schimpft nicht: er verstummt. Sonst ist alles hier und in Karlsruhe nach jedes Aussage sehr todt. Gestern heißes ste- chendes Sonnenwetter: heute, trübes drückendes kühleres. Kurz, Karlsruhe's Gesellschaft sinkt ein! Und -- Hamlet sagt: "Nichts mehr von dieser Materie!" Wenn Sie nur erst aus dem Wirthshaus wären! Wenn Sie nur der Frau von S. recht nah wohnten; und mir! Ich hab's geschätzt und ein- gesehen in Karlsruhe: das kann ich mir nachsagen. Wenn mir künftig Einer von Ihnen schreibt: so bitte ich um Leben- details. Wie der Tag übereinander geht? Wie das Italiä- nische geht? u. s. w. -- dergleichen Dinge möchte ich wissen: wenn auch der Brief sonst nichts enthält. Wie klar wird ein großer Theil der R's alles von Italien wissen! jede Tochter anderes; der Vater alles: und noch mehr. Das heißt, wie es auch sonst war, und wieso es jetzt so ist! Freilich! theure Frau von R., "können Sie auf mich rechnen." Frau von Schlegel hat Recht. -- Ich kann mich gar nicht ändern: und ich muß aber dagegen zu meiner Ehre sagen: daß ich mich immer in so gute Eigenschaften verliebe, daß ich ewig treu bleiben muß. "Rechnen" Sie also Alle, so lange Sie nur meine Liebe, meine Anhänglichkeit, gebrauchen, genießen wollen, und alles was die leisten können, das ganze Leben darauf. Handschlag! Ich bin ganz vergnügt und perplex, daß Sie das so hoch aufnehmen wollen! Nicht weil es in diesem Erdenthal wenig wäre, aber weil dies grade so gewiß von meiner Seite war, und mir so natürlich ist: und Ihnen grade Allen, große Anerkennung gespendet wird! Aber auf's
ſchimpft nicht: er verſtummt. Sonſt iſt alles hier und in Karlsruhe nach jedes Ausſage ſehr todt. Geſtern heißes ſte- chendes Sonnenwetter: heute, trübes drückendes kühleres. Kurz, Karlsruhe’s Geſellſchaft ſinkt ein! Und — Hamlet ſagt: „Nichts mehr von dieſer Materie!“ Wenn Sie nur erſt aus dem Wirthshaus wären! Wenn Sie nur der Frau von S. recht nah wohnten; und mir! Ich hab’s geſchätzt und ein- geſehen in Karlsruhe: das kann ich mir nachſagen. Wenn mir künftig Einer von Ihnen ſchreibt: ſo bitte ich um Leben- details. Wie der Tag übereinander geht? Wie das Italiä- niſche geht? u. ſ. w. — dergleichen Dinge möchte ich wiſſen: wenn auch der Brief ſonſt nichts enthält. Wie klar wird ein großer Theil der R’s alles von Italien wiſſen! jede Tochter anderes; der Vater alles: und noch mehr. Das heißt, wie es auch ſonſt war, und wieſo es jetzt ſo iſt! Freilich! theure Frau von R., „können Sie auf mich rechnen.“ Frau von Schlegel hat Recht. — Ich kann mich gar nicht ändern: und ich muß aber dagegen zu meiner Ehre ſagen: daß ich mich immer in ſo gute Eigenſchaften verliebe, daß ich ewig treu bleiben muß. „Rechnen“ Sie alſo Alle, ſo lange Sie nur meine Liebe, meine Anhänglichkeit, gebrauchen, genießen wollen, und alles was die leiſten können, das ganze Leben darauf. Handſchlag! Ich bin ganz vergnügt und perplex, daß Sie das ſo hoch aufnehmen wollen! Nicht weil es in dieſem Erdenthal wenig wäre, aber weil dies grade ſo gewiß von meiner Seite war, und mir ſo natürlich iſt: und Ihnen grade Allen, große Anerkennung geſpendet wird! Aber auf’s
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ſchimpft nicht: er verſtummt. Sonſt iſt alles hier und in
Karlsruhe nach jedes Ausſage ſehr todt. Geſtern heißes ſte-
chendes Sonnenwetter: heute, trübes drückendes kühleres. Kurz,
Karlsruhe’s Geſellſchaft ſinkt ein! Und — Hamlet ſagt:
„Nichts mehr von dieſer Materie!“ Wenn Sie nur erſt aus
dem Wirthshaus wären! Wenn Sie nur der Frau von S.
recht nah wohnten; und mir! Ich hab’s geſchätzt und ein-
geſehen in Karlsruhe: das kann ich mir nachſagen. Wenn
mir künftig Einer von Ihnen ſchreibt: ſo bitte ich um Leben-
details. Wie der Tag übereinander geht? Wie das Italiä-
niſche geht? u. ſ. w. — dergleichen Dinge möchte ich wiſſen:
wenn auch der Brief ſonſt nichts enthält. Wie klar wird ein
großer Theil der R’s alles von Italien wiſſen! jede Tochter
anderes; der Vater alles: und noch mehr. Das heißt, wie es
auch ſonſt war, und wieſo es jetzt ſo iſt! Freilich! theure
Frau von R., „können Sie auf mich rechnen.“ Frau von
Schlegel hat Recht. — Ich kann mich gar nicht ändern:
und ich muß aber dagegen zu meiner Ehre ſagen: daß ich
mich immer in ſo gute Eigenſchaften verliebe, daß ich ewig
treu bleiben muß. „Rechnen“ Sie alſo Alle, ſo lange Sie
nur meine Liebe, meine Anhänglichkeit, gebrauchen, genießen
wollen, und alles was die leiſten können, das ganze Leben
darauf. Handſchlag! Ich bin ganz vergnügt und perplex,
daß Sie das ſo hoch aufnehmen wollen! Nicht weil es in
dieſem Erdenthal wenig wäre, aber weil dies grade ſo gewiß
von meiner Seite war, und mir ſo natürlich iſt: und Ihnen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/605>, abgerufen am 23.11.2024.
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