Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

kam ein Herr aus Stuttgart, ein Freund Uhlands, und er-
zählte von Ihrem letzten Ruhm. Ernst von Schwaben, so
glaub' ich heißt das Stück, sollen Sie vortrefflich gegeben
haben: und auch Eßlair. Uhland erkennt es ganz an; und
hat Ihnen einen schönen Brief geschrieben! und einen an Varn-
hagen, wo er Sie über alles lobt! Und ich mache, als
wenn ich's so gut gespielt hätte; und ich ihm sein Stück
durchgebracht hätte! Besonders krepirt's mich, daß Ihre
Stimme sich so gebessert hat! -- warum sollen wir ollen
Berliner das expressive Wort krepiren nicht auch im guten
Sinn, der Verständlichkeit wegen, gebrauchen? -- Aber nun,
theure Auguste! strengen Sie sie nicht etwa zu Ihrer eigenen
Satisfaktion doppelt an! sondern sein Sie dankbar gegen
diese Gute, und lassen Sie sie gewähren! Gehen Sie ja wie-
der nach Karlsbad! und thun Sie Ihrer Gesundheit alles
Gute an: und geben Sie auch der recht nach! Das einzige
Heilmittel für kronische Übel, Anlage-Krankheiten: ich weiß
dies durch's Gegentheil. Es muß Ihnen doch rechte Freude
verschaffen, daß Sie in Stuttgart nun so Fuß gefaßt haben,
und so gut wirken können; es ist schwer am deutschen Wagen
ziehen; seine Räder stehen noch nicht symmetrisch zu beiden
Seiten; und Viele nehmen dies sogar zur Ausrede, wenn sie
helfen sollen: die, von denen zur Zeit noch Hülfe kommen
kann, müssen noch ein wenig, wie die wildern Abkömmlinge,
sich behelfen; selbst Radmacher, Schmidt, Lenker, oder Vor-
spann abwechslend sein können. -- Aus Ehrfurcht nenn' ich
keine Nation, bei der das noch der Fall ist: bei großer Bil-
dung müßt' er wieder kommen, dieser Fall, dünkt mich --.

kam ein Herr aus Stuttgart, ein Freund Uhlands, und er-
zählte von Ihrem letzten Ruhm. Ernſt von Schwaben, ſo
glaub’ ich heißt das Stück, ſollen Sie vortrefflich gegeben
haben: und auch Eßlair. Uhland erkennt es ganz an; und
hat Ihnen einen ſchönen Brief geſchrieben! und einen an Varn-
hagen, wo er Sie über alles lobt! Und ich mache, als
wenn ich’s ſo gut geſpielt hätte; und ich ihm ſein Stück
durchgebracht hätte! Beſonders krepirt’s mich, daß Ihre
Stimme ſich ſo gebeſſert hat! — warum ſollen wir ollen
Berliner das expreſſive Wort krepiren nicht auch im guten
Sinn, der Verſtändlichkeit wegen, gebrauchen? — Aber nun,
theure Auguſte! ſtrengen Sie ſie nicht etwa zu Ihrer eigenen
Satisfaktion doppelt an! ſondern ſein Sie dankbar gegen
dieſe Gute, und laſſen Sie ſie gewähren! Gehen Sie ja wie-
der nach Karlsbad! und thun Sie Ihrer Geſundheit alles
Gute an: und geben Sie auch der recht nach! Das einzige
Heilmittel für kroniſche Übel, Anlage-Krankheiten: ich weiß
dies durch’s Gegentheil. Es muß Ihnen doch rechte Freude
verſchaffen, daß Sie in Stuttgart nun ſo Fuß gefaßt haben,
und ſo gut wirken können; es iſt ſchwer am deutſchen Wagen
ziehen; ſeine Räder ſtehen noch nicht ſymmetriſch zu beiden
Seiten; und Viele nehmen dies ſogar zur Ausrede, wenn ſie
helfen ſollen: die, von denen zur Zeit noch Hülfe kommen
kann, müſſen noch ein wenig, wie die wildern Abkömmlinge,
ſich behelfen; ſelbſt Radmacher, Schmidt, Lenker, oder Vor-
ſpann abwechslend ſein können. — Aus Ehrfurcht nenn’ ich
keine Nation, bei der das noch der Fall iſt: bei großer Bil-
dung müßt’ er wieder kommen, dieſer Fall, dünkt mich —.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0583" n="575"/>
kam ein Herr aus Stuttgart, ein Freund Uhlands, und er-<lb/>
zählte von Ihrem letzten Ruhm. Ern&#x017F;t von Schwaben, &#x017F;o<lb/>
glaub&#x2019; ich heißt das Stück, &#x017F;ollen Sie vortrefflich gegeben<lb/>
haben: und auch Eßlair. Uhland erkennt es ganz an; und<lb/>
hat Ihnen einen &#x017F;chönen Brief ge&#x017F;chrieben! und einen an Varn-<lb/>
hagen, wo <hi rendition="#g">er Sie über alles</hi> lobt! Und <hi rendition="#g">ich</hi> mache, als<lb/>
wenn <hi rendition="#g">ich&#x2019;s</hi> &#x017F;o gut ge&#x017F;pielt hätte; und <hi rendition="#g">ich</hi> ihm &#x017F;ein Stück<lb/>
durchgebracht hätte! Be&#x017F;onders krepirt&#x2019;s mich, daß Ihre<lb/><hi rendition="#g">Stimme</hi> &#x017F;ich &#x017F;o gebe&#x017F;&#x017F;ert hat! &#x2014; warum &#x017F;ollen wir ollen<lb/>
Berliner das <hi rendition="#g">expre&#x017F;&#x017F;ive</hi> Wort krepiren nicht auch im <hi rendition="#g">guten</hi><lb/>
Sinn, der Ver&#x017F;tändlichkeit wegen, gebrauchen? &#x2014; Aber nun,<lb/>
theure Augu&#x017F;te! &#x017F;trengen Sie &#x017F;ie nicht etwa zu Ihrer eigenen<lb/>
Satisfaktion doppelt an! &#x017F;ondern &#x017F;ein Sie dankbar gegen<lb/>
die&#x017F;e Gute, und la&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ie gewähren! Gehen Sie ja wie-<lb/>
der nach Karlsbad! und thun Sie Ihrer Ge&#x017F;undheit alles<lb/>
Gute an: und geben Sie auch der <hi rendition="#g">recht</hi> nach! Das einzige<lb/>
Heilmittel für kroni&#x017F;che Übel, Anlage-Krankheiten: ich weiß<lb/>
dies durch&#x2019;s Gegentheil. Es muß Ihnen doch rechte Freude<lb/>
ver&#x017F;chaffen, daß Sie in Stuttgart nun &#x017F;o Fuß gefaßt haben,<lb/>
und &#x017F;o gut wirken können; es i&#x017F;t &#x017F;chwer am deut&#x017F;chen Wagen<lb/>
ziehen; &#x017F;eine Räder &#x017F;tehen noch nicht &#x017F;ymmetri&#x017F;ch zu beiden<lb/>
Seiten; und Viele nehmen dies &#x017F;ogar zur Ausrede, wenn &#x017F;ie<lb/>
helfen &#x017F;ollen: die, von denen zur Zeit noch Hülfe kommen<lb/>
kann, mü&#x017F;&#x017F;en noch ein wenig, wie die wildern Abkömmlinge,<lb/>
&#x017F;ich behelfen; &#x017F;elb&#x017F;t Radmacher, Schmidt, Lenker, oder Vor-<lb/>
&#x017F;pann abwechslend &#x017F;ein können. &#x2014; Aus Ehrfurcht nenn&#x2019; ich<lb/>
keine Nation, bei der das <hi rendition="#g">noch</hi> der Fall i&#x017F;t: bei großer Bil-<lb/>
dung müßt&#x2019; er <hi rendition="#g">wieder</hi> kommen, die&#x017F;er Fall, dünkt mich &#x2014;.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[575/0583] kam ein Herr aus Stuttgart, ein Freund Uhlands, und er- zählte von Ihrem letzten Ruhm. Ernſt von Schwaben, ſo glaub’ ich heißt das Stück, ſollen Sie vortrefflich gegeben haben: und auch Eßlair. Uhland erkennt es ganz an; und hat Ihnen einen ſchönen Brief geſchrieben! und einen an Varn- hagen, wo er Sie über alles lobt! Und ich mache, als wenn ich’s ſo gut geſpielt hätte; und ich ihm ſein Stück durchgebracht hätte! Beſonders krepirt’s mich, daß Ihre Stimme ſich ſo gebeſſert hat! — warum ſollen wir ollen Berliner das expreſſive Wort krepiren nicht auch im guten Sinn, der Verſtändlichkeit wegen, gebrauchen? — Aber nun, theure Auguſte! ſtrengen Sie ſie nicht etwa zu Ihrer eigenen Satisfaktion doppelt an! ſondern ſein Sie dankbar gegen dieſe Gute, und laſſen Sie ſie gewähren! Gehen Sie ja wie- der nach Karlsbad! und thun Sie Ihrer Geſundheit alles Gute an: und geben Sie auch der recht nach! Das einzige Heilmittel für kroniſche Übel, Anlage-Krankheiten: ich weiß dies durch’s Gegentheil. Es muß Ihnen doch rechte Freude verſchaffen, daß Sie in Stuttgart nun ſo Fuß gefaßt haben, und ſo gut wirken können; es iſt ſchwer am deutſchen Wagen ziehen; ſeine Räder ſtehen noch nicht ſymmetriſch zu beiden Seiten; und Viele nehmen dies ſogar zur Ausrede, wenn ſie helfen ſollen: die, von denen zur Zeit noch Hülfe kommen kann, müſſen noch ein wenig, wie die wildern Abkömmlinge, ſich behelfen; ſelbſt Radmacher, Schmidt, Lenker, oder Vor- ſpann abwechslend ſein können. — Aus Ehrfurcht nenn’ ich keine Nation, bei der das noch der Fall iſt: bei großer Bil- dung müßt’ er wieder kommen, dieſer Fall, dünkt mich —.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/583
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/583>, abgerufen am 05.05.2024.