gangenheit ehren, (was ist der Mensch, ohne seine Geschichte? Produkt der Natur, und nichts Persönliches) und ein Phäno- men der Natur, in Unbesonnenheit, die sie edel, auch gegen sich selbst, genug übt; bei vielen leichten, lieben Eigenschaften.
-- Wundere dich nicht etwa, Ohme, wenn ich sage, meine Krankheit kostet dreihundert Thaler. Bedenke, Monate im Bette. Vier Wochen gehoben; wozu ich Menschen hal- ten mußte. -- Bedenke die Bäder, die Apotheke, den Arzt. Die tausend weggeschmissenen Mittel, Weine, Eßwaaren. Eine ganze Garderobe von Flanell habe ich mir anschaffen müs- sen. Mein Bettzeug, was ich mithabe, reißt. Meine Wäsche: ich konnte nie fünfzig oder vierzig Thaler nehmen, und mir welche kaufen; Aussteuer hatt' ich nie; und wenn es dich skandalisirte, mich äußerlich schlecht einhergehen zu sehen, so weißt du doch nicht wie es seit vielen Jahren mit der inn- ren Garderobe aussah: hier nun ging meine Leibwäsche ganz auseinander: und endlich hab' ich welche kaufen müssen. Wem sagt man dergleichen? Strümpfe mußt' ich auch ha- ben: jeden Gang muß ich bezahlen, und noch Gott danken, daß ich gefällige Leute im Hause habe: man durfte mich ja nicht allein lassen: erst seit gestern bin ich allein: und heute Nacht kommt Dore erst aus meinem Zimmer, nebenan. Denk dir die Strafe für mich, bis jetzt!!! Auf Federbetten lag ich auch. -- Und das Holz! Tag und Nacht mußte ge- heizt werden, wegen der Dinge, die warm vorhanden sein mußten, und weil es die Ärzte befahlen und ewig erinner- ten. Ich habe euch ja gar nichts erzählt! Das Zeug mußte mir ja vom Leibe geschnitten werden! Eine spanische Fliege
gangenheit ehren, (was iſt der Menſch, ohne ſeine Geſchichte? Produkt der Natur, und nichts Perſönliches) und ein Phäno- men der Natur, in Unbeſonnenheit, die ſie edel, auch gegen ſich ſelbſt, genug übt; bei vielen leichten, lieben Eigenſchaften.
— Wundere dich nicht etwa, Ohme, wenn ich ſage, meine Krankheit koſtet dreihundert Thaler. Bedenke, Monate im Bette. Vier Wochen gehoben; wozu ich Menſchen hal- ten mußte. — Bedenke die Bäder, die Apotheke, den Arzt. Die tauſend weggeſchmiſſenen Mittel, Weine, Eßwaaren. Eine ganze Garderobe von Flanell habe ich mir anſchaffen müſ- ſen. Mein Bettzeug, was ich mithabe, reißt. Meine Wäſche: ich konnte nie fünfzig oder vierzig Thaler nehmen, und mir welche kaufen; Ausſteuer hatt’ ich nie; und wenn es dich ſkandaliſirte, mich äußerlich ſchlecht einhergehen zu ſehen, ſo weißt du doch nicht wie es ſeit vielen Jahren mit der inn- ren Garderobe ausſah: hier nun ging meine Leibwäſche ganz auseinander: und endlich hab’ ich welche kaufen müſſen. Wem ſagt man dergleichen? Strümpfe mußt’ ich auch ha- ben: jeden Gang muß ich bezahlen, und noch Gott danken, daß ich gefällige Leute im Hauſe habe: man durfte mich ja nicht allein laſſen: erſt ſeit geſtern bin ich allein: und heute Nacht kommt Dore erſt aus meinem Zimmer, nebenan. Denk dir die Strafe für mich, bis jetzt!!! Auf Federbetten lag ich auch. — Und das Holz! Tag und Nacht mußte ge- heizt werden, wegen der Dinge, die warm vorhanden ſein mußten, und weil es die Ärzte befahlen und ewig erinner- ten. Ich habe euch ja gar nichts erzählt! Das Zeug mußte mir ja vom Leibe geſchnitten werden! Eine ſpaniſche Fliege
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gangenheit ehren, (was iſt der Menſch, ohne ſeine Geſchichte?
Produkt der Natur, und nichts Perſönliches) und ein Phäno-
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ſich ſelbſt, genug übt; bei vielen leichten, lieben Eigenſchaften.
— Wundere dich nicht etwa, Ohme, wenn ich ſage, meine
Krankheit koſtet dreihundert Thaler. Bedenke, Monate im
Bette. Vier Wochen gehoben; wozu ich Menſchen hal-
ten mußte. — Bedenke die Bäder, die Apotheke, den Arzt.
Die tauſend weggeſchmiſſenen Mittel, Weine, Eßwaaren. Eine
ganze Garderobe von Flanell habe ich mir anſchaffen müſ-
ſen. Mein Bettzeug, was ich mithabe, reißt. Meine Wäſche:
ich konnte nie fünfzig oder vierzig Thaler nehmen, und mir
welche kaufen; Ausſteuer hatt’ ich nie; und wenn es dich
ſkandaliſirte, mich äußerlich ſchlecht einhergehen zu ſehen, ſo
weißt du doch nicht wie es ſeit vielen Jahren mit der inn-
ren Garderobe ausſah: hier nun ging meine Leibwäſche ganz
auseinander: und endlich hab’ ich welche kaufen müſſen.
Wem ſagt man dergleichen? Strümpfe mußt’ ich auch ha-
ben: jeden Gang muß ich bezahlen, und noch Gott danken,
daß ich gefällige Leute im Hauſe habe: man durfte mich
ja nicht allein laſſen: erſt ſeit geſtern bin ich allein: und
heute Nacht kommt Dore erſt aus meinem Zimmer, nebenan.
Denk dir die Strafe für mich, bis jetzt!!! Auf Federbetten
lag ich auch. — Und das Holz! Tag und Nacht mußte ge-
heizt werden, wegen der Dinge, die warm vorhanden ſein
mußten, und weil es die Ärzte befahlen und ewig erinner-
ten. Ich habe euch ja gar nichts erzählt! Das Zeug mußte
mir ja vom Leibe geſchnitten werden! Eine ſpaniſche Fliege
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/205>, abgerufen am 24.11.2024.
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