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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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und wenn ich eher da war, so fragte ich nach ihm: denn es
übte auch auf mich eine große Gewalt aus, und ich erinnere
mich nicht in meinem ganzen Leben wachend eine so den
Sinnen nach starke Empfindung gefühlt zu haben, als mir
der bloße Händedruck dieses Thieres machte. Dies aber war
es nicht allein, was meine Anhänglichkeit ausmachte; sondern
ein herzüberströmendes Mitleid; und daß ich ganz allein
wußte, daß das Thier leiben, sprechen konnte, und eine mensch-
liche Seele hatte. Besonders aber hielt mich noch etwas Ge-
heimes: welches zum Theil auch darin bestand, daß keiner
mein Thier sah oder beachtete, als ich; daß es sich an keinen
wandte; daß es ein tiefes vielbedeutendes Geheimniß zu ver-
schweigen schien, und daß ich nicht ungefähr wußte, wo es
war und hinging, wenn ich es nicht sah. Doch befremdeten
und beunruhigten mich diese Dinge alle nicht Einmal bis zur
Frage an mich selbst; und im Ganzen fesselte mich des Thie-
res Liebe, und sein anscheinendes Leiden davon, und daß ich es
durch meine bloße Gegenwart so überirdisch glücklich machte,
welches es mir immer zu zeigen wußte. Manchmal nur,
wenn es mich so bei der Hand führte, und ich sie ihm innig
zärtlich wiederdrückte und wir uns in die Augen sahen, so
erschreckte mich der Gedanke plötzlich: Wie kannst du einem
Thiere solche Liebkosungen erzeigen: es ist ja ein Thier! Es
blieb aber beim Alten; diese Auftritte wiederholten sich mit
kleinen Abwechselungen immer wieder: nämlich immer in
neuen Träumen: in demselben Lokal. Es kam aber, daß ich
lange diesen Traum nicht gehabt hatte; und als er mir das
erstemal wieder träumte, so war alles da, das Schloß, die

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und wenn ich eher da war, ſo fragte ich nach ihm: denn es
übte auch auf mich eine große Gewalt aus, und ich erinnere
mich nicht in meinem ganzen Leben wachend eine ſo den
Sinnen nach ſtarke Empfindung gefühlt zu haben, als mir
der bloße Händedruck dieſes Thieres machte. Dies aber war
es nicht allein, was meine Anhänglichkeit ausmachte; ſondern
ein herzüberſtrömendes Mitleid; und daß ich ganz allein
wußte, daß das Thier leiben, ſprechen konnte, und eine menſch-
liche Seele hatte. Beſonders aber hielt mich noch etwas Ge-
heimes: welches zum Theil auch darin beſtand, daß keiner
mein Thier ſah oder beachtete, als ich; daß es ſich an keinen
wandte; daß es ein tiefes vielbedeutendes Geheimniß zu ver-
ſchweigen ſchien, und daß ich nicht ungefähr wußte, wo es
war und hinging, wenn ich es nicht ſah. Doch befremdeten
und beunruhigten mich dieſe Dinge alle nicht Einmal bis zur
Frage an mich ſelbſt; und im Ganzen feſſelte mich des Thie-
res Liebe, und ſein anſcheinendes Leiden davon, und daß ich es
durch meine bloße Gegenwart ſo überirdiſch glücklich machte,
welches es mir immer zu zeigen wußte. Manchmal nur,
wenn es mich ſo bei der Hand führte, und ich ſie ihm innig
zärtlich wiederdrückte und wir uns in die Augen ſahen, ſo
erſchreckte mich der Gedanke plötzlich: Wie kannſt du einem
Thiere ſolche Liebkoſungen erzeigen: es iſt ja ein Thier! Es
blieb aber beim Alten; dieſe Auftritte wiederholten ſich mit
kleinen Abwechſelungen immer wieder: nämlich immer in
neuen Träumen: in demſelben Lokal. Es kam aber, daß ich
lange dieſen Traum nicht gehabt hatte; und als er mir das
erſtemal wieder träumte, ſo war alles da, das Schloß, die

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[51/0059] und wenn ich eher da war, ſo fragte ich nach ihm: denn es übte auch auf mich eine große Gewalt aus, und ich erinnere mich nicht in meinem ganzen Leben wachend eine ſo den Sinnen nach ſtarke Empfindung gefühlt zu haben, als mir der bloße Händedruck dieſes Thieres machte. Dies aber war es nicht allein, was meine Anhänglichkeit ausmachte; ſondern ein herzüberſtrömendes Mitleid; und daß ich ganz allein wußte, daß das Thier leiben, ſprechen konnte, und eine menſch- liche Seele hatte. Beſonders aber hielt mich noch etwas Ge- heimes: welches zum Theil auch darin beſtand, daß keiner mein Thier ſah oder beachtete, als ich; daß es ſich an keinen wandte; daß es ein tiefes vielbedeutendes Geheimniß zu ver- ſchweigen ſchien, und daß ich nicht ungefähr wußte, wo es war und hinging, wenn ich es nicht ſah. Doch befremdeten und beunruhigten mich dieſe Dinge alle nicht Einmal bis zur Frage an mich ſelbſt; und im Ganzen feſſelte mich des Thie- res Liebe, und ſein anſcheinendes Leiden davon, und daß ich es durch meine bloße Gegenwart ſo überirdiſch glücklich machte, welches es mir immer zu zeigen wußte. Manchmal nur, wenn es mich ſo bei der Hand führte, und ich ſie ihm innig zärtlich wiederdrückte und wir uns in die Augen ſahen, ſo erſchreckte mich der Gedanke plötzlich: Wie kannſt du einem Thiere ſolche Liebkoſungen erzeigen: es iſt ja ein Thier! Es blieb aber beim Alten; dieſe Auftritte wiederholten ſich mit kleinen Abwechſelungen immer wieder: nämlich immer in neuen Träumen: in demſelben Lokal. Es kam aber, daß ich lange dieſen Traum nicht gehabt hatte; und als er mir das erſtemal wieder träumte, ſo war alles da, das Schloß, die 4 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/59>, abgerufen am 22.11.2024.