ist, weiß man) ist, -- wird Klugheit, Betragen genannt; und wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben sie eine eigne Phraseologie im Reden, wie in den Depeschen; -- in Deutschland ein Diplomaten-Französisch, welches sich fort- erbt, und ich vor sechszehn, achtzehn Jahren schon hörte; aber kein Franzose mehr spricht. Das hält so äußerlich, wie die Equipagen und Manschetten, zusammen; und Ein Willen in der Welt, oder aufgehäufte Noth, trümmert all den Lug zusammen; der Gräuel spricht sich aus gräßlichen, wirklichen Wunden hervor; Krieg überschüttet Europa; aber wer ist ge- sichert? -- Diese Kerle mit Manschetten! Und dies wissen sie, sonst nichts. Glaube es; es ist nicht zu grell, was ich sage; der lebendige Satan sollt' es ihnen zeigen. Denn sie verletzen alles; die Gesellschaft im Großen; und jedes Herz im Ein- zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden; wie jetzt: daß Prozesse viel kosten, Advokaten davon reich werden: im Krieg geplündert wird u. s. w. Glaub' es: es kommt zur Sprache. Ein genialer Regent kann es machen: plötzlich. --
Lieber August, wo bist du! Ach soll ich mich beklagen, da es so in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott kann uns schützen. Hoffst du? denkst du, daß wir uns im Frieden sehen? Nur keinen schrecklichen Tod, und alles wie Gott will. Ich bin manchmal ruhig. --
Den 3. September.
Morgens im Bette! Lieber theurer August, gestern brachte mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. August aus Boi- tzenburg nach der Färberinsel, wo ich um nichts von Wunden
iſt, weiß man) iſt, — wird Klugheit, Betragen genannt; und wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben ſie eine eigne Phraſeologie im Reden, wie in den Depeſchen; — in Deutſchland ein Diplomaten-Franzöſiſch, welches ſich fort- erbt, und ich vor ſechszehn, achtzehn Jahren ſchon hörte; aber kein Franzoſe mehr ſpricht. Das hält ſo äußerlich, wie die Equipagen und Manſchetten, zuſammen; und Ein Willen in der Welt, oder aufgehäufte Noth, trümmert all den Lug zuſammen; der Gräuel ſpricht ſich aus gräßlichen, wirklichen Wunden hervor; Krieg überſchüttet Europa; aber wer iſt ge- ſichert? — Dieſe Kerle mit Manſchetten! Und dies wiſſen ſie, ſonſt nichts. Glaube es; es iſt nicht zu grell, was ich ſage; der lebendige Satan ſollt’ es ihnen zeigen. Denn ſie verletzen alles; die Geſellſchaft im Großen; und jedes Herz im Ein- zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden; wie jetzt: daß Prozeſſe viel koſten, Advokaten davon reich werden: im Krieg geplündert wird u. ſ. w. Glaub’ es: es kommt zur Sprache. Ein genialer Regent kann es machen: plötzlich. —
Lieber Auguſt, wo biſt du! Ach ſoll ich mich beklagen, da es ſo in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott kann uns ſchützen. Hoffſt du? denkſt du, daß wir uns im Frieden ſehen? Nur keinen ſchrecklichen Tod, und alles wie Gott will. Ich bin manchmal ruhig. —
Den 3. September.
Morgens im Bette! Lieber theurer Auguſt, geſtern brachte mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. Auguſt aus Boi- tzenburg nach der Färberinſel, wo ich um nichts von Wunden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0126"n="118"/>
iſt, weiß man) iſt, — wird Klugheit, Betragen genannt; und<lb/>
wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben<lb/>ſie eine eigne Phraſeologie im Reden, wie in den Depeſchen; —<lb/>
in Deutſchland ein Diplomaten-Franzöſiſch, welches ſich fort-<lb/>
erbt, und ich vor ſechszehn, achtzehn Jahren ſchon hörte; aber<lb/>
kein Franzoſe mehr ſpricht. Das hält ſo äußerlich, wie die<lb/>
Equipagen und Manſchetten, zuſammen; und Ein Willen in<lb/>
der Welt, oder <hirendition="#g">aufgehäufte</hi> Noth, trümmert all den Lug<lb/>
zuſammen; der Gräuel ſpricht ſich aus gräßlichen, wirklichen<lb/><hirendition="#g">Wunden</hi> hervor; Krieg überſchüttet Europa; aber wer iſt ge-<lb/>ſichert? — Dieſe Kerle mit Manſchetten! Und <hirendition="#g">dies</hi> wiſſen ſie,<lb/>ſonſt nichts. Glaube es; es iſt nicht zu grell, was ich ſage;<lb/>
der lebendige Satan ſollt’ es ihnen zeigen. Denn ſie verletzen<lb/><hirendition="#g">alles</hi>; die Geſellſchaft im Großen; und jedes Herz im Ein-<lb/>
zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden;<lb/>
wie jetzt: daß Prozeſſe viel koſten, Advokaten davon reich<lb/>
werden: im Krieg geplündert wird u. ſ. w. Glaub’ es: es<lb/>
kommt zur Sprache. <hirendition="#g">Ein</hi> genialer Regent kann es machen:<lb/>
plötzlich. —</p><lb/><p>Lieber Auguſt, wo biſt du! Ach ſoll ich mich beklagen,<lb/>
da es <hirendition="#g">ſo</hi> in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott<lb/>
kann uns ſchützen. <hirendition="#g">Hoffſt</hi> du? denkſt du, daß wir uns im<lb/>
Frieden ſehen? Nur keinen ſchrecklichen Tod, und alles wie<lb/>
Gott will. Ich bin manchmal ruhig. —</p></div><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Den 3. September.</hi></dateline><lb/><p>Morgens im Bette! Lieber theurer Auguſt, geſtern brachte<lb/>
mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. Auguſt aus Boi-<lb/>
tzenburg nach der Färberinſel, wo ich um nichts von Wunden<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[118/0126]
iſt, weiß man) iſt, — wird Klugheit, Betragen genannt; und
wird eine wahre Verhärtung der Seelenorgane. So haben
ſie eine eigne Phraſeologie im Reden, wie in den Depeſchen; —
in Deutſchland ein Diplomaten-Franzöſiſch, welches ſich fort-
erbt, und ich vor ſechszehn, achtzehn Jahren ſchon hörte; aber
kein Franzoſe mehr ſpricht. Das hält ſo äußerlich, wie die
Equipagen und Manſchetten, zuſammen; und Ein Willen in
der Welt, oder aufgehäufte Noth, trümmert all den Lug
zuſammen; der Gräuel ſpricht ſich aus gräßlichen, wirklichen
Wunden hervor; Krieg überſchüttet Europa; aber wer iſt ge-
ſichert? — Dieſe Kerle mit Manſchetten! Und dies wiſſen ſie,
ſonſt nichts. Glaube es; es iſt nicht zu grell, was ich ſage;
der lebendige Satan ſollt’ es ihnen zeigen. Denn ſie verletzen
alles; die Geſellſchaft im Großen; und jedes Herz im Ein-
zelnen. Dies wird einmal von der Welt gewußt werden;
wie jetzt: daß Prozeſſe viel koſten, Advokaten davon reich
werden: im Krieg geplündert wird u. ſ. w. Glaub’ es: es
kommt zur Sprache. Ein genialer Regent kann es machen:
plötzlich. —
Lieber Auguſt, wo biſt du! Ach ſoll ich mich beklagen,
da es ſo in der Welt hergeht? Lebe wohl! Gott, nur Gott
kann uns ſchützen. Hoffſt du? denkſt du, daß wir uns im
Frieden ſehen? Nur keinen ſchrecklichen Tod, und alles wie
Gott will. Ich bin manchmal ruhig. —
Den 3. September.
Morgens im Bette! Lieber theurer Auguſt, geſtern brachte
mir Dore im Triumph deinen Brief vom 13. Auguſt aus Boi-
tzenburg nach der Färberinſel, wo ich um nichts von Wunden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/126>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.