Fell, es war also todt!" rufe ich. Der Traum schwindet; und nie hab' ich wieder von dem schwarzen noch dem weißen Thier geträumt. -- --
In meinem dritten Traum befand ich mich auf einem äußersten Bollwerke einer sehr ansehnlichen Festung, welches sich in breiter, flacher, sandiger Ebne weit von dem Orte ab hinausstreckte. Es war heller lichter Mittag; und das Wetter an diesem Tage einer von den zu hellen Sonnenscheinen, die eine Art von Verzweiflen hervorbringen, weil sie nichts Er- quickliches haben, durch keine nahrhafte Luft dringen, oder auf Gegenstände fallen, die auch beruhigenden, ergrünten Schatten werfen könnten. Dieses Wetter wirkte um so mehr, als die ganze Gegend aus dürrer, vegetationsloser, sandsteiniger Erde, die sich in wirklichem Sande verlief, bestand; holperig und uneben; wie Orte aussehen, wo man Sand gräbt. Dieser zu helle und alles zu hell machende Sonnenschein reizte mir Augen und Nerven nur zu sehr auf; und ängstigte mich schon auf eine eigne Weise. Man sah auf der unseligen Fläche nichts; und der Eindruck davon war, als ob die Sonne zor- nig durcheilte, diesen nichtswürdigen Ort nicht gar umgehen zu können! So stand ich dicht mit der Brust am Rande dieser alten Schanze -- denn sie war beschädigt, wie vieles umher -- von einem ganzen Volke hinter mir gedrängt; diese Menschen waren alle wie Athenienser angezogen, F. stand neben mir, mit bloßem Haupte, wie sie gekleidet, aber in rosenfarbenem Taffent; ohne im geringsten lächerlich auszu- sehen. Ich sollte von dieser Schanze, die die letzte der ganzen Festung war, hinunter geworfen werden; tief hinab; unter
Fell, es war alſo todt!“ rufe ich. Der Traum ſchwindet; und nie hab’ ich wieder von dem ſchwarzen noch dem weißen Thier geträumt. — —
In meinem dritten Traum befand ich mich auf einem äußerſten Bollwerke einer ſehr anſehnlichen Feſtung, welches ſich in breiter, flacher, ſandiger Ebne weit von dem Orte ab hinausſtreckte. Es war heller lichter Mittag; und das Wetter an dieſem Tage einer von den zu hellen Sonnenſcheinen, die eine Art von Verzweiflen hervorbringen, weil ſie nichts Er- quickliches haben, durch keine nahrhafte Luft dringen, oder auf Gegenſtände fallen, die auch beruhigenden, ergrünten Schatten werfen könnten. Dieſes Wetter wirkte um ſo mehr, als die ganze Gegend aus dürrer, vegetationsloſer, ſandſteiniger Erde, die ſich in wirklichem Sande verlief, beſtand; holperig und uneben; wie Orte ausſehen, wo man Sand gräbt. Dieſer zu helle und alles zu hell machende Sonnenſchein reizte mir Augen und Nerven nur zu ſehr auf; und ängſtigte mich ſchon auf eine eigne Weiſe. Man ſah auf der unſeligen Fläche nichts; und der Eindruck davon war, als ob die Sonne zor- nig durcheilte, dieſen nichtswürdigen Ort nicht gar umgehen zu können! So ſtand ich dicht mit der Bruſt am Rande dieſer alten Schanze — denn ſie war beſchädigt, wie vieles umher — von einem ganzen Volke hinter mir gedrängt; dieſe Menſchen waren alle wie Athenienſer angezogen, F. ſtand neben mir, mit bloßem Haupte, wie ſie gekleidet, aber in roſenfarbenem Taffent; ohne im geringſten lächerlich auszu- ſehen. Ich ſollte von dieſer Schanze, die die letzte der ganzen Feſtung war, hinunter geworfen werden; tief hinab; unter
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[53/0061]
Fell, es war alſo todt!“ rufe ich. Der Traum ſchwindet;
und nie hab’ ich wieder von dem ſchwarzen noch dem weißen
Thier geträumt. — —
In meinem dritten Traum befand ich mich auf einem
äußerſten Bollwerke einer ſehr anſehnlichen Feſtung, welches
ſich in breiter, flacher, ſandiger Ebne weit von dem Orte ab
hinausſtreckte. Es war heller lichter Mittag; und das Wetter
an dieſem Tage einer von den zu hellen Sonnenſcheinen, die
eine Art von Verzweiflen hervorbringen, weil ſie nichts Er-
quickliches haben, durch keine nahrhafte Luft dringen, oder
auf Gegenſtände fallen, die auch beruhigenden, ergrünten
Schatten werfen könnten. Dieſes Wetter wirkte um ſo mehr,
als die ganze Gegend aus dürrer, vegetationsloſer, ſandſteiniger
Erde, die ſich in wirklichem Sande verlief, beſtand; holperig
und uneben; wie Orte ausſehen, wo man Sand gräbt. Dieſer
zu helle und alles zu hell machende Sonnenſchein reizte mir
Augen und Nerven nur zu ſehr auf; und ängſtigte mich ſchon
auf eine eigne Weiſe. Man ſah auf der unſeligen Fläche
nichts; und der Eindruck davon war, als ob die Sonne zor-
nig durcheilte, dieſen nichtswürdigen Ort nicht gar umgehen
zu können! So ſtand ich dicht mit der Bruſt am Rande
dieſer alten Schanze — denn ſie war beſchädigt, wie vieles
umher — von einem ganzen Volke hinter mir gedrängt; dieſe
Menſchen waren alle wie Athenienſer angezogen, F. ſtand
neben mir, mit bloßem Haupte, wie ſie gekleidet, aber in
roſenfarbenem Taffent; ohne im geringſten lächerlich auszu-
ſehen. Ich ſollte von dieſer Schanze, die die letzte der ganzen
Feſtung war, hinunter geworfen werden; tief hinab; unter
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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