mich sehr unterhielt: Sie, sehr gut; die Mutter Engländerin mit den beiden Töchterlein Fanny und Harriet, wie die Vö- gelchen; der Gesandte Lagarde; ein interessanter Norwege Knudzon, der allenthalben war, alle Sprachen spricht; Löwen- steins, noch ein Engländer Baillie, noch ein paar Herren. Wir Frauen, Lagarde und der Norweger, saßen am häuslichen Win- tertisch, besahen Albrecht Dürer'sche Kupfer und dergleichen aus Italien: die Leute haben alles, haben alles gesehen; man kann also schön mit ihnen sprechen: sind komplet ohne Prätension, weil sie ihnen alle als Engländern, und Vor- nehmen, Reichen ihres Landes, erfüllt sind. Mündlich No- tizen! und auch welche über Lagarde's Gespräche mit mir. Einen Domestiken möchte er nur: keinen Sekretair u. s. w. Auch lachte man über mich, und ich amüsirte mich in dem so- liden, fröhlichen, wohlhabenden Hause bis nach 10 sehr gut. Dann zu Hause eine Tasse Thee mit Robert. Gut geschlafen. Die ganze Nacht Platzregens! bis 6 noch; dann trübe, dun- stig, dunkel, warm, stickend: alle Menschen klagen über Mat- tigkeit und Hinfälligkeit. Jetzt Sonne; noch in manchmali- gem Kampf mit Dünsten und Wolken. Ich freue mich, mein theurer Freund, daß dir die Sonnenlosigkeit wohlthat. Hier sollst du's noch besser haben! Der Aufsatz gefiel mir sehr. Streng, derb, unpersönlich, hübsch auf die dummen Finger. Der Großherzog von Weimar war mit dem König und der Königin in der Allee; ich sah sie nicht, weil ich nicht dort war: Mad. Bourbon erzählte es mir; und in wirklichem und angestelltem Schreck, daß der König, in all der Herrschaften und Kinder Gegenwart, auf ihre Bodenkammer gestiegen sei.
mich ſehr unterhielt: Sie, ſehr gut; die Mutter Engländerin mit den beiden Töchterlein Fanny und Harriet, wie die Vö- gelchen; der Geſandte Lagarde; ein intereſſanter Norwege Knudzon, der allenthalben war, alle Sprachen ſpricht; Löwen- ſteins, noch ein Engländer Baillie, noch ein paar Herren. Wir Frauen, Lagarde und der Norweger, ſaßen am häuslichen Win- tertiſch, beſahen Albrecht Dürer’ſche Kupfer und dergleichen aus Italien: die Leute haben alles, haben alles geſehen; man kann alſo ſchön mit ihnen ſprechen: ſind komplet ohne Prätenſion, weil ſie ihnen alle als Engländern, und Vor- nehmen, Reichen ihres Landes, erfüllt ſind. Mündlich No- tizen! und auch welche über Lagarde’s Geſpräche mit mir. Einen Domeſtiken möchte er nur: keinen Sekretair u. ſ. w. Auch lachte man über mich, und ich amüſirte mich in dem ſo- liden, fröhlichen, wohlhabenden Hauſe bis nach 10 ſehr gut. Dann zu Hauſe eine Taſſe Thee mit Robert. Gut geſchlafen. Die ganze Nacht Platzregens! bis 6 noch; dann trübe, dun- ſtig, dunkel, warm, ſtickend: alle Menſchen klagen über Mat- tigkeit und Hinfälligkeit. Jetzt Sonne; noch in manchmali- gem Kampf mit Dünſten und Wolken. Ich freue mich, mein theurer Freund, daß dir die Sonnenloſigkeit wohlthat. Hier ſollſt du’s noch beſſer haben! Der Aufſatz gefiel mir ſehr. Streng, derb, unperſönlich, hübſch auf die dummen Finger. Der Großherzog von Weimar war mit dem König und der Königin in der Allee; ich ſah ſie nicht, weil ich nicht dort war: Mad. Bourbon erzählte es mir; und in wirklichem und angeſtelltem Schreck, daß der König, in all der Herrſchaften und Kinder Gegenwart, auf ihre Bodenkammer geſtiegen ſei.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0595"n="587"/>
mich ſehr unterhielt: <hirendition="#g">Sie</hi>, ſehr gut; die Mutter Engländerin<lb/>
mit den beiden Töchterlein Fanny und Harriet, wie die Vö-<lb/>
gelchen; der Geſandte Lagarde; ein intereſſanter Norwege<lb/>
Knudzon, der allenthalben war, alle Sprachen ſpricht; Löwen-<lb/>ſteins, noch ein Engländer Baillie, noch ein paar Herren. Wir<lb/>
Frauen, Lagarde und der Norweger, ſaßen am häuslichen Win-<lb/>
tertiſch, beſahen Albrecht Dürer’ſche Kupfer und dergleichen<lb/>
aus Italien: die Leute <hirendition="#g">haben</hi> alles, haben alles <hirendition="#g">geſehen</hi>;<lb/>
man kann alſo ſchön mit ihnen <hirendition="#g">ſprechen</hi>: ſind komplet ohne<lb/>
Prätenſion, weil ſie ihnen <hirendition="#g">alle</hi> als Engländern, und Vor-<lb/>
nehmen, <hirendition="#g">Reichen</hi> ihres Landes, erfüllt ſind. Mündlich No-<lb/>
tizen! und auch welche über Lagarde’s Geſpräche mit mir.<lb/><hirendition="#g">Einen</hi> Domeſtiken möchte er nur: <hirendition="#g">keinen</hi> Sekretair u. ſ. w.<lb/>
Auch lachte man über mich, und ich amüſirte mich in dem ſo-<lb/>
liden, fröhlichen, wohlhabenden Hauſe bis nach 10 ſehr gut.<lb/>
Dann zu Hauſe eine Taſſe Thee mit Robert. Gut geſchlafen.<lb/>
Die <hirendition="#g">ganze</hi> Nacht Platzregens! bis 6 noch; dann trübe, dun-<lb/>ſtig, dunkel, warm, ſtickend: alle Menſchen klagen über Mat-<lb/>
tigkeit und Hinfälligkeit. Jetzt Sonne; noch in manchmali-<lb/>
gem Kampf mit Dünſten und Wolken. Ich freue mich, mein<lb/>
theurer Freund, daß dir die Sonnenloſigkeit wohlthat. Hier<lb/>ſollſt du’s noch beſſer haben! Der Aufſatz gefiel mir <hirendition="#g">ſehr</hi>.<lb/>
Streng, derb, unperſönlich, hübſch auf die dummen Finger.<lb/>
Der Großherzog von Weimar war mit dem König und der<lb/>
Königin in der Allee; ich ſah ſie nicht, weil ich nicht dort<lb/>
war: Mad. Bourbon erzählte es mir; und in wirklichem und<lb/>
angeſtelltem Schreck, daß der König, in all der Herrſchaften<lb/>
und Kinder Gegenwart, auf ihre Bodenkammer geſtiegen ſei.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[587/0595]
mich ſehr unterhielt: Sie, ſehr gut; die Mutter Engländerin
mit den beiden Töchterlein Fanny und Harriet, wie die Vö-
gelchen; der Geſandte Lagarde; ein intereſſanter Norwege
Knudzon, der allenthalben war, alle Sprachen ſpricht; Löwen-
ſteins, noch ein Engländer Baillie, noch ein paar Herren. Wir
Frauen, Lagarde und der Norweger, ſaßen am häuslichen Win-
tertiſch, beſahen Albrecht Dürer’ſche Kupfer und dergleichen
aus Italien: die Leute haben alles, haben alles geſehen;
man kann alſo ſchön mit ihnen ſprechen: ſind komplet ohne
Prätenſion, weil ſie ihnen alle als Engländern, und Vor-
nehmen, Reichen ihres Landes, erfüllt ſind. Mündlich No-
tizen! und auch welche über Lagarde’s Geſpräche mit mir.
Einen Domeſtiken möchte er nur: keinen Sekretair u. ſ. w.
Auch lachte man über mich, und ich amüſirte mich in dem ſo-
liden, fröhlichen, wohlhabenden Hauſe bis nach 10 ſehr gut.
Dann zu Hauſe eine Taſſe Thee mit Robert. Gut geſchlafen.
Die ganze Nacht Platzregens! bis 6 noch; dann trübe, dun-
ſtig, dunkel, warm, ſtickend: alle Menſchen klagen über Mat-
tigkeit und Hinfälligkeit. Jetzt Sonne; noch in manchmali-
gem Kampf mit Dünſten und Wolken. Ich freue mich, mein
theurer Freund, daß dir die Sonnenloſigkeit wohlthat. Hier
ſollſt du’s noch beſſer haben! Der Aufſatz gefiel mir ſehr.
Streng, derb, unperſönlich, hübſch auf die dummen Finger.
Der Großherzog von Weimar war mit dem König und der
Königin in der Allee; ich ſah ſie nicht, weil ich nicht dort
war: Mad. Bourbon erzählte es mir; und in wirklichem und
angeſtelltem Schreck, daß der König, in all der Herrſchaften
und Kinder Gegenwart, auf ihre Bodenkammer geſtiegen ſei.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/595>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.