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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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ken, eilt, sagt, man eile sie, will im Wirthshause einen
Lohnbedienten zum Begleiten miethen; so wenig Begriff hat
sie vom Reisen; also konnt' ich mit der, so erbötig ich's wollte,
nicht reisen. Die Ministerin Bülow kommt aber heute hier
durch, und nun will ich Einmal sehen, ob ich mit meinem
Wagen mich bei der anschließen kann. -- Als ich zur N. hin-
ein trat, fand ich O. dort, und einen Herrn, von dem ich
nicht wußte, ob ich ihn für einen Juden oder einen *** neh-
men sollte. Ich blieb mit Bedacht, bis die Herrn weg wären,
weil ich wissen wollte, wer der Jude war. Denn als ich O.,
weil der Herr zu impertinent war, gefragt hatte: "Wer ist
der Herr?" und mir der mit viertellauter Emphase geantwor-
tet hatte: ein sehr vornehmer Kaufmann, erfuhr ich doch
nicht, wer es ist. Dieser Kaufmann, mit einem hübschen gel-
ben, konvulsivischen Gesichte, war ganz wie ***s, von allem
was vorging bis zu Nervenanfällen ennuyirt, daß es ihn
nicht betraf, und nichts Höllen- oder Himmelartiges war; und
so degoutirt von den Personen, und daß er sich doch mit ihnen
abgeben mußte, daß er lieber so viel grob wurde, als es an-
ging; sie so mißhandelte, daß er sich wenigstens in seinem Ge-
wissen sagen konnte, wenn sie nur Menschenverstand hätten,
müßten sie beleidigt sein; und doch solch Bedürfniß von mensch-
licher Mittheilung in sich, Talent zum Scherz, und Eitelkeit,
-- daß er das Ganze auf der Kippe von Scherz für sich und
die Andern hielt. Dabei ein air-marquis et peigne, wie die
Geschwister nicht: denn als ich der N. sage, der Herr sieht
aus wie ein ***, sagte sie: es ist ein ***. Das Ganze drehte
sich um der N. ihre Reiseroute, und den zu nehmenden Be-

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ken, eilt, ſagt, man eile ſie, will im Wirthshauſe einen
Lohnbedienten zum Begleiten miethen; ſo wenig Begriff hat
ſie vom Reiſen; alſo konnt’ ich mit der, ſo erbötig ich’s wollte,
nicht reiſen. Die Miniſterin Bülow kommt aber heute hier
durch, und nun will ich Einmal ſehen, ob ich mit meinem
Wagen mich bei der anſchließen kann. — Als ich zur N. hin-
ein trat, fand ich O. dort, und einen Herrn, von dem ich
nicht wußte, ob ich ihn für einen Juden oder einen *** neh-
men ſollte. Ich blieb mit Bedacht, bis die Herrn weg wären,
weil ich wiſſen wollte, wer der Jude war. Denn als ich O.,
weil der Herr zu impertinent war, gefragt hatte: „Wer iſt
der Herr?“ und mir der mit viertellauter Emphaſe geantwor-
tet hatte: ein ſehr vornehmer Kaufmann, erfuhr ich doch
nicht, wer es iſt. Dieſer Kaufmann, mit einem hübſchen gel-
ben, konvulſiviſchen Geſichte, war ganz wie ***s, von allem
was vorging bis zu Nervenanfällen ennuyirt, daß es ihn
nicht betraf, und nichts Höllen- oder Himmelartiges war; und
ſo degoutirt von den Perſonen, und daß er ſich doch mit ihnen
abgeben mußte, daß er lieber ſo viel grob wurde, als es an-
ging; ſie ſo mißhandelte, daß er ſich wenigſtens in ſeinem Ge-
wiſſen ſagen konnte, wenn ſie nur Menſchenverſtand hätten,
müßten ſie beleidigt ſein; und doch ſolch Bedürfniß von menſch-
licher Mittheilung in ſich, Talent zum Scherz, und Eitelkeit,
— daß er das Ganze auf der Kippe von Scherz für ſich und
die Andern hielt. Dabei ein air-marquis et peigné, wie die
Geſchwiſter nicht: denn als ich der N. ſage, der Herr ſieht
aus wie ein ***, ſagte ſie: es iſt ein ***. Das Ganze drehte
ſich um der N. ihre Reiſeroute, und den zu nehmenden Be-

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[323/0331] ken, eilt, ſagt, man eile ſie, will im Wirthshauſe einen Lohnbedienten zum Begleiten miethen; ſo wenig Begriff hat ſie vom Reiſen; alſo konnt’ ich mit der, ſo erbötig ich’s wollte, nicht reiſen. Die Miniſterin Bülow kommt aber heute hier durch, und nun will ich Einmal ſehen, ob ich mit meinem Wagen mich bei der anſchließen kann. — Als ich zur N. hin- ein trat, fand ich O. dort, und einen Herrn, von dem ich nicht wußte, ob ich ihn für einen Juden oder einen *** neh- men ſollte. Ich blieb mit Bedacht, bis die Herrn weg wären, weil ich wiſſen wollte, wer der Jude war. Denn als ich O., weil der Herr zu impertinent war, gefragt hatte: „Wer iſt der Herr?“ und mir der mit viertellauter Emphaſe geantwor- tet hatte: ein ſehr vornehmer Kaufmann, erfuhr ich doch nicht, wer es iſt. Dieſer Kaufmann, mit einem hübſchen gel- ben, konvulſiviſchen Geſichte, war ganz wie ***s, von allem was vorging bis zu Nervenanfällen ennuyirt, daß es ihn nicht betraf, und nichts Höllen- oder Himmelartiges war; und ſo degoutirt von den Perſonen, und daß er ſich doch mit ihnen abgeben mußte, daß er lieber ſo viel grob wurde, als es an- ging; ſie ſo mißhandelte, daß er ſich wenigſtens in ſeinem Ge- wiſſen ſagen konnte, wenn ſie nur Menſchenverſtand hätten, müßten ſie beleidigt ſein; und doch ſolch Bedürfniß von menſch- licher Mittheilung in ſich, Talent zum Scherz, und Eitelkeit, — daß er das Ganze auf der Kippe von Scherz für ſich und die Andern hielt. Dabei ein air-marquis et peigné, wie die Geſchwiſter nicht: denn als ich der N. ſage, der Herr ſieht aus wie ein ***, ſagte ſie: es iſt ein ***. Das Ganze drehte ſich um der N. ihre Reiſeroute, und den zu nehmenden Be- 21 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/331>, abgerufen am 23.11.2024.