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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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men zu lassen; daß Sie aber selbst, als Undine -- Gurli --
Thekla -- Klärchen -- Iphigenia, Ihr schönes Herz zum Trumpf
einlegen, wenn das Spiel mit Karten, in dem, was man die
Gesellschaft nennt, kann abgethan werden, hab' ich erst jetzt
durch Ihr Schreiben zu Ihrer jugendlichen Ehre, und meiner
grauen Schande, und großem Ergötzen, erfahren. Anmaßend,
wie alle Alten, entschied ich mich auch gleich dafür, daß Ihre
ganze redliche Herzensergießung nicht an den Mann abgehen
müsse; der allenfalls dergleichen gedruckt, von einem berühm-
ten Dichter erfunden, für schön halten würde; diese soll uns
verbleiben: besonders mir; die ich sogar die Handschrift so
schön finde. Schwerer war es mir, V. zu überreden, daß er
ein Resüme aus Ihrem Aufsatz, sicherer, stärker gesetzt, mache;
er behauptete, man könne für keine andere Person etwas, das
für sie gelten solle, machen: ich behauptete, mit manchem Doch,
das Gegentheil; V's Talent, besonders in dergleichen Insinua-
tionen, kennend; er gab mir aus wahrer Güte nach, und hat
meines Bedünkens einen sehr guten Aufsatz geliefert, eindring-
lich, kurz, bestimmt; wo nichts weggeblieben ist, was der
Mann wissen soll. Was aber soll er mit Ihren innren An-
sichten, Zuständen und Bestrebungen: die ersehe er alle aus
Ihren Forderungen; und bilde sich, wenn er Lust hat, etwas
drauf ein! Noch viel besser fand ich V's eigenen Brief; für
welches Schreiben ich nicht Einmal gesinnt war, weil ich mir
nicht einbilden konnte, wie gut und abgepaßt es nun gelun-
gen ist. So denk' ich denn, schicken Sie getrost beide Briefe
ab. Untersuchen Sie sich aber doch genau, und frei; und
handlen Sie unbestochen, nach Ihrem persönlichen Gefühl. --


men zu laſſen; daß Sie aber ſelbſt, als Undine — Gurli —
Thekla — Klärchen — Iphigenia, Ihr ſchönes Herz zum Trumpf
einlegen, wenn das Spiel mit Karten, in dem, was man die
Geſellſchaft nennt, kann abgethan werden, hab’ ich erſt jetzt
durch Ihr Schreiben zu Ihrer jugendlichen Ehre, und meiner
grauen Schande, und großem Ergötzen, erfahren. Anmaßend,
wie alle Alten, entſchied ich mich auch gleich dafür, daß Ihre
ganze redliche Herzensergießung nicht an den Mann abgehen
müſſe; der allenfalls dergleichen gedruckt, von einem berühm-
ten Dichter erfunden, für ſchön halten würde; dieſe ſoll uns
verbleiben: beſonders mir; die ich ſogar die Handſchrift ſo
ſchön finde. Schwerer war es mir, V. zu überreden, daß er
ein Reſümé aus Ihrem Aufſatz, ſicherer, ſtärker geſetzt, mache;
er behauptete, man könne für keine andere Perſon etwas, das
für ſie gelten ſolle, machen: ich behauptete, mit manchem Doch,
das Gegentheil; V’s Talent, beſonders in dergleichen Inſinua-
tionen, kennend; er gab mir aus wahrer Güte nach, und hat
meines Bedünkens einen ſehr guten Aufſatz geliefert, eindring-
lich, kurz, beſtimmt; wo nichts weggeblieben iſt, was der
Mann wiſſen ſoll. Was aber ſoll er mit Ihren innren An-
ſichten, Zuſtänden und Beſtrebungen: die erſehe er alle aus
Ihren Forderungen; und bilde ſich, wenn er Luſt hat, etwas
drauf ein! Noch viel beſſer fand ich V’s eigenen Brief; für
welches Schreiben ich nicht Einmal geſinnt war, weil ich mir
nicht einbilden konnte, wie gut und abgepaßt es nun gelun-
gen iſt. So denk’ ich denn, ſchicken Sie getroſt beide Briefe
ab. Unterſuchen Sie ſich aber doch genau, und frei; und
handlen Sie unbeſtochen, nach Ihrem perſönlichen Gefühl. —


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[378/0386] men zu laſſen; daß Sie aber ſelbſt, als Undine — Gurli — Thekla — Klärchen — Iphigenia, Ihr ſchönes Herz zum Trumpf einlegen, wenn das Spiel mit Karten, in dem, was man die Geſellſchaft nennt, kann abgethan werden, hab’ ich erſt jetzt durch Ihr Schreiben zu Ihrer jugendlichen Ehre, und meiner grauen Schande, und großem Ergötzen, erfahren. Anmaßend, wie alle Alten, entſchied ich mich auch gleich dafür, daß Ihre ganze redliche Herzensergießung nicht an den Mann abgehen müſſe; der allenfalls dergleichen gedruckt, von einem berühm- ten Dichter erfunden, für ſchön halten würde; dieſe ſoll uns verbleiben: beſonders mir; die ich ſogar die Handſchrift ſo ſchön finde. Schwerer war es mir, V. zu überreden, daß er ein Reſümé aus Ihrem Aufſatz, ſicherer, ſtärker geſetzt, mache; er behauptete, man könne für keine andere Perſon etwas, das für ſie gelten ſolle, machen: ich behauptete, mit manchem Doch, das Gegentheil; V’s Talent, beſonders in dergleichen Inſinua- tionen, kennend; er gab mir aus wahrer Güte nach, und hat meines Bedünkens einen ſehr guten Aufſatz geliefert, eindring- lich, kurz, beſtimmt; wo nichts weggeblieben iſt, was der Mann wiſſen ſoll. Was aber ſoll er mit Ihren innren An- ſichten, Zuſtänden und Beſtrebungen: die erſehe er alle aus Ihren Forderungen; und bilde ſich, wenn er Luſt hat, etwas drauf ein! Noch viel beſſer fand ich V’s eigenen Brief; für welches Schreiben ich nicht Einmal geſinnt war, weil ich mir nicht einbilden konnte, wie gut und abgepaßt es nun gelun- gen iſt. So denk’ ich denn, ſchicken Sie getroſt beide Briefe ab. Unterſuchen Sie ſich aber doch genau, und frei; und handlen Sie unbeſtochen, nach Ihrem perſönlichen Gefühl. —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/386>, abgerufen am 27.04.2024.