ähnlich; sie ist ganz beglückt. Und noch Einmal müssen wir Gott danken und hoffen: er hat sich in den zwanzig Jah- ren gar nicht verändert, ganz wie ich ihn sah; und sehr vergnügt beobachtete er uns. -- Ich schrie so sehr, aus Eile, die Andern sollten ihn auch sehen, und weil man's gar nicht erwarten konnte! Ein Wagen, und das ist er. Den Mainherrn nennen wir ihn: er ist Herr hier. Das erfand ich gleich. Gott, August! ich bin so agitirt: wärst du hier! (Jetzt wein' ich.) In diesem Mond, heute! Wer gönnt es mir wie du? Meine lieben Augen sahen ihn: ich liebe sie! -- Geheimerath Willemer's Familie waren die, welche mit Goethen fuhren. --
Frankfurt a. M., den 27. August 1815.
Leset in Goethe's Leben, erster Band, von Seite 427 bis herab Seite 437. Und wenn ihr sie in's Auge fasset, wird die goldene Weisheit euch verblenden, verstarren in Bewun- derung! Er schildert ganz die heutigen Erscheinungen in Wien, Paris und allerwärts, die neuere Begleitung und Folge des Kriegführens; hebt durch den bloßen Blick, mit Worten, ein solches Stück Geschichte aus dem Zeitenflusse, daß es sich wiederholen muß, wie vor wahren Propheten! Den Gährungsprozeß des Abgestorbenen, welches man in guter und schlechter Meinung erhalten will, mit der sich neu erzeugenden Mischung; wie das dumm, lächerlich und trau- rig wirkt, weil, der Masse nach, zu wenig Bewußtsein, als Sonne, es reinigt, bildet und gestaltet. Auch ich dachte da- durch, und in welcher Zeit, in welchem Ort ich das Buch
ähnlich; ſie iſt ganz beglückt. Und noch Einmal müſſen wir Gott danken und hoffen: er hat ſich in den zwanzig Jah- ren gar nicht verändert, ganz wie ich ihn ſah; und ſehr vergnügt beobachtete er uns. — Ich ſchrie ſo ſehr, aus Eile, die Andern ſollten ihn auch ſehen, und weil man’s gar nicht erwarten konnte! Ein Wagen, und das iſt er. Den Mainherrn nennen wir ihn: er iſt Herr hier. Das erfand ich gleich. Gott, Auguſt! ich bin ſo agitirt: wärſt du hier! (Jetzt wein’ ich.) In dieſem Mond, heute! Wer gönnt es mir wie du? Meine lieben Augen ſahen ihn: ich liebe ſie! — Geheimerath Willemer’s Familie waren die, welche mit Goethen fuhren. —
Frankfurt a. M., den 27. Auguſt 1815.
Leſet in Goethe’s Leben, erſter Band, von Seite 427 bis herab Seite 437. Und wenn ihr ſie in’s Auge faſſet, wird die goldene Weisheit euch verblenden, verſtarren in Bewun- derung! Er ſchildert ganz die heutigen Erſcheinungen in Wien, Paris und allerwärts, die neuere Begleitung und Folge des Kriegführens; hebt durch den bloßen Blick, mit Worten, ein ſolches Stück Geſchichte aus dem Zeitenfluſſe, daß es ſich wiederholen muß, wie vor wahren Propheten! Den Gährungsprozeß des Abgeſtorbenen, welches man in guter und ſchlechter Meinung erhalten will, mit der ſich neu erzeugenden Miſchung; wie das dumm, lächerlich und trau- rig wirkt, weil, der Maſſe nach, zu wenig Bewußtſein, als Sonne, es reinigt, bildet und geſtaltet. Auch ich dachte da- durch, und in welcher Zeit, in welchem Ort ich das Buch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0325"n="317"/>
ähnlich; ſie iſt ganz beglückt. Und noch Einmal müſſen wir<lb/>
Gott danken und hoffen: er hat ſich in den <hirendition="#g">zwanzig</hi> Jah-<lb/>
ren gar nicht verändert, <hirendition="#g">ganz</hi> wie ich ihn ſah; und <hirendition="#g">ſehr</hi><lb/>
vergnügt beobachtete er uns. — Ich ſchrie <hirendition="#g">ſo ſehr</hi>, aus <hirendition="#g">Eile</hi>,<lb/>
die Andern ſollten ihn <hirendition="#g">auch</hi>ſehen, und weil man’s <hirendition="#g">gar<lb/>
nicht</hi> erwarten konnte! <hirendition="#g">Ein</hi> Wagen, und das iſt <hirendition="#g">er</hi>. Den<lb/>
Mainherrn nennen wir ihn: er iſt Herr hier. Das erfand ich<lb/>
gleich. Gott, Auguſt! ich bin ſo agitirt: <hirendition="#g">wärſt</hi> du hier!<lb/>
(Jetzt wein’ ich.) In dieſem Mond, <hirendition="#g">heute</hi>! Wer gönnt es<lb/>
mir wie du? Meine lieben Augen <hirendition="#g">ſahen</hi> ihn: ich <hirendition="#g">liebe</hi>ſie!<lb/>— Geheimerath Willemer’s Familie waren die, welche mit<lb/>
Goethen fuhren. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Frankfurt a. M., den 27. Auguſt 1815.</hi></dateline><lb/><p>Leſet in Goethe’s Leben, erſter Band, von Seite 427 bis<lb/>
herab Seite 437. Und wenn ihr ſie in’s Auge faſſet, wird<lb/>
die goldene Weisheit euch verblenden, verſtarren in Bewun-<lb/>
derung! Er ſchildert <hirendition="#g">ganz</hi> die heutigen Erſcheinungen in<lb/>
Wien, Paris und allerwärts, die <hirendition="#g">neuere</hi> Begleitung und<lb/>
Folge des Kriegführens; hebt durch den bloßen Blick, mit<lb/>
Worten, ein ſolches Stück Geſchichte aus dem Zeitenfluſſe,<lb/>
daß es ſich wiederholen muß, wie vor wahren Propheten!<lb/>
Den Gährungsprozeß des Abgeſtorbenen, welches man in<lb/>
guter und ſchlechter Meinung erhalten will, mit der ſich neu<lb/>
erzeugenden Miſchung; wie das dumm, lächerlich und trau-<lb/>
rig wirkt, weil, der Maſſe nach, zu wenig Bewußtſein, als<lb/>
Sonne, es reinigt, bildet und geſtaltet. Auch ich dachte da-<lb/>
durch, und in welcher Zeit, in welchem Ort ich das Buch<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[317/0325]
ähnlich; ſie iſt ganz beglückt. Und noch Einmal müſſen wir
Gott danken und hoffen: er hat ſich in den zwanzig Jah-
ren gar nicht verändert, ganz wie ich ihn ſah; und ſehr
vergnügt beobachtete er uns. — Ich ſchrie ſo ſehr, aus Eile,
die Andern ſollten ihn auch ſehen, und weil man’s gar
nicht erwarten konnte! Ein Wagen, und das iſt er. Den
Mainherrn nennen wir ihn: er iſt Herr hier. Das erfand ich
gleich. Gott, Auguſt! ich bin ſo agitirt: wärſt du hier!
(Jetzt wein’ ich.) In dieſem Mond, heute! Wer gönnt es
mir wie du? Meine lieben Augen ſahen ihn: ich liebe ſie!
— Geheimerath Willemer’s Familie waren die, welche mit
Goethen fuhren. —
Frankfurt a. M., den 27. Auguſt 1815.
Leſet in Goethe’s Leben, erſter Band, von Seite 427 bis
herab Seite 437. Und wenn ihr ſie in’s Auge faſſet, wird
die goldene Weisheit euch verblenden, verſtarren in Bewun-
derung! Er ſchildert ganz die heutigen Erſcheinungen in
Wien, Paris und allerwärts, die neuere Begleitung und
Folge des Kriegführens; hebt durch den bloßen Blick, mit
Worten, ein ſolches Stück Geſchichte aus dem Zeitenfluſſe,
daß es ſich wiederholen muß, wie vor wahren Propheten!
Den Gährungsprozeß des Abgeſtorbenen, welches man in
guter und ſchlechter Meinung erhalten will, mit der ſich neu
erzeugenden Miſchung; wie das dumm, lächerlich und trau-
rig wirkt, weil, der Maſſe nach, zu wenig Bewußtſein, als
Sonne, es reinigt, bildet und geſtaltet. Auch ich dachte da-
durch, und in welcher Zeit, in welchem Ort ich das Buch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/325>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.