Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ses Lebens, dieser Erde. Verzeihen Sie mir ja diesen Brief
wie er hier steht! Ich möchte um keinen Preis, was ich oben
von Ihnen zu fordern schien, -- und dachte schon so, als nur
die Züge aus meiner Feder waren, ja als ich sie noch machte --,
daß Sie mich schonten, für mich litten, schafften und mach-
ten: alsdann wären Sie ja auch Ambos; und dafür soll Gott
uns behüten. -- Ihnen aber die beiden Abende, Dienstag
und Mittwoch zu beschreiben, dazu bin ich zu schwach: zu
erschöpft endlich, zu irritirt; alles dies rein der Körper. Wie
es mit meiner Seele ist, weiß wenigstens ich nicht: die scheint
in der That von Unsterblichem gemacht zu sein. Hören Sie
aber von anderem, wenn es möglich ist dergleichen zu beschrei-
ben, auszudrücken, ja sich selbst anders, als unwillkürlich, zu
wiederholen. -- --



An Varnhagen, in Prag.

Ich habe zuletzt Clemens Brentano's Brief gelesen, also
fange ich von ihm an. Der Brief gefällt mir sehr, und ich
habe mich in ihm nicht geirrt. O! hätte ich doch ewig mei-
nen wahren Blick über Menschen befolgt, ewig dem Ausspruch
gefolgt, der mit so unumstößlicher Wahrheit mitten in meiner
Seele über jeden mir Vorkommenden zu mir herauftönen will.
Ich finde eine unaussprechliche Milde und Biegsamkeit in die-
sem Briefe: und ich muß dir wieder sagen, eine außerordent-
liche Ähnlichkeit mit mir darin. Auffallend, und sehr unver-

ſes Lebens, dieſer Erde. Verzeihen Sie mir ja dieſen Brief
wie er hier ſteht! Ich möchte um keinen Preis, was ich oben
von Ihnen zu fordern ſchien, — und dachte ſchon ſo, als nur
die Züge aus meiner Feder waren, ja als ich ſie noch machte —,
daß Sie mich ſchonten, für mich litten, ſchafften und mach-
ten: alsdann wären Sie ja auch Ambos; und dafür ſoll Gott
uns behüten. — Ihnen aber die beiden Abende, Dienstag
und Mittwoch zu beſchreiben, dazu bin ich zu ſchwach: zu
erſchöpft endlich, zu irritirt; alles dies rein der Körper. Wie
es mit meiner Seele iſt, weiß wenigſtens ich nicht: die ſcheint
in der That von Unſterblichem gemacht zu ſein. Hören Sie
aber von anderem, wenn es möglich iſt dergleichen zu beſchrei-
ben, auszudrücken, ja ſich ſelbſt anders, als unwillkürlich, zu
wiederholen. — —



An Varnhagen, in Prag.

Ich habe zuletzt Clemens Brentano’s Brief geleſen, alſo
fange ich von ihm an. Der Brief gefällt mir ſehr, und ich
habe mich in ihm nicht geirrt. O! hätte ich doch ewig mei-
nen wahren Blick über Menſchen befolgt, ewig dem Ausſpruch
gefolgt, der mit ſo unumſtößlicher Wahrheit mitten in meiner
Seele über jeden mir Vorkommenden zu mir herauftönen will.
Ich finde eine unausſprechliche Milde und Biegſamkeit in die-
ſem Briefe: und ich muß dir wieder ſagen, eine außerordent-
liche Ähnlichkeit mit mir darin. Auffallend, und ſehr unver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0015" n="7"/>
&#x017F;es Lebens, die&#x017F;er Erde. Verzeihen Sie mir ja die&#x017F;en Brief<lb/>
wie er hier &#x017F;teht! Ich möchte um keinen Preis, was ich oben<lb/>
von Ihnen zu fordern &#x017F;chien, &#x2014; und dachte &#x017F;chon &#x017F;o, als nur<lb/>
die Züge aus meiner Feder waren, ja als ich &#x017F;ie noch machte &#x2014;,<lb/>
daß Sie mich &#x017F;chonten, für mich litten, &#x017F;chafften und mach-<lb/>
ten: alsdann wären Sie ja auch Ambos; und dafür &#x017F;oll Gott<lb/>
uns behüten. &#x2014; Ihnen aber die beiden Abende, Dienstag<lb/>
und Mittwoch zu be&#x017F;chreiben, dazu bin ich zu &#x017F;chwach: zu<lb/>
er&#x017F;chöpft endlich, zu irritirt; alles dies rein der Körper. Wie<lb/>
es mit meiner Seele i&#x017F;t, weiß wenig&#x017F;tens ich nicht: die &#x017F;cheint<lb/>
in der That von Un&#x017F;terblichem gemacht zu &#x017F;ein. Hören Sie<lb/>
aber von anderem, wenn es möglich i&#x017F;t dergleichen zu be&#x017F;chrei-<lb/>
ben, auszudrücken, ja &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t anders, als unwillkürlich, zu<lb/>
wiederholen. &#x2014; &#x2014;</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Varnhagen, in Prag.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#right">Sonnabend den 11. Januar 1812. Mittags 3 Uhr.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Ich habe zuletzt Clemens Brentano&#x2019;s Brief gele&#x017F;en, al&#x017F;o<lb/>
fange ich von ihm an. Der Brief gefällt mir &#x017F;ehr, und ich<lb/>
habe mich in ihm nicht geirrt. O! hätte ich doch ewig mei-<lb/>
nen wahren Blick über Men&#x017F;chen befolgt, ewig dem Aus&#x017F;pruch<lb/>
gefolgt, der mit &#x017F;o unum&#x017F;tößlicher Wahrheit mitten in meiner<lb/>
Seele über jeden mir Vorkommenden zu mir herauftönen will.<lb/>
Ich finde eine unaus&#x017F;prechliche Milde und Bieg&#x017F;amkeit in die-<lb/>
&#x017F;em Briefe: und ich muß dir wieder &#x017F;agen, eine außerordent-<lb/>
liche Ähnlichkeit mit mir darin. Auffallend, und &#x017F;ehr unver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0015] ſes Lebens, dieſer Erde. Verzeihen Sie mir ja dieſen Brief wie er hier ſteht! Ich möchte um keinen Preis, was ich oben von Ihnen zu fordern ſchien, — und dachte ſchon ſo, als nur die Züge aus meiner Feder waren, ja als ich ſie noch machte —, daß Sie mich ſchonten, für mich litten, ſchafften und mach- ten: alsdann wären Sie ja auch Ambos; und dafür ſoll Gott uns behüten. — Ihnen aber die beiden Abende, Dienstag und Mittwoch zu beſchreiben, dazu bin ich zu ſchwach: zu erſchöpft endlich, zu irritirt; alles dies rein der Körper. Wie es mit meiner Seele iſt, weiß wenigſtens ich nicht: die ſcheint in der That von Unſterblichem gemacht zu ſein. Hören Sie aber von anderem, wenn es möglich iſt dergleichen zu beſchrei- ben, auszudrücken, ja ſich ſelbſt anders, als unwillkürlich, zu wiederholen. — — An Varnhagen, in Prag. Sonnabend den 11. Januar 1812. Mittags 3 Uhr. Ich habe zuletzt Clemens Brentano’s Brief geleſen, alſo fange ich von ihm an. Der Brief gefällt mir ſehr, und ich habe mich in ihm nicht geirrt. O! hätte ich doch ewig mei- nen wahren Blick über Menſchen befolgt, ewig dem Ausſpruch gefolgt, der mit ſo unumſtößlicher Wahrheit mitten in meiner Seele über jeden mir Vorkommenden zu mir herauftönen will. Ich finde eine unausſprechliche Milde und Biegſamkeit in die- ſem Briefe: und ich muß dir wieder ſagen, eine außerordent- liche Ähnlichkeit mit mir darin. Auffallend, und ſehr unver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/15
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/15>, abgerufen am 28.03.2024.