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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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ich ihr meine Briefe nicht gerne zeigen möchte: sie sah es ganz
ein; blieb aber dabei, bei ihr schade auch dies nicht, was ich
angeführt hatte. --

Wir sprachen stundenlang weitläufigst; ich setzte ihr B.'s
niedrig rohes Betragen gegen mich auseinander, das der K.,
der M., wie ich sie schone, was ich thue, was sie thun und
sind; sie giebt mir alles zu, und fügt noch zu. Ich sage ihr,
wie schonend, wie nie faits nennend, ich verführe: wie unhei-
lig grob sie mit Vermuthungen umgingen. -- Ich empörte
mich ohne empört zu sein, des Menschenunrechts wegen, wel-
ches man mir unermüdet bis am Rande der Gruft zufügt:
daß Rohheit, Unvernunft, und karge Gaben, von all diesen
das Gegentheil mißhandeln, mit dem Applaus der Menge;
mit der Zulassung meiner Freunde. Denn nun fiel mir ein,
daß auch eben diese W. mich doch zu bitten und bei den eben
für närrisch und unsittlich Erklärten beim Thee durchzuführen
den Muth nicht hätte! Direkt sagt' ich nichts: aber ich be-
hauptete, gegen meinen ersten Freund würd' ich ein Schäuer-
mädchen durchführen, hielt ich sie für edler und sittlicher als
ihn: (und ich habe es gethan; kürzlich). Endlich hörte dies
Gespräch, bis an all seine benachbarten Gränzen geführt, auf:
und wir sprachen von Ihnen; ungefähr wie sonst. Ich mußte
der W. versprechen, Mittwochs und Sonnabends Vormittag
zu kommen: dann wären die Kinder weg: ich versprach zu mor-
gen
mit den Träumen zu kommen. Sie zweifelte noch Ein-
mal, rührender noch, wie so sie mir was sei, ich ihr so etwas
zeigen wollte: dankte mir freudig und überschwänglich! und
nachdem sie mir die Kinder gezeigt hatte, und nach tausend

ich ihr meine Briefe nicht gerne zeigen möchte: ſie ſah es ganz
ein; blieb aber dabei, bei ihr ſchade auch dies nicht, was ich
angeführt hatte. —

Wir ſprachen ſtundenlang weitläufigſt; ich ſetzte ihr B.’s
niedrig rohes Betragen gegen mich auseinander, das der K.,
der M., wie ich ſie ſchone, was ich thue, was ſie thun und
ſind; ſie giebt mir alles zu, und fügt noch zu. Ich ſage ihr,
wie ſchonend, wie nie faits nennend, ich verführe: wie unhei-
lig grob ſie mit Vermuthungen umgingen. — Ich empörte
mich ohne empört zu ſein, des Menſchenunrechts wegen, wel-
ches man mir unermüdet bis am Rande der Gruft zufügt:
daß Rohheit, Unvernunft, und karge Gaben, von all dieſen
das Gegentheil mißhandeln, mit dem Applaus der Menge;
mit der Zulaſſung meiner Freunde. Denn nun fiel mir ein,
daß auch eben dieſe W. mich doch zu bitten und bei den eben
für närriſch und unſittlich Erklärten beim Thee durchzuführen
den Muth nicht hätte! Direkt ſagt’ ich nichts: aber ich be-
hauptete, gegen meinen erſten Freund würd’ ich ein Schäuer-
mädchen durchführen, hielt ich ſie für edler und ſittlicher als
ihn: (und ich habe es gethan; kürzlich). Endlich hörte dies
Geſpräch, bis an all ſeine benachbarten Gränzen geführt, auf:
und wir ſprachen von Ihnen; ungefähr wie ſonſt. Ich mußte
der W. verſprechen, Mittwochs und Sonnabends Vormittag
zu kommen: dann wären die Kinder weg: ich verſprach zu mor-
gen
mit den Träumen zu kommen. Sie zweifelte noch Ein-
mal, rührender noch, wie ſo ſie mir was ſei, ich ihr ſo etwas
zeigen wollte: dankte mir freudig und überſchwänglich! und
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[69/0077] ich ihr meine Briefe nicht gerne zeigen möchte: ſie ſah es ganz ein; blieb aber dabei, bei ihr ſchade auch dies nicht, was ich angeführt hatte. — Wir ſprachen ſtundenlang weitläufigſt; ich ſetzte ihr B.’s niedrig rohes Betragen gegen mich auseinander, das der K., der M., wie ich ſie ſchone, was ich thue, was ſie thun und ſind; ſie giebt mir alles zu, und fügt noch zu. Ich ſage ihr, wie ſchonend, wie nie faits nennend, ich verführe: wie unhei- lig grob ſie mit Vermuthungen umgingen. — Ich empörte mich ohne empört zu ſein, des Menſchenunrechts wegen, wel- ches man mir unermüdet bis am Rande der Gruft zufügt: daß Rohheit, Unvernunft, und karge Gaben, von all dieſen das Gegentheil mißhandeln, mit dem Applaus der Menge; mit der Zulaſſung meiner Freunde. Denn nun fiel mir ein, daß auch eben dieſe W. mich doch zu bitten und bei den eben für närriſch und unſittlich Erklärten beim Thee durchzuführen den Muth nicht hätte! Direkt ſagt’ ich nichts: aber ich be- hauptete, gegen meinen erſten Freund würd’ ich ein Schäuer- mädchen durchführen, hielt ich ſie für edler und ſittlicher als ihn: (und ich habe es gethan; kürzlich). Endlich hörte dies Geſpräch, bis an all ſeine benachbarten Gränzen geführt, auf: und wir ſprachen von Ihnen; ungefähr wie ſonſt. Ich mußte der W. verſprechen, Mittwochs und Sonnabends Vormittag zu kommen: dann wären die Kinder weg: ich verſprach zu mor- gen mit den Träumen zu kommen. Sie zweifelte noch Ein- mal, rührender noch, wie ſo ſie mir was ſei, ich ihr ſo etwas zeigen wollte: dankte mir freudig und überſchwänglich! und nachdem ſie mir die Kinder gezeigt hatte, und nach tauſend

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/77>, abgerufen am 21.11.2024.