Gegenwart ohne Schaden zu deinem Salze wirfst. Wenn dieser Brief kommt, hat die Sache schon ganz deine Wendung, und ich brauche mir keine Vorwürfe zu machen. -- Gestern im Nachmittag früh, geliebter Freund, bekam ich deinen Brief! Was er auch sonst enthält, wenn ich sehe, daß ich dir liebens- würdig bin, daß du mich so nöthig hast, so fühl' ich mich glücklich, und bestärke mich in dem Bestreben, immer und bes- ser den Fund, einen solchen Freund zu besitzen, recht zu ver- dienen; -- kurz, ich erwäge dann mein Schicksal, und mustre an mir selbst. -- Über Koreff schrieb ich dir neulich in der Eil und in den erhitzten Nerven nicht; du glaubst nicht, wie mich das freut. Unendlich die Sache selbst. -- Wunde Ver- hältnisse schmerzen mich immerweg bis sie heil sind; und er soll nicht denken, wir könnten reell ihm weh thun, schaden wollen, oder dem Besten in uns, bei ihm abtrünnig werden wollen. Alles dies ist es aber noch gar nicht allein, was mir dabei so lieb ist; sondern es freut mich ganz überaus, daß in seiner Seele so schönes, sanftes, gereinigtes Gemüthswetter ist, wo schlechte Dunstwolken weichen, gar keinen Stand fin- den, weit abziehen müssen, und dort eine reine leichte Sphäre, für älles bessere Gedeihen ist. Dies ist wahrhaft weiter ge- kommen sein; wenn unter gewissen Menschen gar kein Ent- zweien haften kann, und sie nur immer bei den höchsten und geistigsten Punkten sich gewiß wiederfinden, wo alles Zufällige und Geschehene, was geschehen kann, zurückbleibt. -- Die Stägemann'schen Gedichte haben mich unendlich ergötzt: nämlich ich habe salzige häufige Thränen geweint. Göttliche Stellen, und Bilder! Aber meine Lieblingsstelle ist: Messieurs les ma-
Gegenwart ohne Schaden zu deinem Salze wirfſt. Wenn dieſer Brief kommt, hat die Sache ſchon ganz deine Wendung, und ich brauche mir keine Vorwürfe zu machen. — Geſtern im Nachmittag früh, geliebter Freund, bekam ich deinen Brief! Was er auch ſonſt enthält, wenn ich ſehe, daß ich dir liebens- würdig bin, daß du mich ſo nöthig haſt, ſo fühl’ ich mich glücklich, und beſtärke mich in dem Beſtreben, immer und beſ- ſer den Fund, einen ſolchen Freund zu beſitzen, recht zu ver- dienen; — kurz, ich erwäge dann mein Schickſal, und muſtre an mir ſelbſt. — Über Koreff ſchrieb ich dir neulich in der Eil und in den erhitzten Nerven nicht; du glaubſt nicht, wie mich das freut. Unendlich die Sache ſelbſt. — Wunde Ver- hältniſſe ſchmerzen mich immerweg bis ſie heil ſind; und er ſoll nicht denken, wir könnten reell ihm weh thun, ſchaden wollen, oder dem Beſten in uns, bei ihm abtrünnig werden wollen. Alles dies iſt es aber noch gar nicht allein, was mir dabei ſo lieb iſt; ſondern es freut mich ganz überaus, daß in ſeiner Seele ſo ſchönes, ſanftes, gereinigtes Gemüthswetter iſt, wo ſchlechte Dunſtwolken weichen, gar keinen Stand fin- den, weit abziehen müſſen, und dort eine reine leichte Sphäre, für älles beſſere Gedeihen iſt. Dies iſt wahrhaft weiter ge- kommen ſein; wenn unter gewiſſen Menſchen gar kein Ent- zweien haften kann, und ſie nur immer bei den höchſten und geiſtigſten Punkten ſich gewiß wiederfinden, wo alles Zufällige und Geſchehene, was geſchehen kann, zurückbleibt. — Die Stägemann’ſchen Gedichte haben mich unendlich ergötzt: nämlich ich habe ſalzige häufige Thränen geweint. Göttliche Stellen, und Bilder! Aber meine Lieblingsſtelle iſt: Messieurs les ma-
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Gegenwart ohne Schaden zu deinem Salze wirfſt. Wenn
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im Nachmittag früh, geliebter Freund, bekam ich deinen Brief!
Was er auch ſonſt enthält, wenn ich ſehe, daß ich dir liebens-
würdig bin, daß du mich ſo nöthig haſt, ſo fühl’ ich mich
glücklich, und beſtärke mich in dem Beſtreben, immer und beſ-
ſer den Fund, einen ſolchen Freund zu beſitzen, recht zu ver-
dienen; — kurz, ich erwäge dann mein Schickſal, und muſtre
an mir ſelbſt. — Über Koreff ſchrieb ich dir neulich in der
Eil und in den erhitzten Nerven nicht; du glaubſt nicht, wie
mich das freut. Unendlich die Sache ſelbſt. — Wunde Ver-
hältniſſe ſchmerzen mich immerweg bis ſie heil ſind; und er
ſoll nicht denken, wir könnten reell ihm weh thun, ſchaden
wollen, oder dem Beſten in uns, bei ihm abtrünnig werden
wollen. Alles dies iſt es aber noch gar nicht allein, was mir
dabei ſo lieb iſt; ſondern es freut mich ganz überaus, daß
in ſeiner Seele ſo ſchönes, ſanftes, gereinigtes Gemüthswetter
iſt, wo ſchlechte Dunſtwolken weichen, gar keinen Stand fin-
den, weit abziehen müſſen, und dort eine reine leichte Sphäre,
für älles beſſere Gedeihen iſt. Dies iſt wahrhaft weiter ge-
kommen ſein; wenn unter gewiſſen Menſchen gar kein Ent-
zweien haften kann, und ſie nur immer bei den höchſten und
geiſtigſten Punkten ſich gewiß wiederfinden, wo alles Zufällige
und Geſchehene, was geſchehen kann, zurückbleibt. — Die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/508>, abgerufen am 23.11.2024.
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