immer zu finden. Den Inbegriff aller Sittlichkeit aber hab' ich nie anders verstanden, als aus unserer Persönlichkeit hinaus andere Persönlichkeiten anzuerkennen, und sie eben so zu be- handlen als uns selbst; das Beste, Angemessenste, Vernünf- tigste, was sich auf unser bestes Dasein, auf das Fortschrei- tendste in uns bezieht, für uns zu wollen; und in Freiheit zu all diesem zu lassen und zu setzen. --
S. 442. spricht er vom Staate: "Der Staat ist immer ein Makroanthropos gewesen: die Zünfte die Glieder und einzelnen Kräfte, die Stände das Vermögen. Der Adel war das sittliche Vermögen" etc. "Der König der Wille." Große Konsequenz! Erstlich, sollen wir Alle zu einem sittlichen Ver- mögen werden; dann, zu einem einigen reinen sittlichen Wil- len! Aber Novalis geht's wie allen Biblen, man explizirt das aus ihm heraus, was man gebrauchen will. Er sagt selbst vorher: "Der Weg zur Ruhe geht nur durch das Gebiet der allumfassenden Thätigkeit." Also wird es noch viel geben! Streit, ruhige Entwickelung; Absterben, Drängen, große Er- findungen, plötzliche Entdeckungen: die Partheien werden lange todt sein, wenn ihre Wünsche erfüllt werden. Auch sehr na- türlich: dann braucht's keine. --
"Die Lehre vom Mittler leidet Anwendung auf die Po- litik. Auch hier sind der Monarch, oder die Regierungsbeam- ten, Staatsrepräsentanten, Staatsmittler." (S. 443.) Leuch- tendes Bild! Schöner Punkt im Kontrakt! Eine wahre Er- mahnung: ein gesprochenes Urtheil, in letzter Instanz: wenn Zustände angeklagt werden, die sich als krankhafte Thätigkeit zeigten. "So ist für das große Ich das gewöhnliche Ich nur
Supple-
immer zu finden. Den Inbegriff aller Sittlichkeit aber hab’ ich nie anders verſtanden, als aus unſerer Perſönlichkeit hinaus andere Perſönlichkeiten anzuerkennen, und ſie eben ſo zu be- handlen als uns ſelbſt; das Beſte, Angemeſſenſte, Vernünf- tigſte, was ſich auf unſer beſtes Daſein, auf das Fortſchrei- tendſte in uns bezieht, für uns zu wollen; und in Freiheit zu all dieſem zu laſſen und zu ſetzen. —
S. 442. ſpricht er vom Staate: „Der Staat iſt immer ein Makroanthropos geweſen: die Zünfte die Glieder und einzelnen Kräfte, die Stände das Vermögen. Der Adel war das ſittliche Vermögen“ ꝛc. „Der König der Wille.“ Große Konſequenz! Erſtlich, ſollen wir Alle zu einem ſittlichen Ver- mögen werden; dann, zu einem einigen reinen ſittlichen Wil- len! Aber Novalis geht’s wie allen Biblen, man explizirt das aus ihm heraus, was man gebrauchen will. Er ſagt ſelbſt vorher: „Der Weg zur Ruhe geht nur durch das Gebiet der allumfaſſenden Thätigkeit.“ Alſo wird es noch viel geben! Streit, ruhige Entwickelung; Abſterben, Drängen, große Er- findungen, plötzliche Entdeckungen: die Partheien werden lange todt ſein, wenn ihre Wünſche erfüllt werden. Auch ſehr na- türlich: dann braucht’s keine. —
„Die Lehre vom Mittler leidet Anwendung auf die Po- litik. Auch hier ſind der Monarch, oder die Regierungsbeam- ten, Staatsrepräſentanten, Staatsmittler.“ (S. 443.) Leuch- tendes Bild! Schöner Punkt im Kontrakt! Eine wahre Er- mahnung: ein geſprochenes Urtheil, in letzter Inſtanz: wenn Zuſtände angeklagt werden, die ſich als krankhafte Thätigkeit zeigten. „So iſt für das große Ich das gewöhnliche Ich nur
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immer zu finden. Den Inbegriff aller Sittlichkeit aber hab’
ich nie anders verſtanden, als aus unſerer Perſönlichkeit hinaus
andere Perſönlichkeiten anzuerkennen, und ſie eben ſo zu be-
handlen als uns ſelbſt; das Beſte, Angemeſſenſte, Vernünf-
tigſte, was ſich auf unſer beſtes Daſein, auf das Fortſchrei-
tendſte in uns bezieht, für uns zu wollen; und in Freiheit zu
all dieſem zu laſſen und zu ſetzen. —
S. 442. ſpricht er vom Staate: „Der Staat iſt immer
ein Makroanthropos geweſen: die Zünfte die Glieder und
einzelnen Kräfte, die Stände das Vermögen. Der Adel war
das ſittliche Vermögen“ ꝛc. „Der König der Wille.“ Große
Konſequenz! Erſtlich, ſollen wir Alle zu einem ſittlichen Ver-
mögen werden; dann, zu einem einigen reinen ſittlichen Wil-
len! Aber Novalis geht’s wie allen Biblen, man explizirt das
aus ihm heraus, was man gebrauchen will. Er ſagt ſelbſt
vorher: „Der Weg zur Ruhe geht nur durch das Gebiet der
allumfaſſenden Thätigkeit.“ Alſo wird es noch viel geben!
Streit, ruhige Entwickelung; Abſterben, Drängen, große Er-
findungen, plötzliche Entdeckungen: die Partheien werden lange
todt ſein, wenn ihre Wünſche erfüllt werden. Auch ſehr na-
türlich: dann braucht’s keine. —
„Die Lehre vom Mittler leidet Anwendung auf die Po-
litik. Auch hier ſind der Monarch, oder die Regierungsbeam-
ten, Staatsrepräſentanten, Staatsmittler.“ (S. 443.) Leuch-
tendes Bild! Schöner Punkt im Kontrakt! Eine wahre Er-
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Zuſtände angeklagt werden, die ſich als krankhafte Thätigkeit
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/152>, abgerufen am 27.11.2024.
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