mehr als er zeigt; er ist alle Tage mit uns, bringt seine Zeit bei Marwitz und uns zu, equipirt sich nur hier, und geht zur preußischen Armee, wo er Dienste hat im zweiten westpreußi- schen Regiment. Vielleicht -- wir arbeiten dran -- kommt er noch in deines Obristen -- gewesenen -- deutsche Legion, die der hier errichtet; wir erwarten ihn jeden Augenblick. Du kannst dir unser Glück denken: da er schön im Feuer war, und selbst eine Standarte bei Kulm genommen hat. Er ist sehr in Gnaden, und wohl schon in diesem Augenblick Gene- ral. Sieh ich ennuyire mich so, dies alles zu schreiben, weil ich es in der ersten Efferveszenz schon so oft nach allen Rich- tungen hin schrieb. Sei also zufrieden, mein guter geliebter August! du mußt oft gefühlt haben, wer an dich denkt, dich liebt, schmeichelt und tröstet! Könnten wir wohl diesen Krieg gewinnen? und in Ruhe uns sehen! Alle hoffen; ich fürchte noch; und denke, Napoleon muß noch etwas Außerordent- liches thun.
Freilich hatte ich auch hier große Angst, und Qualen aller Art: doch, kann ich bei Augusten wohnen bleiben, und der Feind erlaubt's, so bleib' ich den Winter hier. Wo soll ich hin? Zu Hause mag ich nicht, da habe ich die Qualen mit einem Quartier und Einquartierung, und keinen Genuß; weil ich mir das Einzige, ein chez moi, erst bilden und an- quälen muß, ohne Mittel. In Breslau nur Unbehagen und schlechte Familienverhältnisse. Also bleibe ich, erlaubt's Na- poleon, -- bis du mich holen kannst!!! Moritz ist mit Frau und Kind in Posen. Markus noch in Breslau; -- er schreibt mir gestern, er sei mit dem Onkel sehr zufrieden: also be-
mehr als er zeigt; er iſt alle Tage mit uns, bringt ſeine Zeit bei Marwitz und uns zu, equipirt ſich nur hier, und geht zur preußiſchen Armee, wo er Dienſte hat im zweiten weſtpreußi- ſchen Regiment. Vielleicht — wir arbeiten dran — kommt er noch in deines Obriſten — geweſenen — deutſche Legion, die der hier errichtet; wir erwarten ihn jeden Augenblick. Du kannſt dir unſer Glück denken: da er ſchön im Feuer war, und ſelbſt eine Standarte bei Kulm genommen hat. Er iſt ſehr in Gnaden, und wohl ſchon in dieſem Augenblick Gene- ral. Sieh ich ennuyire mich ſo, dies alles zu ſchreiben, weil ich es in der erſten Efferveszenz ſchon ſo oft nach allen Rich- tungen hin ſchrieb. Sei alſo zufrieden, mein guter geliebter Auguſt! du mußt oft gefühlt haben, wer an dich denkt, dich liebt, ſchmeichelt und tröſtet! Könnten wir wohl dieſen Krieg gewinnen? und in Ruhe uns ſehen! Alle hoffen; ich fürchte noch; und denke, Napoleon muß noch etwas Außerordent- liches thun.
Freilich hatte ich auch hier große Angſt, und Qualen aller Art: doch, kann ich bei Auguſten wohnen bleiben, und der Feind erlaubt’s, ſo bleib’ ich den Winter hier. Wo ſoll ich hin? Zu Hauſe mag ich nicht, da habe ich die Qualen mit einem Quartier und Einquartierung, und keinen Genuß; weil ich mir das Einzige, ein chez moi, erſt bilden und an- quälen muß, ohne Mittel. In Breslau nur Unbehagen und ſchlechte Familienverhältniſſe. Alſo bleibe ich, erlaubt’s Na- poleon, — bis du mich holen kannſt!!! Moritz iſt mit Frau und Kind in Poſen. Markus noch in Breslau; — er ſchreibt mir geſtern, er ſei mit dem Onkel ſehr zufrieden: alſo be-
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mehr als er zeigt; er iſt alle Tage mit uns, bringt ſeine Zeit
bei Marwitz und uns zu, equipirt ſich nur hier, und geht zur
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ſchen Regiment. Vielleicht — wir arbeiten dran — kommt
er noch in deines Obriſten — geweſenen — deutſche Legion,
die der hier errichtet; wir erwarten ihn jeden Augenblick. Du
kannſt dir unſer Glück denken: da er ſchön im Feuer war,
und ſelbſt eine Standarte bei Kulm genommen hat. Er iſt
ſehr in Gnaden, und wohl ſchon in dieſem Augenblick Gene-
ral. Sieh ich ennuyire mich ſo, dies alles zu ſchreiben, weil
ich es in der erſten Efferveszenz ſchon ſo oft nach allen Rich-
tungen hin ſchrieb. Sei alſo zufrieden, mein guter geliebter
Auguſt! du mußt oft gefühlt haben, wer an dich denkt, dich
liebt, ſchmeichelt und tröſtet! Könnten wir wohl dieſen Krieg
gewinnen? und in Ruhe uns ſehen! Alle hoffen; ich fürchte
noch; und denke, Napoleon muß noch etwas Außerordent-
liches thun.
Freilich hatte ich auch hier große Angſt, und Qualen
aller Art: doch, kann ich bei Auguſten wohnen bleiben, und
der Feind erlaubt’s, ſo bleib’ ich den Winter hier. Wo ſoll
ich hin? Zu Hauſe mag ich nicht, da habe ich die Qualen
mit einem Quartier und Einquartierung, und keinen Genuß;
weil ich mir das Einzige, ein chez moi, erſt bilden und an-
quälen muß, ohne Mittel. In Breslau nur Unbehagen und
ſchlechte Familienverhältniſſe. Alſo bleibe ich, erlaubt’s Na-
poleon, — bis du mich holen kannſt!!! Moritz iſt mit Frau
und Kind in Poſen. Markus noch in Breslau; — er ſchreibt
mir geſtern, er ſei mit dem Onkel ſehr zufrieden: alſo be-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/133>, abgerufen am 28.11.2024.
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