fiden sind gutes Muthes und voller Thorheit -- in Plänen und Ansicht des französischen Landes; die Umsichtigen gestehen frei heraus, daß sie gar nicht mehr sehen, was daraus wer- den kann. Hier, wo man ganz Deutschland beieinander sieht, sieht man recht, wie auseinander es ist. Kein Bonmot! Gott behüte und bewahre! -- Kurz, die Menschen sind so, als ob Wien belagert würde. Napoleon hat dem Kaiser Franz geschrieben, er solle die andern Mächte dahin bewegen, daß kein Blut vergossen wird, er würde sich streng an die Verträge halten. Marie Louise ist noch in Schönbrunn. Baiern wollte keine österreichischen Truppen durch sein Land lassen, bis man ihm noch zwei Städte bewilligte; gestern ge- schah es; aber vier Tage Marsch sind verloren. So ungefähr steht alles ungefähr. Seit dem 20. ist er in Paris; sans coup ferir. Der König ist in Lille. Diese Nachricht ist nach Straß- burg mit dem Telegraphen gekommen, und diese Nacht mit einem badenschen Kourier hierher. Ich bin mit zwei Herren, die sehr schreien über "Ehrgefühl" und von "idealischer Exi- stenz", und "Napoleon", und "Infamie" und "Vorurtheil". Adieu, sie machen mich tell. --
Mittwoch Vormittag den 29. März.
Bis gegen 12 mußt' ich noch immer von dem Evenement und allen seinen möglichen Folgen hören. Das Resultat, was jeder Mensch leider fassen kann, ist eine weit um sich grei- fende und tief gewurzelte Verwirrung. Wir Verbündeten -- bis jetzt! -- können gar den Krieg nicht plötzlich machen; und soll ein tiefer, ernsthafter werden, so wird der Dinge ent-
wicklen,
fiden ſind gutes Muthes und voller Thorheit — in Plaͤnen und Anſicht des franzöſiſchen Landes; die Umſichtigen geſtehen frei heraus, daß ſie gar nicht mehr ſehen, was daraus wer- den kann. Hier, wo man ganz Deutſchland beieinander ſieht, ſieht man recht, wie auseinander es iſt. Kein Bonmot! Gott behüte und bewahre! — Kurz, die Menſchen ſind ſo, als ob Wien belagert würde. Napoleon hat dem Kaiſer Franz geſchrieben, er ſolle die andern Mächte dahin bewegen, daß kein Blut vergoſſen wird, er würde ſich ſtreng an die Verträge halten. Marie Louiſe iſt noch in Schönbrunn. Baiern wollte keine öſterreichiſchen Truppen durch ſein Land laſſen, bis man ihm noch zwei Städte bewilligte; geſtern ge- ſchah es; aber vier Tage Marſch ſind verloren. So ungefähr ſteht alles ungefähr. Seit dem 20. iſt er in Paris; sans coup férir. Der König iſt in Lille. Dieſe Nachricht iſt nach Straß- burg mit dem Telegraphen gekommen, und dieſe Nacht mit einem badenſchen Kourier hierher. Ich bin mit zwei Herren, die ſehr ſchreien über „Ehrgefühl“ und von „idealiſcher Exi- ſtenz“, und „Napoleon“, und „Infamie“ und „Vorurtheil“. Adieu, ſie machen mich tell. —
Mittwoch Vormittag den 29. März.
Bis gegen 12 mußt’ ich noch immer von dem Evenement und allen ſeinen möglichen Folgen hören. Das Reſultat, was jeder Menſch leider faſſen kann, iſt eine weit um ſich grei- fende und tief gewurzelte Verwirrung. Wir Verbündeten — bis jetzt! — können gar den Krieg nicht plötzlich machen; und ſoll ein tiefer, ernſthafter werden, ſo wird der Dinge ent-
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fiden ſind gutes Muthes und voller Thorheit — in Plaͤnen
und Anſicht des franzöſiſchen Landes; die Umſichtigen geſtehen
frei heraus, daß ſie gar nicht mehr ſehen, was daraus wer-
den kann. Hier, wo man ganz Deutſchland beieinander
ſieht, ſieht man recht, wie auseinander es iſt. Kein Bonmot!
Gott behüte und bewahre! — Kurz, die Menſchen ſind ſo,
als ob Wien belagert würde. Napoleon hat dem Kaiſer
Franz geſchrieben, er ſolle die andern Mächte dahin bewegen,
daß kein Blut vergoſſen wird, er würde ſich ſtreng an die
Verträge halten. Marie Louiſe iſt noch in Schönbrunn.
Baiern wollte keine öſterreichiſchen Truppen durch ſein Land
laſſen, bis man ihm noch zwei Städte bewilligte; geſtern ge-
ſchah es; aber vier Tage Marſch ſind verloren. So ungefähr
ſteht alles ungefähr. Seit dem 20. iſt er in Paris; sans coup
férir. Der König iſt in Lille. Dieſe Nachricht iſt nach Straß-
burg mit dem Telegraphen gekommen, und dieſe Nacht mit
einem badenſchen Kourier hierher. Ich bin mit zwei Herren,
die ſehr ſchreien über „Ehrgefühl“ und von „idealiſcher Exi-
ſtenz“, und „Napoleon“, und „Infamie“ und „Vorurtheil“.
Adieu, ſie machen mich tell. —
Mittwoch Vormittag den 29. März.
Bis gegen 12 mußt’ ich noch immer von dem Evenement
und allen ſeinen möglichen Folgen hören. Das Reſultat, was
jeder Menſch leider faſſen kann, iſt eine weit um ſich grei-
fende und tief gewurzelte Verwirrung. Wir Verbündeten —
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und ſoll ein tiefer, ernſthafter werden, ſo wird der Dinge ent-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/280>, abgerufen am 09.11.2024.
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