Dies nehm' ich gewiß an: so kommt Leben und Vernünftig- keit in unsre starre Gränze, aus der und meiner Voraussetzung wir bestehen. Warum der abgesteckte Stolz, der uns verfin- stert, im Finstern läßt? --
Freitag, den 13. August 1824.
Am Ende kann man gar kein Gespräch mehr erdulden, was sich nur auf der Peripherie herum treibt; man muß aus dem Centrum sprechen.
Sie sind nicht mehr zu erdulden, die nicht selbstständig und ursprünglich sind; die ihre Bildung nicht selbst produzi- ren. Wenn es auch nur auf Einem Punkt in einem Men- schen auf diese richtige Weise hergeht, so ist er liebenswürdig, erträglich und einträglich; kommt ihm aber die vielseitigste Bildung schon ausgemünzt zu, welches auch eigentlich ergrün- det nie geschehen kann, so ist er seicht, spielt mit Zahlpfenni- gen, kann sich nie als Wohlhabender fühlen, und muß sich als Eiteler und Leerer aufdringen; mehr und weniger, nach zufälliger Mischung seiner zerstreuten Eigenschaften und des Erlebten. Gar nicht mehr zu ertragen!
Sonntag, den 15. August 1824.
Wir sprechen nur so viel, weil wir uns nicht ausdrücken können; könnten wir das, so würden wir nur Eins sagen.
Viele
Dies nehm’ ich gewiß an: ſo kommt Leben und Vernünftig- keit in unſre ſtarre Gränze, aus der und meiner Vorausſetzung wir beſtehen. Warum der abgeſteckte Stolz, der uns verfin- ſtert, im Finſtern läßt? —
Freitag, den 13. Auguſt 1824.
Am Ende kann man gar kein Geſpräch mehr erdulden, was ſich nur auf der Peripherie herum treibt; man muß aus dem Centrum ſprechen.
Sie ſind nicht mehr zu erdulden, die nicht ſelbſtſtändig und urſprünglich ſind; die ihre Bildung nicht ſelbſt produzi- ren. Wenn es auch nur auf Einem Punkt in einem Men- ſchen auf dieſe richtige Weiſe hergeht, ſo iſt er liebenswürdig, erträglich und einträglich; kommt ihm aber die vielſeitigſte Bildung ſchon ausgemünzt zu, welches auch eigentlich ergrün- det nie geſchehen kann, ſo iſt er ſeicht, ſpielt mit Zahlpfenni- gen, kann ſich nie als Wohlhabender fühlen, und muß ſich als Eiteler und Leerer aufdringen; mehr und weniger, nach zufälliger Miſchung ſeiner zerſtreuten Eigenſchaften und des Erlebten. Gar nicht mehr zu ertragen!
Sonntag, den 15. Auguſt 1824.
Wir ſprechen nur ſo viel, weil wir uns nicht ausdrücken können; könnten wir das, ſo würden wir nur Eins ſagen.
Viele
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0168"n="160"/>
Dies nehm’ ich gewiß an: ſo kommt Leben und Vernünftig-<lb/>
keit in unſre ſtarre Gränze, aus der und meiner Vorausſetzung<lb/>
wir beſtehen. Warum der abgeſteckte Stolz, der uns verfin-<lb/>ſtert, im Finſtern läßt? —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Freitag, den 13. Auguſt 1824.</hi></dateline><lb/><p>Am Ende kann man gar kein Geſpräch mehr erdulden,<lb/>
was ſich nur auf der Peripherie herum treibt; man muß aus<lb/>
dem Centrum ſprechen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><p>Sie ſind nicht mehr zu erdulden, die nicht ſelbſtſtändig<lb/>
und urſprünglich ſind; die ihre Bildung nicht ſelbſt produzi-<lb/>
ren. Wenn es auch nur auf Einem Punkt in einem Men-<lb/>ſchen auf dieſe richtige Weiſe hergeht, ſo iſt er liebenswürdig,<lb/>
erträglich und einträglich; kommt ihm aber die vielſeitigſte<lb/>
Bildung ſchon ausgemünzt zu, welches auch eigentlich ergrün-<lb/>
det nie geſchehen kann, ſo iſt er ſeicht, ſpielt mit Zahlpfenni-<lb/>
gen, kann ſich nie als Wohlhabender fühlen, und muß ſich<lb/>
als Eiteler und Leerer aufdringen; mehr und weniger, nach<lb/>
zufälliger Miſchung ſeiner zerſtreuten Eigenſchaften und des<lb/>
Erlebten. Gar nicht mehr zu ertragen!</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Sonntag, den 15. Auguſt 1824.</hi></dateline><lb/><p>Wir ſprechen nur ſo viel, weil wir uns nicht ausdrücken<lb/>
können; könnten wir das, ſo würden wir nur Eins ſagen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch">Viele</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[160/0168]
Dies nehm’ ich gewiß an: ſo kommt Leben und Vernünftig-
keit in unſre ſtarre Gränze, aus der und meiner Vorausſetzung
wir beſtehen. Warum der abgeſteckte Stolz, der uns verfin-
ſtert, im Finſtern läßt? —
Freitag, den 13. Auguſt 1824.
Am Ende kann man gar kein Geſpräch mehr erdulden,
was ſich nur auf der Peripherie herum treibt; man muß aus
dem Centrum ſprechen.
Sie ſind nicht mehr zu erdulden, die nicht ſelbſtſtändig
und urſprünglich ſind; die ihre Bildung nicht ſelbſt produzi-
ren. Wenn es auch nur auf Einem Punkt in einem Men-
ſchen auf dieſe richtige Weiſe hergeht, ſo iſt er liebenswürdig,
erträglich und einträglich; kommt ihm aber die vielſeitigſte
Bildung ſchon ausgemünzt zu, welches auch eigentlich ergrün-
det nie geſchehen kann, ſo iſt er ſeicht, ſpielt mit Zahlpfenni-
gen, kann ſich nie als Wohlhabender fühlen, und muß ſich
als Eiteler und Leerer aufdringen; mehr und weniger, nach
zufälliger Miſchung ſeiner zerſtreuten Eigenſchaften und des
Erlebten. Gar nicht mehr zu ertragen!
Sonntag, den 15. Auguſt 1824.
Wir ſprechen nur ſo viel, weil wir uns nicht ausdrücken
können; könnten wir das, ſo würden wir nur Eins ſagen.
Viele
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/168>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.