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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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ansehn und annehmen. Die ganze, große, für uns vorhan-
dene Welt muß sich für unsere Gedanken beleben und leben-
dig werden; nicht hier und da nur, und ohne unser Zuthun
auf uns wirken. Eben so wie wir den Begriff von Organi-
sation einmal auf irgend einen Gegenstand in der Natur bezo-
gen, aufgefaßt haben (als ein sowohl sich selbst, als eines Zwei-
ten benöthigtes und ihm genügendes -- gleichsam ein erkenn-
bares reservoir von niedergelegter Intelligenz, welches auch
wieder intelligent wirkt -- Organisation:) eben so muß sich
Erde, Himmel, Atmosphäre, Sterndecke, die ganze vernehm-
bare Natur für uns zu Einer großen aus Organisationen be-
stehenden Organisation hervorthun; die höchste Blüthe dieses
großen Werkes sich als Bewußtsein ergeben; deren höchste
Blüthe wieder die Voraussetzung über ihnen selbst stehender
Organisation ist (und sie selbst bedingt). Also: göttliche Ge-
danken und Hoffnung. Also: mehr als das Weltall, weiter-
getrieben Analogieen. Der Geist findet sein eignes Verfahren
wieder in den Spuren des Verfahrens der Natur, der er nach-
spürt; dieselbe Zwangsregel, die bei ihm durch Einsicht und
Zustimmung zur Freiheit wird, welche bei uns Menschen sich
nur als Zustimmung äußern, ja gestalten kann.

Es ist nicht Unrecht, wenn der Mensch diesen Weg des
Erkenntnisses wählt, weil er sich gleich von Gott selbst auf
den Punkt gestellt findet. Der Mensch überhaupt, wie wir
ihn von je kennen, hat es auch immer gethan: Einzelne aber
können gar bald von der äußerlich vernehmbaren Welt mit
ihren Gedanken abkommen, und mit einem kleinen Vorrath
davon bald nach innen unmittelbarere Fragen aufstellen; weil

anſehn und annehmen. Die ganze, große, für uns vorhan-
dene Welt muß ſich für unſere Gedanken beleben und leben-
dig werden; nicht hier und da nur, und ohne unſer Zuthun
auf uns wirken. Eben ſo wie wir den Begriff von Organi-
ſation einmal auf irgend einen Gegenſtand in der Natur bezo-
gen, aufgefaßt haben (als ein ſowohl ſich ſelbſt, als eines Zwei-
ten benöthigtes und ihm genügendes — gleichſam ein erkenn-
bares reservoir von niedergelegter Intelligenz, welches auch
wieder intelligent wirkt — Organiſation:) eben ſo muß ſich
Erde, Himmel, Atmoſphäre, Sterndecke, die ganze vernehm-
bare Natur für uns zu Einer großen aus Organiſationen be-
ſtehenden Organiſation hervorthun; die höchſte Blüthe dieſes
großen Werkes ſich als Bewußtſein ergeben; deren höchſte
Blüthe wieder die Vorausſetzung über ihnen ſelbſt ſtehender
Organiſation iſt (und ſie ſelbſt bedingt). Alſo: göttliche Ge-
danken und Hoffnung. Alſo: mehr als das Weltall, weiter-
getrieben Analogieen. Der Geiſt findet ſein eignes Verfahren
wieder in den Spuren des Verfahrens der Natur, der er nach-
ſpürt; dieſelbe Zwangsregel, die bei ihm durch Einſicht und
Zuſtimmung zur Freiheit wird, welche bei uns Menſchen ſich
nur als Zuſtimmung äußern, ja geſtalten kann.

Es iſt nicht Unrecht, wenn der Menſch dieſen Weg des
Erkenntniſſes wählt, weil er ſich gleich von Gott ſelbſt auf
den Punkt geſtellt findet. Der Menſch überhaupt, wie wir
ihn von je kennen, hat es auch immer gethan: Einzelne aber
können gar bald von der äußerlich vernehmbaren Welt mit
ihren Gedanken abkommen, und mit einem kleinen Vorrath
davon bald nach innen unmittelbarere Fragen aufſtellen; weil

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[184/0192] anſehn und annehmen. Die ganze, große, für uns vorhan- dene Welt muß ſich für unſere Gedanken beleben und leben- dig werden; nicht hier und da nur, und ohne unſer Zuthun auf uns wirken. Eben ſo wie wir den Begriff von Organi- ſation einmal auf irgend einen Gegenſtand in der Natur bezo- gen, aufgefaßt haben (als ein ſowohl ſich ſelbſt, als eines Zwei- ten benöthigtes und ihm genügendes — gleichſam ein erkenn- bares reservoir von niedergelegter Intelligenz, welches auch wieder intelligent wirkt — Organiſation:) eben ſo muß ſich Erde, Himmel, Atmoſphäre, Sterndecke, die ganze vernehm- bare Natur für uns zu Einer großen aus Organiſationen be- ſtehenden Organiſation hervorthun; die höchſte Blüthe dieſes großen Werkes ſich als Bewußtſein ergeben; deren höchſte Blüthe wieder die Vorausſetzung über ihnen ſelbſt ſtehender Organiſation iſt (und ſie ſelbſt bedingt). Alſo: göttliche Ge- danken und Hoffnung. Alſo: mehr als das Weltall, weiter- getrieben Analogieen. Der Geiſt findet ſein eignes Verfahren wieder in den Spuren des Verfahrens der Natur, der er nach- ſpürt; dieſelbe Zwangsregel, die bei ihm durch Einſicht und Zuſtimmung zur Freiheit wird, welche bei uns Menſchen ſich nur als Zuſtimmung äußern, ja geſtalten kann. Es iſt nicht Unrecht, wenn der Menſch dieſen Weg des Erkenntniſſes wählt, weil er ſich gleich von Gott ſelbſt auf den Punkt geſtellt findet. Der Menſch überhaupt, wie wir ihn von je kennen, hat es auch immer gethan: Einzelne aber können gar bald von der äußerlich vernehmbaren Welt mit ihren Gedanken abkommen, und mit einem kleinen Vorrath davon bald nach innen unmittelbarere Fragen aufſtellen; weil

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/192>, abgerufen am 23.11.2024.