Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Scenen könnt ihr euch denken. Ich habe schon das Glück
gehabt, drei anständigen Preußen ganz wieder zur Existenz
zu helfen: und viele Gemeine gelindert. Gestern bringt mir
Tieck einen Enkel des Staatsraths Albrecht aus Berlin, der
hier krank war, nichts hat: und fort will und muß; dem
schieße ich vor -- aus meiner Kasse -- und er giebt mir in-
liegende Anweisung an diesen Großvater, die ich dich zu be-
sorgen und mir den Inhalt zu spediren bitte, weil ich's auch
ferner für Andre brauche! Als ich eben gestern um 4 mit Tieck
und dem jungen Jäger verhandle, rechne, zahle etc., geht meine
Thüre auf, und Marwitz steht vor mir! den Arm in einer
Binde: etwas mager, übrigens wohl. Acht Wunden hat er.
Bei Koßwig unweit Dessau wurde ihm das Pferd todtgeschos-
sen: es fiel ihm auf einen Schenkel, er konnte nicht hervor:
seine Truppe zog aus: Polen fielen über ihn, stachen ihn mit
der Lanze, schlugen ihn mit Kolben, daß ihm der Degen ent-
sank; hieben ihm auf den Kopf eine große Wunde; drei in
den rechten Arm, und noch dergleichen; ein polnischer Obrist-
lieutenant rettete ihn -- Skrzynecki, dem thue man Gutes,
wo er zu finden ist -- rettete ihn da hervor, bot ihm seine
Börse an: gefangen war er aber; so führte man ihn nach
Wittenberg, wo er immer eingesperrt mit achtzig auf's abscheu-
lichste war, auch in Leipzig, und so herum; er hatte kein Eh-
renwort gegeben: und entkam nach langen Avantüren im
großen Regen damals in der Nacht. Deutsche halfen ihm:
so kam er durch ein Stück Baiern, das Weimarische, und
Sachsen, gestern hier an: steigt im Erzherzog Karl ab, und
kommt zu mir. Wohnt auch wieder bei Rahlchen, denn Frau

Scenen könnt ihr euch denken. Ich habe ſchon das Glück
gehabt, drei anſtändigen Preußen ganz wieder zur Exiſtenz
zu helfen: und viele Gemeine gelindert. Geſtern bringt mir
Tieck einen Enkel des Staatsraths Albrecht aus Berlin, der
hier krank war, nichts hat: und fort will und muß; dem
ſchieße ich vor — aus meiner Kaſſe — und er giebt mir in-
liegende Anweiſung an dieſen Großvater, die ich dich zu be-
ſorgen und mir den Inhalt zu ſpediren bitte, weil ich’s auch
ferner für Andre brauche! Als ich eben geſtern um 4 mit Tieck
und dem jungen Jäger verhandle, rechne, zahle ꝛc., geht meine
Thüre auf, und Marwitz ſteht vor mir! den Arm in einer
Binde: etwas mager, übrigens wohl. Acht Wunden hat er.
Bei Koßwig unweit Deſſau wurde ihm das Pferd todtgeſchoſ-
ſen: es fiel ihm auf einen Schenkel, er konnte nicht hervor:
ſeine Truppe zog aus: Polen fielen über ihn, ſtachen ihn mit
der Lanze, ſchlugen ihn mit Kolben, daß ihm der Degen ent-
ſank; hieben ihm auf den Kopf eine große Wunde; drei in
den rechten Arm, und noch dergleichen; ein polniſcher Obriſt-
lieutenant rettete ihn — Skrzynecki, dem thue man Gutes,
wo er zu finden iſt — rettete ihn da hervor, bot ihm ſeine
Börſe an: gefangen war er aber; ſo führte man ihn nach
Wittenberg, wo er immer eingeſperrt mit achtzig auf’s abſcheu-
lichſte war, auch in Leipzig, und ſo herum; er hatte kein Eh-
renwort gegeben: und entkam nach langen Avantüren im
großen Regen damals in der Nacht. Deutſche halfen ihm:
ſo kam er durch ein Stück Baiern, das Weimariſche, und
Sachſen, geſtern hier an: ſteigt im Erzherzog Karl ab, und
kommt zu mir. Wohnt auch wieder bei Rahlchen, denn Frau

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="111"/>
Scenen könnt ihr euch denken. Ich habe &#x017F;chon das Glück<lb/>
gehabt, drei an&#x017F;tändigen Preußen <hi rendition="#g">ganz</hi> wieder zur Exi&#x017F;tenz<lb/>
zu helfen: und <hi rendition="#g">viele</hi> Gemeine gelindert. Ge&#x017F;tern bringt mir<lb/>
Tieck einen Enkel des Staatsraths Albrecht aus Berlin, der<lb/>
hier krank war, nichts hat: und fort will und muß; dem<lb/>
&#x017F;chieße ich vor &#x2014; aus meiner Ka&#x017F;&#x017F;e &#x2014; und er giebt mir in-<lb/>
liegende Anwei&#x017F;ung an die&#x017F;en Großvater, die ich dich zu be-<lb/>
&#x017F;orgen und mir den Inhalt zu &#x017F;pediren bitte, weil ich&#x2019;s auch<lb/>
ferner für Andre brauche! Als ich eben ge&#x017F;tern um 4 mit Tieck<lb/>
und dem jungen Jäger verhandle, rechne, zahle &#xA75B;c., geht meine<lb/>
Thüre auf, und Marwitz &#x017F;teht vor mir! den Arm in einer<lb/>
Binde: etwas mager, übrigens wohl. Acht Wunden hat er.<lb/>
Bei Koßwig unweit De&#x017F;&#x017F;au wurde ihm das Pferd todtge&#x017F;cho&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en: es fiel ihm auf einen Schenkel, er konnte nicht hervor:<lb/>
&#x017F;eine Truppe zog aus: Polen fielen über ihn, &#x017F;tachen ihn mit<lb/>
der Lanze, &#x017F;chlugen ihn mit Kolben, daß ihm der Degen ent-<lb/>
&#x017F;ank; hieben ihm auf den Kopf eine große Wunde; drei in<lb/>
den rechten Arm, und noch dergleichen; ein polni&#x017F;cher Obri&#x017F;t-<lb/>
lieutenant rettete ihn &#x2014; Skrzynecki, dem thue man Gutes,<lb/>
wo er zu finden i&#x017F;t &#x2014; rettete ihn da hervor, bot ihm &#x017F;eine<lb/>
Bör&#x017F;e an: gefangen war er aber; &#x017F;o führte man ihn nach<lb/>
Wittenberg, wo er immer einge&#x017F;perrt mit achtzig auf&#x2019;s ab&#x017F;cheu-<lb/>
lich&#x017F;te war, auch in Leipzig, und &#x017F;o herum; er hatte kein Eh-<lb/>
renwort gegeben: und entkam nach langen Avantüren im<lb/>
großen Regen damals in der Nacht. Deut&#x017F;che halfen ihm:<lb/>
&#x017F;o kam er durch ein Stück Baiern, das Weimari&#x017F;che, und<lb/>
Sach&#x017F;en, ge&#x017F;tern hier an: &#x017F;teigt im Erzherzog Karl ab, und<lb/>
kommt zu mir. Wohnt auch wieder bei Rahlchen, denn Frau<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0119] Scenen könnt ihr euch denken. Ich habe ſchon das Glück gehabt, drei anſtändigen Preußen ganz wieder zur Exiſtenz zu helfen: und viele Gemeine gelindert. Geſtern bringt mir Tieck einen Enkel des Staatsraths Albrecht aus Berlin, der hier krank war, nichts hat: und fort will und muß; dem ſchieße ich vor — aus meiner Kaſſe — und er giebt mir in- liegende Anweiſung an dieſen Großvater, die ich dich zu be- ſorgen und mir den Inhalt zu ſpediren bitte, weil ich’s auch ferner für Andre brauche! Als ich eben geſtern um 4 mit Tieck und dem jungen Jäger verhandle, rechne, zahle ꝛc., geht meine Thüre auf, und Marwitz ſteht vor mir! den Arm in einer Binde: etwas mager, übrigens wohl. Acht Wunden hat er. Bei Koßwig unweit Deſſau wurde ihm das Pferd todtgeſchoſ- ſen: es fiel ihm auf einen Schenkel, er konnte nicht hervor: ſeine Truppe zog aus: Polen fielen über ihn, ſtachen ihn mit der Lanze, ſchlugen ihn mit Kolben, daß ihm der Degen ent- ſank; hieben ihm auf den Kopf eine große Wunde; drei in den rechten Arm, und noch dergleichen; ein polniſcher Obriſt- lieutenant rettete ihn — Skrzynecki, dem thue man Gutes, wo er zu finden iſt — rettete ihn da hervor, bot ihm ſeine Börſe an: gefangen war er aber; ſo führte man ihn nach Wittenberg, wo er immer eingeſperrt mit achtzig auf’s abſcheu- lichſte war, auch in Leipzig, und ſo herum; er hatte kein Eh- renwort gegeben: und entkam nach langen Avantüren im großen Regen damals in der Nacht. Deutſche halfen ihm: ſo kam er durch ein Stück Baiern, das Weimariſche, und Sachſen, geſtern hier an: ſteigt im Erzherzog Karl ab, und kommt zu mir. Wohnt auch wieder bei Rahlchen, denn Frau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/119
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/119>, abgerufen am 05.12.2024.