Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

den müßigen Stunden ganz irre.) Das Hübsche ist ein Mensch;
und der Mensch ein Mädchen; und das Mädchen, Mlle.
Bauer.

Wenn Sie morgen kommen, so hält Sie das nicht ab,
auch übermorgen zu kommen; ich muß Sie vielleicht auch auf
übermorgen bitten: doch das entscheidet sich erst morgen, wenn
Sie da sind. Ist das Freundschaft? Kann nun nicht ohne
alle fernere Versicherung mein Namen plumps dastehen?

Friederike Varnhagen.



Beinah werden nur die Leute alt, die nichts als jung
waren.




Wahres Unglück ist nicht das, welches einem Menschen
als Unglücksfall überkommen muß, und welchem wir als solche
stets ausgesetzt sind. Unglück ist das Unangenehme, in allen
Lebensmomenten Drückende und Hemmende, welches nothwen-
dig aus einer gegebenen Lage sich entwicklen muß: aus Ge-
burtsstellung, aus der Karaktermitgift -- Konstellation unsrer
Eigenschaften in jedem Sinn, -- Körperschönheit und Gesund-
heit; oder deren Mangel u. s. w. Dagegen kann der Mensch
nicht selbst an; sondern ein Höherer; wir können nur diese
Fälle erkennen lernen, als Fakta, die uns als diesen besondren
Menschen begegnen müssen: und uns darein ergeben, als in
ein Unvermeidliches, und ein doch Trost enthaltendes, als eben
so nothwendig auf Neues, Hohes und Unbekanntes sich Be-

den müßigen Stunden ganz irre.) Das Hübſche iſt ein Menſch;
und der Menſch ein Mädchen; und das Mädchen, Mlle.
Bauer.

Wenn Sie morgen kommen, ſo hält Sie das nicht ab,
auch übermorgen zu kommen; ich muß Sie vielleicht auch auf
übermorgen bitten: doch das entſcheidet ſich erſt morgen, wenn
Sie da ſind. Iſt das Freundſchaft? Kann nun nicht ohne
alle fernere Verſicherung mein Namen plumps daſtehen?

Friederike Varnhagen.



Beinah werden nur die Leute alt, die nichts als jung
waren.




Wahres Unglück iſt nicht das, welches einem Menſchen
als Unglücksfall überkommen muß, und welchem wir als ſolche
ſtets ausgeſetzt ſind. Unglück iſt das Unangenehme, in allen
Lebensmomenten Drückende und Hemmende, welches nothwen-
dig aus einer gegebenen Lage ſich entwicklen muß: aus Ge-
burtsſtellung, aus der Karaktermitgift — Konſtellation unſrer
Eigenſchaften in jedem Sinn, — Körperſchönheit und Geſund-
heit; oder deren Mangel u. ſ. w. Dagegen kann der Menſch
nicht ſelbſt an; ſondern ein Höherer; wir können nur dieſe
Fälle erkennen lernen, als Fakta, die uns als dieſen beſondren
Menſchen begegnen müſſen: und uns darein ergeben, als in
ein Unvermeidliches, und ein doch Troſt enthaltendes, als eben
ſo nothwendig auf Neues, Hohes und Unbekanntes ſich Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0188" n="180"/>
den müßigen Stunden ganz irre.) Das Hüb&#x017F;che i&#x017F;t ein Men&#x017F;ch;<lb/>
und der Men&#x017F;ch ein Mädchen; und das Mädchen, Mlle.<lb/>
Bauer.</p><lb/>
            <p>Wenn Sie morgen kommen, &#x017F;o hält Sie das nicht ab,<lb/>
auch übermorgen zu kommen; ich muß Sie vielleicht auch auf<lb/>
übermorgen bitten: doch das ent&#x017F;cheidet &#x017F;ich er&#x017F;t morgen, wenn<lb/>
Sie da &#x017F;ind. I&#x017F;t das Freund&#x017F;chaft? Kann nun nicht ohne<lb/>
alle fernere Ver&#x017F;icherung mein Namen plumps da&#x017F;tehen?</p><lb/>
            <closer>
              <salute> <hi rendition="#et">Friederike Varnhagen.</hi> </salute>
            </closer>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag, den 25. Januar 1825.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Beinah werden nur die Leute alt, die nichts als jung<lb/>
waren.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Donnerstag, den 27. Januar 1825.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Wahres Unglück i&#x017F;t nicht das, welches einem Men&#x017F;chen<lb/>
als Unglücksfall überkommen muß, und welchem wir als &#x017F;olche<lb/>
&#x017F;tets ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind. Unglück i&#x017F;t das Unangenehme, in allen<lb/>
Lebensmomenten Drückende und Hemmende, welches nothwen-<lb/>
dig aus einer gegebenen Lage &#x017F;ich entwicklen muß: aus Ge-<lb/>
burts&#x017F;tellung, aus der Karaktermitgift &#x2014; Kon&#x017F;tellation un&#x017F;rer<lb/>
Eigen&#x017F;chaften in jedem Sinn, &#x2014; Körper&#x017F;chönheit und Ge&#x017F;und-<lb/>
heit; oder deren Mangel u. &#x017F;. w. Dagegen kann der Men&#x017F;ch<lb/>
nicht &#x017F;elb&#x017F;t an; &#x017F;ondern ein Höherer; wir können nur die&#x017F;e<lb/>
Fälle erkennen lernen, als Fakta, die uns als die&#x017F;en be&#x017F;ondren<lb/>
Men&#x017F;chen begegnen mü&#x017F;&#x017F;en: und uns darein ergeben, als in<lb/>
ein Unvermeidliches, und ein doch Tro&#x017F;t enthaltendes, als eben<lb/>
&#x017F;o nothwendig auf Neues, Hohes und Unbekanntes &#x017F;ich Be-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0188] den müßigen Stunden ganz irre.) Das Hübſche iſt ein Menſch; und der Menſch ein Mädchen; und das Mädchen, Mlle. Bauer. Wenn Sie morgen kommen, ſo hält Sie das nicht ab, auch übermorgen zu kommen; ich muß Sie vielleicht auch auf übermorgen bitten: doch das entſcheidet ſich erſt morgen, wenn Sie da ſind. Iſt das Freundſchaft? Kann nun nicht ohne alle fernere Verſicherung mein Namen plumps daſtehen? Friederike Varnhagen. Dienstag, den 25. Januar 1825. Beinah werden nur die Leute alt, die nichts als jung waren. Donnerstag, den 27. Januar 1825. Wahres Unglück iſt nicht das, welches einem Menſchen als Unglücksfall überkommen muß, und welchem wir als ſolche ſtets ausgeſetzt ſind. Unglück iſt das Unangenehme, in allen Lebensmomenten Drückende und Hemmende, welches nothwen- dig aus einer gegebenen Lage ſich entwicklen muß: aus Ge- burtsſtellung, aus der Karaktermitgift — Konſtellation unſrer Eigenſchaften in jedem Sinn, — Körperſchönheit und Geſund- heit; oder deren Mangel u. ſ. w. Dagegen kann der Menſch nicht ſelbſt an; ſondern ein Höherer; wir können nur dieſe Fälle erkennen lernen, als Fakta, die uns als dieſen beſondren Menſchen begegnen müſſen: und uns darein ergeben, als in ein Unvermeidliches, und ein doch Troſt enthaltendes, als eben ſo nothwendig auf Neues, Hohes und Unbekanntes ſich Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/188
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/188>, abgerufen am 27.11.2024.