Freundschaft, Einsicht, Nachsicht, Gerechtigkeit, Treue, Ehrlich- keit, wahre Bildung. Geh! die Andern all geben nicht treu aus, wie ich: sehen nicht klar überall: können also nicht gerecht sein.
Ich scheue mich auch nicht, dir unaufhörlich von meinen Soldaten zu sprechen. So viel Jäger und Soldaten wie heute hier waren! und wie die sich freuen! und wie wohl- thätig unser ganzes Haus ist! Einen fieberkranken Preußen nimmt bei jedem Acceß ein Kaffeeschenk unten im Hause auf; ich kleide ihn heute warm. Kurz, mein ganzer Tag ist ein Fest des Gutes-thun. Mitten in dem Unglück ich solch ein Glück! -- Du weißt: ich liebe den Krieg nicht, als Beschluß: wer weiß, was er beschließt in der allgemeinen Verderbniß! -- Frei von Feinden, weiß ich, muß das Land sein; höheres, anderes sehe ich nicht in diesem Kriege: und gleich, als Alle rüsten halfen, dacht' ich: Sieg oder Schmach; Verletzte, Ver- wundete bringt er unfehlbar: denen hilf! Und so thue ich auch. Und Gott hat Großes an mir gethan; die sich Monate lang zwölf Thaler absparen mußte, wenn sie sie geben wollte: nun spende ich im fremden Lande, wo unsre Jugend, und unsere Soldaten verwundet dürftig sind, Hunderte! Dies bezahlt mir unsere Schmach von sonst -- Tilsit -- meine gränzenlose jetzige Angst, die du gesehen, und vieles Übel und persönliches Leid, Ich bin von Gott nach Augustenburg gesandt, denk' ich. Adieu für heute, es wird dunkel. Morgen noch ein Wort. Ich umarme dich! In diesem Augenblick geschieht dir gewiß nichts! --
Freundſchaft, Einſicht, Nachſicht, Gerechtigkeit, Treue, Ehrlich- keit, wahre Bildung. Geh! die Andern all geben nicht treu aus, wie ich: ſehen nicht klar überall: können alſo nicht gerecht ſein.
Ich ſcheue mich auch nicht, dir unaufhörlich von meinen Soldaten zu ſprechen. So viel Jäger und Soldaten wie heute hier waren! und wie die ſich freuen! und wie wohl- thätig unſer ganzes Haus iſt! Einen fieberkranken Preußen nimmt bei jedem Acceß ein Kaffeeſchenk unten im Hauſe auf; ich kleide ihn heute warm. Kurz, mein ganzer Tag iſt ein Feſt des Gutes-thun. Mitten in dem Unglück ich ſolch ein Glück! — Du weißt: ich liebe den Krieg nicht, als Beſchluß: wer weiß, was er beſchließt in der allgemeinen Verderbniß! — Frei von Feinden, weiß ich, muß das Land ſein; höheres, anderes ſehe ich nicht in dieſem Kriege: und gleich, als Alle rüſten halfen, dacht’ ich: Sieg oder Schmach; Verletzte, Ver- wundete bringt er unfehlbar: denen hilf! Und ſo thue ich auch. Und Gott hat Großes an mir gethan; die ſich Monate lang zwölf Thaler abſparen mußte, wenn ſie ſie geben wollte: nun ſpende ich im fremden Lande, wo unſre Jugend, und unſere Soldaten verwundet dürftig ſind, Hunderte! Dies bezahlt mir unſere Schmach von ſonſt — Tilſit — meine gränzenloſe jetzige Angſt, die du geſehen, und vieles Übel und perſönliches Leid, Ich bin von Gott nach Auguſtenburg geſandt, denk’ ich. Adieu für heute, es wird dunkel. Morgen noch ein Wort. Ich umarme dich! In dieſem Augenblick geſchieht dir gewiß nichts! —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0144"n="136"/>
Freundſchaft, Einſicht, Nachſicht, Gerechtigkeit, Treue, Ehrlich-<lb/>
keit, wahre Bildung. Geh! die Andern all geben nicht treu<lb/>
aus, wie ich: ſehen nicht klar überall: <hirendition="#g">können</hi> alſo nicht<lb/>
gerecht ſein.</p><lb/><p>Ich ſcheue mich auch nicht, dir unaufhörlich von meinen<lb/>
Soldaten zu ſprechen. <hirendition="#g">So</hi> viel Jäger und Soldaten wie<lb/><hirendition="#g">heute</hi> hier waren! und wie die ſich freuen! und wie wohl-<lb/>
thätig unſer ganzes Haus iſt! Einen fieberkranken Preußen<lb/>
nimmt bei jedem Acceß ein Kaffeeſchenk unten im Hauſe auf;<lb/>
ich kleide ihn heute warm. Kurz, mein ganzer Tag iſt <hirendition="#g">ein</hi><lb/>
Feſt des Gutes-thun. Mitten in dem Unglück ich ſolch ein<lb/>
Glück! — Du weißt: ich liebe den Krieg nicht, als Beſchluß:<lb/>
wer weiß, was er beſchließt in der allgemeinen Verderbniß!<lb/>— Frei von Feinden, weiß ich, muß das Land ſein; höheres,<lb/>
anderes ſehe ich nicht in dieſem Kriege: und gleich, als Alle<lb/><hirendition="#g">rüſten</hi> halfen, dacht’ ich: Sieg oder Schmach; Verletzte, Ver-<lb/>
wundete bringt er unfehlbar: denen hilf! Und ſo thue ich auch.<lb/>
Und Gott hat Großes an mir gethan; die ſich Monate lang<lb/>
zwölf Thaler abſparen mußte, wenn ſie ſie geben wollte: nun<lb/>ſpende ich im fremden Lande, wo unſre Jugend, und unſere<lb/>
Soldaten verwundet dürftig ſind, Hunderte! Dies bezahlt mir<lb/>
unſere Schmach von <hirendition="#g">ſonſt</hi>— Tilſit — meine gränze<hirendition="#g">nloſe</hi><lb/>
jetzige Angſt, die du geſehen, und vieles Übel und perſönliches<lb/>
Leid, Ich bin von <hirendition="#g">Gott</hi> nach Auguſtenburg geſandt, denk’<lb/>
ich. Adieu für heute, es wird dunkel. Morgen noch ein<lb/>
Wort. Ich umarme dich! In dieſem Augenblick geſchieht dir<lb/>
gewiß nichts! —</p></div><lb/></div></div></body></text></TEI>
[136/0144]
Freundſchaft, Einſicht, Nachſicht, Gerechtigkeit, Treue, Ehrlich-
keit, wahre Bildung. Geh! die Andern all geben nicht treu
aus, wie ich: ſehen nicht klar überall: können alſo nicht
gerecht ſein.
Ich ſcheue mich auch nicht, dir unaufhörlich von meinen
Soldaten zu ſprechen. So viel Jäger und Soldaten wie
heute hier waren! und wie die ſich freuen! und wie wohl-
thätig unſer ganzes Haus iſt! Einen fieberkranken Preußen
nimmt bei jedem Acceß ein Kaffeeſchenk unten im Hauſe auf;
ich kleide ihn heute warm. Kurz, mein ganzer Tag iſt ein
Feſt des Gutes-thun. Mitten in dem Unglück ich ſolch ein
Glück! — Du weißt: ich liebe den Krieg nicht, als Beſchluß:
wer weiß, was er beſchließt in der allgemeinen Verderbniß!
— Frei von Feinden, weiß ich, muß das Land ſein; höheres,
anderes ſehe ich nicht in dieſem Kriege: und gleich, als Alle
rüſten halfen, dacht’ ich: Sieg oder Schmach; Verletzte, Ver-
wundete bringt er unfehlbar: denen hilf! Und ſo thue ich auch.
Und Gott hat Großes an mir gethan; die ſich Monate lang
zwölf Thaler abſparen mußte, wenn ſie ſie geben wollte: nun
ſpende ich im fremden Lande, wo unſre Jugend, und unſere
Soldaten verwundet dürftig ſind, Hunderte! Dies bezahlt mir
unſere Schmach von ſonſt — Tilſit — meine gränzenloſe
jetzige Angſt, die du geſehen, und vieles Übel und perſönliches
Leid, Ich bin von Gott nach Auguſtenburg geſandt, denk’
ich. Adieu für heute, es wird dunkel. Morgen noch ein
Wort. Ich umarme dich! In dieſem Augenblick geſchieht dir
gewiß nichts! —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/144>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.