; er bittet wie ich; doch zweifelt er mehr als ich. Er war geſtern Abend mit ein paar Leuten, erſt allein bei mir, alles zufällig. Die große Welt kann Sie gar nicht ſtören: die lebt ſehr eingeſchränkt. Fragen Sie Einmal Graf Kalckreuth, Ihren Neffen von Siegersdorf — ich ſpreche immer nur von dem. — Und für die ſind Sie nur die Gräfin Schlabren- dorf. Schicken Sie alſo keine Karten mit dem Worte drauf, ſo exiſtiren Sie nicht für ſie. Sie exiſtirt doch nun auch nicht für Sie. Zu Hofe wollen Sie nicht; Ämter auch nicht: Amüſement iſt nicht da. Alſo; ſie kommen an, ſchicken Kar- ten zu denen, die Sie wollen, mögen, ſie ſeien aus wel- chem Kreiſe Sie wollen. Es macht ſich in dem großen Orte alles. Sie kommen Ihrer Geſundheit wegen: einiger Freunde, heißt es, wegen Vorleſungen; was Sie wollen. — Zeigen ſich unerſchütterlich über caquet, verbieten es, verbitten ſich es-
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dieſem Kinde freundliches Leben; Freundesberührung aller Art;
was Künſte, Litteratur, und geſellige Bewegung mit ſich bringt,
durch die Seele rinnen laſſen! Hier ſind Sie von all dem er-
wartet. — Sie ſind alt, und würdig, und — auch mate-
riell — frei genug, um ſich zu zeigen, wie Sie eben grad
ſind, eben grad ſein wollen. Leben Sie doch — was faſt
Schuldigkeit iſt — in Ihnen angemeſſener Mittheilung und
Bewegung Ihr Leben ab! Wir ſind die Geſchöpfe mit Sprache
geſchaffen; zur Erörterung, zur Vernunftdarlegung bis in die
kleinſten Dinge hinab: Mittheilung iſt unſer Weſen: daher
unſre Pflicht. Durch ſie nur werden wir urbar. Kommen
Sie, liebe gute Freundin. Ihr Neffe Kalckreuth denkt dar-
über wie ich: wir haben ſchon alles erörtert. Er wünſcht es;
er bittet wie ich; doch zweifelt er mehr als ich. Er war
geſtern Abend mit ein paar Leuten, erſt allein bei mir, alles
zufällig. Die große Welt kann Sie gar nicht ſtören: die
lebt ſehr eingeſchränkt. Fragen Sie Einmal Graf Kalckreuth,
Ihren Neffen von Siegersdorf — ich ſpreche immer nur von
dem. — Und für die ſind Sie nur die Gräfin Schlabren-
dorf. Schicken Sie alſo keine Karten mit dem Worte drauf,
ſo exiſtiren Sie nicht für ſie. Sie exiſtirt doch nun auch
nicht für Sie. Zu Hofe wollen Sie nicht; Ämter auch nicht:
Amüſement iſt nicht da. Alſo; ſie kommen an, ſchicken Kar-
ten zu denen, die Sie wollen, mögen, ſie ſeien aus wel-
chem Kreiſe Sie wollen. Es macht ſich in dem großen Orte
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heißt es, wegen Vorleſungen; was Sie wollen. — Zeigen ſich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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