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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Fürstin nach Carolath, oder nach Goethen. Oder -- gewiß
nichts. Ich nehme mir noch mit Gewalt die Zeit -- heute
Abends hab' ich Henckels, Yorck, Willisen, und was noch
anschifft -- um dir zu sagen, daß wir die ganze vorige Woche
bis vorgestern Hrn. Pirault des Chaumes bewirthet und ge-
leitet haben; mit seinem großen Siegersdorfer Kalckreuth, dem
Sohn. Würdig. Hr. P. ein alter Franzose, der sehr schön
seine Fabeln rezitirt. Mir fehlen Franzosen, nämlich solche,
wie Montigny. Bei euch sind alle interessante. Man liest's
in unsern Zeitungen. Canning weg. Castlereagh weg.
Alexander, die Kaiserin weg! -- Es gehn mehr, andre Wel-
ten, wie eben so viel Schiffe, auf dem Strom des Daseins
zugleich, unbekümmert um einander. Nur Ein Geist, der
Geist -- unserer auch -- bringt sie zusammen; durch Begrei-
fen! -- Ein befreiter Geist, ein unbedingt waltender, was
bekäme der wohl zu sehn? Dies merkt man ja an jedem neuen
Einfall: wahrhaft neuen, eine Welt; eine andere. Du
weißt, wie wenig ich Hegel'sche Bücher, gegen Fichte, --
komparativ heißt hier gegen, -- goutirte: wie wenig seine
Schreibart! Jetzt aber habe ich angefangen -- man läßt
mich nicht lesen: die vielen Relationen: nicht das Zweiund-
dreißigtel nannt' ich dir -- seine "Encyklopädie der philoso-
phischen Wissenschaften im Grundriß," die er Varnhagen ver-
ehrt hat, zu lesen. Parlez-moi de ca! Vortrefflich. Beinah
jede Zeile eine unwiderlegliche Definition. Ich streiche an und
schreibe nebenbei. Ich finde Fichte. Was sonst? Wer die
Silhouette des Geistes gemacht, wer ihn wie der Silhouetteur
festgeschraubt hat, um die Dimensionen zu nehmen, die er

Fürſtin nach Carolath, oder nach Goethen. Oder — gewiß
nichts. Ich nehme mir noch mit Gewalt die Zeit — heute
Abends hab’ ich Henckels, Yorck, Williſen, und was noch
anſchifft — um dir zu ſagen, daß wir die ganze vorige Woche
bis vorgeſtern Hrn. Pirault des Chaumes bewirthet und ge-
leitet haben; mit ſeinem großen Siegersdorfer Kalckreuth, dem
Sohn. Würdig. Hr. P. ein alter Franzoſe, der ſehr ſchön
ſeine Fabeln rezitirt. Mir fehlen Franzoſen, nämlich ſolche,
wie Montigny. Bei euch ſind alle intereſſante. Man lieſt’s
in unſern Zeitungen. Canning weg. Caſtlereagh weg.
Alexander, die Kaiſerin weg! — Es gehn mehr, andre Wel-
ten, wie eben ſo viel Schiffe, auf dem Strom des Daſeins
zugleich, unbekümmert um einander. Nur Ein Geiſt, der
Geiſt — unſerer auch — bringt ſie zuſammen; durch Begrei-
fen! — Ein befreiter Geiſt, ein unbedingt waltender, was
bekäme der wohl zu ſehn? Dies merkt man ja an jedem neuen
Einfall: wahrhaft neuen, eine Welt; eine andere. Du
weißt, wie wenig ich Hegel’ſche Bücher, gegen Fichte, —
komparativ heißt hier gegen, — goutirte: wie wenig ſeine
Schreibart! Jetzt aber habe ich angefangen — man läßt
mich nicht leſen: die vielen Relationen: nicht das Zweiund-
dreißigtel nannt’ ich dir — ſeine „Encyklopädie der philoſo-
phiſchen Wiſſenſchaften im Grundriß,“ die er Varnhagen ver-
ehrt hat, zu leſen. Parlez-moi de ça! Vortrefflich. Beinah
jede Zeile eine unwiderlegliche Definition. Ich ſtreiche an und
ſchreibe nebenbei. Ich finde Fichte. Was ſonſt? Wer die
Silhouette des Geiſtes gemacht, wer ihn wie der Silhouetteur
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[282/0290] Fürſtin nach Carolath, oder nach Goethen. Oder — gewiß nichts. Ich nehme mir noch mit Gewalt die Zeit — heute Abends hab’ ich Henckels, Yorck, Williſen, und was noch anſchifft — um dir zu ſagen, daß wir die ganze vorige Woche bis vorgeſtern Hrn. Pirault des Chaumes bewirthet und ge- leitet haben; mit ſeinem großen Siegersdorfer Kalckreuth, dem Sohn. Würdig. Hr. P. ein alter Franzoſe, der ſehr ſchön ſeine Fabeln rezitirt. Mir fehlen Franzoſen, nämlich ſolche, wie Montigny. Bei euch ſind alle intereſſante. Man lieſt’s in unſern Zeitungen. Canning weg. Caſtlereagh weg. Alexander, die Kaiſerin weg! — Es gehn mehr, andre Wel- ten, wie eben ſo viel Schiffe, auf dem Strom des Daſeins zugleich, unbekümmert um einander. Nur Ein Geiſt, der Geiſt — unſerer auch — bringt ſie zuſammen; durch Begrei- fen! — Ein befreiter Geiſt, ein unbedingt waltender, was bekäme der wohl zu ſehn? Dies merkt man ja an jedem neuen Einfall: wahrhaft neuen, eine Welt; eine andere. Du weißt, wie wenig ich Hegel’ſche Bücher, gegen Fichte, — komparativ heißt hier gegen, — goutirte: wie wenig ſeine Schreibart! Jetzt aber habe ich angefangen — man läßt mich nicht leſen: die vielen Relationen: nicht das Zweiund- dreißigtel nannt’ ich dir — ſeine „Encyklopädie der philoſo- phiſchen Wiſſenſchaften im Grundriß,“ die er Varnhagen ver- ehrt hat, zu leſen. Parlez-moi de ça! Vortrefflich. Beinah jede Zeile eine unwiderlegliche Definition. Ich ſtreiche an und ſchreibe nebenbei. Ich finde Fichte. Was ſonſt? Wer die Silhouette des Geiſtes gemacht, wer ihn wie der Silhouetteur feſtgeſchraubt hat, um die Dimenſionen zu nehmen, die er

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/290>, abgerufen am 25.11.2024.