meinem auf ewig beruhigten See, in meinem Herzen noch möglich sind! Es sind auch nicht Schmerzen: ein Wogen, das Wogen eines Weltmeers; worüber, man sieht es, man nie Herr wird. Ich seh's, die Natur ist unendlich! und immer anders unendlich, als der gewitzigste, bescheidenste Geist es sich zu denken vermag. Was soll mir die Zeit ersetzen; diese Zeit? Und doch glaub' ich das Umnögliche, das Unbegreif- liche: Gott kann sie mir ersetzen. Ich nehme ein Jenes-Leben darum an; -- mein tiefster Ernst, den ich auszusprechen er- bebe. Ich scherzte nicht gestern, als ich in der Menschen Ge- genwart sagte: Gott müsse eine große Ursache zu unserer Tren- nung haben. Sie, Gentz, fühlen dies alles nicht so, sind da- von nicht so überzeugt: und ich weiß auch ganz, wie ich Ih- nen erscheine: Sie lieben mich nur, diesen Brief, und alle meine Briefe, wie Sie den entzückten Tasso liebten, begegne- ten Sie ihm in jenen Gärten gekrönt. "Ich bin entzückt," sagt er, mit seiner irren Krone: und sieht rein. Ihnen ging es äußerlich besser in der langen Zeit, und mit nennbareren Maßen waren Sie beschäftigt, hatten Sie zu thun. Aber unsere Trennung war doch eben solch Unglück für Sie, als für mich: ewig wird mir diese Überzeugung bleiben; und nur mit diesem Bewußtsein enden; Sie können sie nur bekommen mit jedem Tage, den ich bei Ihnen lebte! zusammen mit Ih- nen erlebte. Können Sie sich den Wahnsinn von Unmuth, Schreck, und sich für die Ewigkeit aufwindender -- wie Schlan- genthiere -- Verzweiflung, über meinen Stand, über meine Lage denken, die mich daran verhindern? Nein. Glauben Sie, daß ich noch irgend eine Ambition habe, als die mir zu
meinem auf ewig beruhigten See, in meinem Herzen noch möglich ſind! Es ſind auch nicht Schmerzen: ein Wogen, das Wogen eines Weltmeers; worüber, man ſieht es, man nie Herr wird. Ich ſeh’s, die Natur iſt unendlich! und immer anders unendlich, als der gewitzigſte, beſcheidenſte Geiſt es ſich zu denken vermag. Was ſoll mir die Zeit erſetzen; dieſe Zeit? Und doch glaub’ ich das Umnögliche, das Unbegreif- liche: Gott kann ſie mir erſetzen. Ich nehme ein Jenes-Leben darum an; — mein tiefſter Ernſt, den ich auszuſprechen er- bebe. Ich ſcherzte nicht geſtern, als ich in der Menſchen Ge- genwart ſagte: Gott müſſe eine große Urſache zu unſerer Tren- nung haben. Sie, Gentz, fühlen dies alles nicht ſo, ſind da- von nicht ſo überzeugt: und ich weiß auch ganz, wie ich Ih- nen erſcheine: Sie lieben mich nur, dieſen Brief, und alle meine Briefe, wie Sie den entzückten Taſſo liebten, begegne- ten Sie ihm in jenen Gärten gekrönt. „Ich bin entzückt,“ ſagt er, mit ſeiner irren Krone: und ſieht rein. Ihnen ging es äußerlich beſſer in der langen Zeit, und mit nennbareren Maßen waren Sie beſchäftigt, hatten Sie zu thun. Aber unſere Trennung war doch eben ſolch Unglück für Sie, als für mich: ewig wird mir dieſe Überzeugung bleiben; und nur mit dieſem Bewußtſein enden; Sie können ſie nur bekommen mit jedem Tage, den ich bei Ihnen lebte! zuſammen mit Ih- nen erlebte. Können Sie ſich den Wahnſinn von Unmuth, Schreck, und ſich für die Ewigkeit aufwindender — wie Schlan- genthiere — Verzweiflung, über meinen Stand, über meine Lage denken, die mich daran verhindern? Nein. Glauben Sie, daß ich noch irgend eine Ambition habe, als die mir zu
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meinem auf ewig beruhigten See, in meinem Herzen noch
möglich ſind! Es ſind auch nicht Schmerzen: ein Wogen,
das Wogen eines Weltmeers; worüber, man ſieht es, man
nie Herr wird. Ich ſeh’s, die Natur iſt unendlich! und immer
anders unendlich, als der gewitzigſte, beſcheidenſte Geiſt es ſich
zu denken vermag. Was ſoll mir die Zeit erſetzen; dieſe
Zeit? Und doch glaub’ ich das Umnögliche, das Unbegreif-
liche: Gott kann ſie mir erſetzen. Ich nehme ein Jenes-Leben
darum an; — mein tiefſter Ernſt, den ich auszuſprechen er-
bebe. Ich ſcherzte nicht geſtern, als ich in der Menſchen Ge-
genwart ſagte: Gott müſſe eine große Urſache zu unſerer Tren-
nung haben. Sie, Gentz, fühlen dies alles nicht ſo, ſind da-
von nicht ſo überzeugt: und ich weiß auch ganz, wie ich Ih-
nen erſcheine: Sie lieben mich nur, dieſen Brief, und alle
meine Briefe, wie Sie den entzückten Taſſo liebten, begegne-
ten Sie ihm in jenen Gärten gekrönt. „Ich bin entzückt,“
ſagt er, mit ſeiner irren Krone: und ſieht rein. Ihnen ging
es äußerlich beſſer in der langen Zeit, und mit nennbareren
Maßen waren Sie beſchäftigt, hatten Sie zu thun. Aber
unſere Trennung war doch eben ſolch Unglück für Sie, als
für mich: ewig wird mir dieſe Überzeugung bleiben; und nur
mit dieſem Bewußtſein enden; Sie können ſie nur bekommen
mit jedem Tage, den ich bei Ihnen lebte! zuſammen mit Ih-
nen erlebte. Können Sie ſich den Wahnſinn von Unmuth,
Schreck, und ſich für die Ewigkeit aufwindender — wie Schlan-
genthiere — Verzweiflung, über meinen Stand, über meine
Lage denken, die mich daran verhindern? Nein. Glauben
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/114>, abgerufen am 23.11.2024.
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