Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Stil im Schreiben. Über seinen, August Wilhelms, Schil-
lers etc. und über Stil überhaupt. Auch über Religion in
Rücksicht der Staatsverfassungen. Das Ganze war ein wirk-
liches Gespräch, eine wahrhafte Erörterung; z. B. eine ordent-
liche Definition von Stil: alles gesprächsweise. Mir entgeht
keiner der alten Freunde! Wenn sie nicht toll werden, und
vorgeben, Offenbarungen zu haben, die sich ihnen in Bildern,
und nicht in Vernunftgründen, in mitzutheilenden, darthun.
Dies schreib' ich dir aus Stolz, was du für ein Kabinetsstück
von Frau hast! Auch Scholz gesellt sich zu mir, und macht
mir, wie sonst, seine Konfidenzen. --

Mein Logis ist ein bischen kühl -- mit Holz zu dämpfen
-- aber still und sonst gut. Grüße recht besonders Hrn. von
Stägemann. Leider weiß ich nichts zu seiner Unterhaltung anzu-
bringen; munteren Leuten erzähle ich gerne Munteres; bei denen
hat man außer ihrem freudereichen Genuß noch große Interes-
sen. Eins könnte St. doch wohl amüsiren, ich müßte es aber
sehr schön vortragen, oder er müßte es selbst von dem oben-
genannten Freund hören: wie er glaubt, die griechisch-katho-
lische Religion würde das nördliche Deutschland ergreifen; die
heilige Allianz sei ein prämeditirter Anfang eines präme-
ditirten Plans davon! -- und? -- so könne eine neue Zeit
als neue Sonne eintreten! Wie, wisse er nicht: aber im bit-
tersten Ernst. Und die Pläne dazu sind sicher; die sieht er. --

Nun Millionen Grüße an Oelsner; da du ihn siehst, lass'
ich zwei Briefe von ihm hier: die so nur seine Reise betrafen.
Sein protege, der gerne einen Orden haben will, hat Bücher
für uns und die Frau Großherzogin geschickt, die er princesse

de

Stil im Schreiben. Über ſeinen, Auguſt Wilhelms, Schil-
lers ꝛc. und über Stil überhaupt. Auch über Religion in
Rückſicht der Staatsverfaſſungen. Das Ganze war ein wirk-
liches Geſpräch, eine wahrhafte Erörterung; z. B. eine ordent-
liche Definition von Stil: alles geſprächsweiſe. Mir entgeht
keiner der alten Freunde! Wenn ſie nicht toll werden, und
vorgeben, Offenbarungen zu haben, die ſich ihnen in Bildern,
und nicht in Vernunftgründen, in mitzutheilenden, darthun.
Dies ſchreib’ ich dir aus Stolz, was du für ein Kabinetsſtück
von Frau haſt! Auch Scholz geſellt ſich zu mir, und macht
mir, wie ſonſt, ſeine Konfidenzen. —

Mein Logis iſt ein bischen kühl — mit Holz zu dämpfen
— aber ſtill und ſonſt gut. Grüße recht beſonders Hrn. von
Stägemann. Leider weiß ich nichts zu ſeiner Unterhaltung anzu-
bringen; munteren Leuten erzähle ich gerne Munteres; bei denen
hat man außer ihrem freudereichen Genuß noch große Intereſ-
ſen. Eins könnte St. doch wohl amüſiren, ich müßte es aber
ſehr ſchön vortragen, oder er müßte es ſelbſt von dem oben-
genannten Freund hören: wie er glaubt, die griechiſch-katho-
liſche Religion würde das nördliche Deutſchland ergreifen; die
heilige Allianz ſei ein prämeditirter Anfang eines präme-
ditirten Plans davon! — und? — ſo könne eine neue Zeit
als neue Sonne eintreten! Wie, wiſſe er nicht: aber im bit-
terſten Ernſt. Und die Pläne dazu ſind ſicher; die ſieht er. —

Nun Millionen Grüße an Oelsner; da du ihn ſiehſt, laſſ'
ich zwei Briefe von ihm hier: die ſo nur ſeine Reiſe betrafen.
Sein protégé, der gerne einen Orden haben will, hat Bücher
für uns und die Frau Großherzogin geſchickt, die er princesse

de
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0488" n="480"/>
Stil im Schreiben. Über &#x017F;einen, Augu&#x017F;t Wilhelms, Schil-<lb/>
lers &#xA75B;c. und über Stil überhaupt. Auch über Religion in<lb/>
Rück&#x017F;icht der Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ungen. Das Ganze war ein wirk-<lb/>
liches Ge&#x017F;präch, eine wahrhafte Erörterung; z. B. eine ordent-<lb/>
liche Definition von Stil: alles ge&#x017F;prächswei&#x017F;e. Mir entgeht<lb/>
keiner der alten Freunde! Wenn &#x017F;ie nicht <hi rendition="#g">toll</hi> werden, und<lb/>
vorgeben, Offenbarungen zu haben, die &#x017F;ich ihnen in Bildern,<lb/>
und nicht in Vernunftgründen, in mitzutheilenden, darthun.<lb/>
Dies &#x017F;chreib&#x2019; ich dir aus Stolz, was du für ein Kabinets&#x017F;tück<lb/>
von Frau ha&#x017F;t! Auch Scholz ge&#x017F;ellt &#x017F;ich zu mir, und macht<lb/>
mir, wie &#x017F;on&#x017F;t, &#x017F;eine Konfidenzen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Mein Logis i&#x017F;t ein bischen kühl &#x2014; mit Holz zu dämpfen<lb/>
&#x2014; aber &#x017F;till und &#x017F;on&#x017F;t gut. Grüße recht be&#x017F;onders Hrn. von<lb/>
Stägemann. Leider weiß ich nichts zu &#x017F;einer Unterhaltung anzu-<lb/>
bringen; munteren Leuten erzähle ich gerne Munteres; bei denen<lb/>
hat man außer ihrem freudereichen Genuß noch große Intere&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Eins könnte St. doch wohl amü&#x017F;iren, ich müßte es aber<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chön vortragen, oder er müßte es &#x017F;elb&#x017F;t von dem oben-<lb/>
genannten Freund <hi rendition="#g">hören</hi>: wie er glaubt, die griechi&#x017F;ch-katho-<lb/>
li&#x017F;che Religion würde das nördliche Deut&#x017F;chland ergreifen; die<lb/>
heilige Allianz &#x017F;ei ein <hi rendition="#g">prämeditirter</hi> Anfang eines präme-<lb/>
ditirten Plans davon! &#x2014; und? &#x2014; &#x017F;o könne eine neue Zeit<lb/>
als neue Sonne eintreten! Wie, wi&#x017F;&#x017F;e er nicht: aber im bit-<lb/>
ter&#x017F;ten Ern&#x017F;t. Und die <hi rendition="#g">Pläne</hi> dazu &#x017F;ind &#x017F;icher; <hi rendition="#g">die</hi> &#x017F;ieht er. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nun Millionen Grüße an Oelsner; da du ihn &#x017F;ieh&#x017F;t, la&#x017F;&#x017F;'<lb/>
ich zwei Briefe von ihm hier: die &#x017F;o nur &#x017F;eine Rei&#x017F;e betrafen.<lb/>
Sein <hi rendition="#aq">protégé,</hi> der gerne einen Orden haben will, hat Bücher<lb/>
für uns und die Frau Großherzogin ge&#x017F;chickt, die er <hi rendition="#aq">princesse</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">de</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0488] Stil im Schreiben. Über ſeinen, Auguſt Wilhelms, Schil- lers ꝛc. und über Stil überhaupt. Auch über Religion in Rückſicht der Staatsverfaſſungen. Das Ganze war ein wirk- liches Geſpräch, eine wahrhafte Erörterung; z. B. eine ordent- liche Definition von Stil: alles geſprächsweiſe. Mir entgeht keiner der alten Freunde! Wenn ſie nicht toll werden, und vorgeben, Offenbarungen zu haben, die ſich ihnen in Bildern, und nicht in Vernunftgründen, in mitzutheilenden, darthun. Dies ſchreib’ ich dir aus Stolz, was du für ein Kabinetsſtück von Frau haſt! Auch Scholz geſellt ſich zu mir, und macht mir, wie ſonſt, ſeine Konfidenzen. — Mein Logis iſt ein bischen kühl — mit Holz zu dämpfen — aber ſtill und ſonſt gut. Grüße recht beſonders Hrn. von Stägemann. Leider weiß ich nichts zu ſeiner Unterhaltung anzu- bringen; munteren Leuten erzähle ich gerne Munteres; bei denen hat man außer ihrem freudereichen Genuß noch große Intereſ- ſen. Eins könnte St. doch wohl amüſiren, ich müßte es aber ſehr ſchön vortragen, oder er müßte es ſelbſt von dem oben- genannten Freund hören: wie er glaubt, die griechiſch-katho- liſche Religion würde das nördliche Deutſchland ergreifen; die heilige Allianz ſei ein prämeditirter Anfang eines präme- ditirten Plans davon! — und? — ſo könne eine neue Zeit als neue Sonne eintreten! Wie, wiſſe er nicht: aber im bit- terſten Ernſt. Und die Pläne dazu ſind ſicher; die ſieht er. — Nun Millionen Grüße an Oelsner; da du ihn ſiehſt, laſſ' ich zwei Briefe von ihm hier: die ſo nur ſeine Reiſe betrafen. Sein protégé, der gerne einen Orden haben will, hat Bücher für uns und die Frau Großherzogin geſchickt, die er princesse de

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/488
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/488>, abgerufen am 21.11.2024.