verlangte. Nun bin ich nicht so hinfällig, daß ich nicht trotz diesen Bedürfnissen leben und bleiben könnte, aber auf keine angenehme Weise für mich: und in einem Vergnügen, in einer Freude, je n'aime pas a patir, zu vermissen, gestört zu sein. Sie verstehen das Leben; ich füge kein Wort hinzu.
Es ist mir gewiß lieb, meinen Bruder so gut bei Ihnen zu wissen: und es gehört mit zu den vorzüglichsten Gütern auf der Welt für ihn, daß er Sie Freundin, und Ihr Haus als ein ihm wohlwollendes sich nennen kann. Mein innerstes Herz gönnt es ihm! Und so zag' ich fast, ein Wort über sein Stück zu sagen, welches von Ihrem großmüthigen Urtheil so weit überflügelt wird! Ich kann mit zwei Worten sagen: Die Behandlung des Stücks entspricht dem energischen Plan, der kräftigen Konzeption desselben nicht. Für mich ein das Ganze überschreiender Mißton; weil er aus der tiefsten Tiefe des Ganzen, ja des ganzen Seins des Dichters, herauf tönt. Die Gespräche sind matt für diese Situationen: bei nah kein allgemeingültiger Spruch, die Leiden und Leidenschaft so gern, als ewige Sentenzen für die Verhältnisse ausstößt, die sie hemmen, drücken, und eigentlich hervorbringen! u. s. w. Was Sie davon rühmen, bleibt doch wahr; aber mit dem, was ihm fehlt, hätte es ein zerreißender Gesang bleiben kön- nen, über einen von der Geschichte hervorgebrachten Mißstand, den künftige Zeiten noch immer hätten verstehen und nach- singen müssen, und wären sie längst schon in neuen Verwir- rungen befangen. Wie wir noch von Sklaven singen, und ganz verstehen, was das bei alten Völkern hieß, und zu- wege bringen mußte! -- Dies der Wahrheit zum Opfer;
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verlangte. Nun bin ich nicht ſo hinfällig, daß ich nicht trotz dieſen Bedürfniſſen leben und bleiben könnte, aber auf keine angenehme Weiſe für mich: und in einem Vergnügen, in einer Freude, je n’aime pas à pâtir, zu vermiſſen, geſtört zu ſein. Sie verſtehen das Leben; ich füge kein Wort hinzu.
Es iſt mir gewiß lieb, meinen Bruder ſo gut bei Ihnen zu wiſſen: und es gehört mit zu den vorzüglichſten Gütern auf der Welt für ihn, daß er Sie Freundin, und Ihr Haus als ein ihm wohlwollendes ſich nennen kann. Mein innerſtes Herz gönnt es ihm! Und ſo zag’ ich faſt, ein Wort über ſein Stück zu ſagen, welches von Ihrem großmüthigen Urtheil ſo weit überflügelt wird! Ich kann mit zwei Worten ſagen: Die Behandlung des Stücks entſpricht dem energiſchen Plan, der kräftigen Konzeption deſſelben nicht. Für mich ein das Ganze überſchreiender Mißton; weil er aus der tiefſten Tiefe des Ganzen, ja des ganzen Seins des Dichters, herauf tönt. Die Geſpräche ſind matt für dieſe Situationen: bei nah kein allgemeingültiger Spruch, die Leiden und Leidenſchaft ſo gern, als ewige Sentenzen für die Verhältniſſe ausſtößt, die ſie hemmen, drücken, und eigentlich hervorbringen! u. ſ. w. Was Sie davon rühmen, bleibt doch wahr; aber mit dem, was ihm fehlt, hätte es ein zerreißender Geſang bleiben kön- nen, über einen von der Geſchichte hervorgebrachten Mißſtand, den künftige Zeiten noch immer hätten verſtehen und nach- ſingen müſſen, und wären ſie längſt ſchon in neuen Verwir- rungen befangen. Wie wir noch von Sklaven ſingen, und ganz verſtehen, was das bei alten Völkern hieß, und zu- wege bringen mußte! — Dies der Wahrheit zum Opfer;
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verlangte. Nun bin ich nicht ſo hinfällig, daß ich nicht trotz
dieſen Bedürfniſſen leben und bleiben könnte, aber auf keine
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Freude, je n’aime pas à pâtir, zu vermiſſen, geſtört zu ſein.
Sie verſtehen das Leben; ich füge kein Wort hinzu.
Es iſt mir gewiß lieb, meinen Bruder ſo gut bei Ihnen
zu wiſſen: und es gehört mit zu den vorzüglichſten Gütern
auf der Welt für ihn, daß er Sie Freundin, und Ihr Haus
als ein ihm wohlwollendes ſich nennen kann. Mein innerſtes
Herz gönnt es ihm! Und ſo zag’ ich faſt, ein Wort über ſein
Stück zu ſagen, welches von Ihrem großmüthigen Urtheil ſo
weit überflügelt wird! Ich kann mit zwei Worten ſagen:
Die Behandlung des Stücks entſpricht dem energiſchen Plan,
der kräftigen Konzeption deſſelben nicht. Für mich ein das
Ganze überſchreiender Mißton; weil er aus der tiefſten Tiefe
des Ganzen, ja des ganzen Seins des Dichters, herauf tönt.
Die Geſpräche ſind matt für dieſe Situationen: bei nah kein
allgemeingültiger Spruch, die Leiden und Leidenſchaft ſo
gern, als ewige Sentenzen für die Verhältniſſe ausſtößt, die
ſie hemmen, drücken, und eigentlich hervorbringen! u. ſ. w.
Was Sie davon rühmen, bleibt doch wahr; aber mit dem,
was ihm fehlt, hätte es ein zerreißender Geſang bleiben kön-
nen, über einen von der Geſchichte hervorgebrachten Mißſtand,
den künftige Zeiten noch immer hätten verſtehen und nach-
ſingen müſſen, und wären ſie längſt ſchon in neuen Verwir-
rungen befangen. Wie wir noch von Sklaven ſingen, und
ganz verſtehen, was das bei alten Völkern hieß, und zu-
wege bringen mußte! — Dies der Wahrheit zum Opfer;
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/43>, abgerufen am 22.11.2024.
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