Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

zu morgen schreiben. Künftig euch, liebe Kinder. Ich erliege.

Adieu! R. R.

Nun gratulire ich dir und Allen, die wahren herzlichen
Antheil an der Welt wahrem Wohl nehmen! Ich gönne un-
serm König für seine Kränkungen, daß auch er eingezogen
ist, in das Herz des monstruösen Reichs, das alle andere in
seiner holden leichten Glaubhaftigkeit zu verschlucken und tre-
ten
zu können meinen mußte. Es muß jeder französische Sol-
dat, jeder Franzose wissen, daß man auch zu ihm kommen
kann, das wird sie höflich im Herzen machen; und uns den
Kopf oben halten lehren für eine Zeit. Daß nur Einer ge-
opfert wird, und auf den aller Haß gegossen, aus den vergall-
ten Herzen der Menschen, und daß man mit der lieben Nation
sich wieder befreundet, und sie lieben darf, freut mich. Dann
bitte ich zu Gott, und hoffe es auch, daß es gut sei, was
geschieht!! Lust mußten wir haben, das ist schon ausgemacht!
Das Größte schon jetzt, ist mir das; daß Napoleon sich zum
Kaiser machte; und nicht ruhte bis er's nicht mehr war. Al-
les er selbst. Wer hätte ihn angetaster! Man muß es
nicht vergessen
! Kaiser- und Königstöchter hatte er. Eng-
land
hinter seinem Meere sogar, unterstützte noch vor weni-
gen Monaten der Bourbons Proklamationen nicht. Der
Mann hat ganz allein wie Macbeth fünf Akte gespielt: seine
Zauberschwestern kennt man noch nicht.

Hier wurde mit Lärm und Geschrei das Bulletin im Schau-
spiel abgelesen. Der Oberstburggraf ließ gleich Liebich holen,

zu morgen ſchreiben. Künftig euch, liebe Kinder. Ich erliege.

Adieu! R. R.

Nun gratulire ich dir und Allen, die wahren herzlichen
Antheil an der Welt wahrem Wohl nehmen! Ich gönne un-
ſerm König für ſeine Kränkungen, daß auch er eingezogen
iſt, in das Herz des monſtruöſen Reichs, das alle andere in
ſeiner holden leichten Glaubhaftigkeit zu verſchlucken und tre-
ten
zu können meinen mußte. Es muß jeder franzöſiſche Sol-
dat, jeder Franzoſe wiſſen, daß man auch zu ihm kommen
kann, das wird ſie höflich im Herzen machen; und uns den
Kopf oben halten lehren für eine Zeit. Daß nur Einer ge-
opfert wird, und auf den aller Haß gegoſſen, aus den vergall-
ten Herzen der Menſchen, und daß man mit der lieben Nation
ſich wieder befreundet, und ſie lieben darf, freut mich. Dann
bitte ich zu Gott, und hoffe es auch, daß es gut ſei, was
geſchieht!! Luſt mußten wir haben, das iſt ſchon ausgemacht!
Das Größte ſchon jetzt, iſt mir das; daß Napoleon ſich zum
Kaiſer machte; und nicht ruhte bis er’s nicht mehr war. Al-
les er ſelbſt. Wer hätte ihn angetaſter! Man muß es
nicht vergeſſen
! Kaiſer- und Königstöchter hatte er. Eng-
land
hinter ſeinem Meere ſogar, unterſtützte noch vor weni-
gen Monaten der Bourbons Proklamationen nicht. Der
Mann hat ganz allein wie Macbeth fünf Akte geſpielt: ſeine
Zauberſchweſtern kennt man noch nicht.

Hier wurde mit Lärm und Geſchrei das Bulletin im Schau-
ſpiel abgeleſen. Der Oberſtburggraf ließ gleich Liebich holen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0207" n="199"/>
zu morgen &#x017F;chreiben. Künftig euch, liebe Kinder. Ich <hi rendition="#g">erliege</hi>.</p><lb/>
            <closer>
              <salute>Adieu! <hi rendition="#et">R. R.</hi></salute>
            </closer>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag früh 8 Uhr.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Nun gratulire ich dir und Allen, die wahren herzlichen<lb/>
Antheil an der Welt wahrem Wohl nehmen! Ich gönne un-<lb/>
&#x017F;erm <hi rendition="#g">König</hi> für &#x017F;eine Kränkungen, daß auch er eingezogen<lb/>
i&#x017F;t, in das Herz des mon&#x017F;truö&#x017F;en Reichs, das alle andere in<lb/>
&#x017F;einer holden leichten Glaubhaftigkeit zu ver&#x017F;chlucken und <hi rendition="#g">tre-<lb/>
ten</hi> zu können meinen mußte. Es muß jeder franzö&#x017F;i&#x017F;che Sol-<lb/>
dat, jeder Franzo&#x017F;e wi&#x017F;&#x017F;en, daß man auch zu ihm kommen<lb/>
kann, das wird <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> höflich im <hi rendition="#g">Herzen</hi> machen; und uns den<lb/>
Kopf <hi rendition="#g">oben</hi> halten lehren für eine Zeit. Daß nur Einer ge-<lb/>
opfert wird, und auf den aller Haß gego&#x017F;&#x017F;en, aus den vergall-<lb/>
ten Herzen der Men&#x017F;chen, und daß man mit der lieben Nation<lb/>
&#x017F;ich wieder befreundet, und &#x017F;ie lieben darf, freut <hi rendition="#g">mich</hi>. Dann<lb/>
bitte ich zu <hi rendition="#g">Gott</hi>, und <hi rendition="#g">hoffe</hi> es auch, daß es gut &#x017F;ei, was<lb/>
ge&#x017F;chieht!! Lu&#x017F;t mußten wir haben, das i&#x017F;t &#x017F;chon ausgemacht!<lb/>
Das Größte &#x017F;chon jetzt, i&#x017F;t mir das; daß Napoleon &#x017F;ich zum<lb/>
Kai&#x017F;er machte; und nicht ruhte bis er&#x2019;s <hi rendition="#g">nicht</hi> mehr war. Al-<lb/>
les er &#x017F;elb&#x017F;t. <hi rendition="#g">Wer</hi> hätte ihn angeta&#x017F;ter! <hi rendition="#g">Man muß es<lb/>
nicht verge&#x017F;&#x017F;en</hi>! Kai&#x017F;er- und Königstöchter hatte er. <hi rendition="#g">Eng-<lb/>
land</hi> hinter &#x017F;einem Meere &#x017F;ogar, unter&#x017F;tützte noch vor weni-<lb/>
gen Monaten der Bourbons Proklamationen <hi rendition="#g">nicht</hi>. Der<lb/>
Mann hat ganz allein wie Macbeth fünf Akte ge&#x017F;pielt: <hi rendition="#g">&#x017F;eine</hi><lb/>
Zauber&#x017F;chwe&#x017F;tern kennt man noch nicht.</p><lb/>
            <p>Hier wurde mit Lärm und Ge&#x017F;chrei das Bulletin im Schau-<lb/>
&#x017F;piel abgele&#x017F;en. Der Ober&#x017F;tburggraf ließ gleich Liebich holen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0207] zu morgen ſchreiben. Künftig euch, liebe Kinder. Ich erliege. Adieu! R. R. Dienstag früh 8 Uhr. Nun gratulire ich dir und Allen, die wahren herzlichen Antheil an der Welt wahrem Wohl nehmen! Ich gönne un- ſerm König für ſeine Kränkungen, daß auch er eingezogen iſt, in das Herz des monſtruöſen Reichs, das alle andere in ſeiner holden leichten Glaubhaftigkeit zu verſchlucken und tre- ten zu können meinen mußte. Es muß jeder franzöſiſche Sol- dat, jeder Franzoſe wiſſen, daß man auch zu ihm kommen kann, das wird ſie höflich im Herzen machen; und uns den Kopf oben halten lehren für eine Zeit. Daß nur Einer ge- opfert wird, und auf den aller Haß gegoſſen, aus den vergall- ten Herzen der Menſchen, und daß man mit der lieben Nation ſich wieder befreundet, und ſie lieben darf, freut mich. Dann bitte ich zu Gott, und hoffe es auch, daß es gut ſei, was geſchieht!! Luſt mußten wir haben, das iſt ſchon ausgemacht! Das Größte ſchon jetzt, iſt mir das; daß Napoleon ſich zum Kaiſer machte; und nicht ruhte bis er’s nicht mehr war. Al- les er ſelbſt. Wer hätte ihn angetaſter! Man muß es nicht vergeſſen! Kaiſer- und Königstöchter hatte er. Eng- land hinter ſeinem Meere ſogar, unterſtützte noch vor weni- gen Monaten der Bourbons Proklamationen nicht. Der Mann hat ganz allein wie Macbeth fünf Akte geſpielt: ſeine Zauberſchweſtern kennt man noch nicht. Hier wurde mit Lärm und Geſchrei das Bulletin im Schau- ſpiel abgeleſen. Der Oberſtburggraf ließ gleich Liebich holen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/207
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/207>, abgerufen am 23.11.2024.