Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Grüße Marwitz millionenmal: seine Schwägerin ist hier,
und hat mich nach ihm fragen lassen. Ach! nun kommen
nicht mehr häufige Briefe von dir! Adieu! adieu! --



An Varnhagen, in Mecklenburg.


Vormittags 10 Uhr. Helle brennende Sonnenhitze;
mein Fenster gegen Morgen.

-- Als ich gestern deine Briefe gelesen hatte, mußt' ich
gleich nach dem Landhause, die Schildwache genannt, fahren,
ich nahm Papier mit, und wollte dir dort schreiben: die Hitze,
die Sonne, die Menschen, mein körperlicher Zustand, alles
störte mich. -- Nach Tisch kam eine Unzahl Menschen. Das
Schwarzenbergische Hauptquartier steht in der Nähe, und
seine Suite sitzt bei Liebich; recht lebselige, artige, angenehme
Leute; und was noch viel mehr ist, launige, lustige Leute.
Ein Hr. von Böhm, der komplet artig und fein, und freundli-
chen Herzens ist, und keine Grade der Artigkeit äußert, sondern
den Orden nicht getheilt hat; artige Behandlung fließt aus
ihm aus, weil er artig ist; vielleicht kennst du ihn, er war
mit Fürst Schwarzenberg in Paris; sieht Barnekow etwas
ähnlich. Dann ein Graf Karl Cl. M. ein schöner junger
Mann; dem ich erst Unrecht that, weil es nicht meine Schön-
heit ist; der ungeheuer natürlich ist, und keine Art von Prä-
tension hat; der für sein Alter bewundernswürdig abgeschliffen
ist, ohne nur im Geringsten an Jugendlichkeit zu verlieren;
eine menschliche Artigkeit in sich trägt, die in Arglosigkeit.

Grüße Marwitz millionenmal: ſeine Schwägerin iſt hier,
und hat mich nach ihm fragen laſſen. Ach! nun kommen
nicht mehr häufige Briefe von dir! Adieu! adieu! —



An Varnhagen, in Mecklenburg.


Vormittags 10 Uhr. Helle brennende Sonnenhitze;
mein Fenſter gegen Morgen.

— Als ich geſtern deine Briefe geleſen hatte, mußt’ ich
gleich nach dem Landhauſe, die Schildwache genannt, fahren,
ich nahm Papier mit, und wollte dir dort ſchreiben: die Hitze,
die Sonne, die Menſchen, mein körperlicher Zuſtand, alles
ſtörte mich. — Nach Tiſch kam eine Unzahl Menſchen. Das
Schwarzenbergiſche Hauptquartier ſteht in der Nähe, und
ſeine Suite ſitzt bei Liebich; recht lebſelige, artige, angenehme
Leute; und was noch viel mehr iſt, launige, luſtige Leute.
Ein Hr. von Böhm, der komplet artig und fein, und freundli-
chen Herzens iſt, und keine Grade der Artigkeit äußert, ſondern
den Orden nicht getheilt hat; artige Behandlung fließt aus
ihm aus, weil er artig iſt; vielleicht kennſt du ihn, er war
mit Fürſt Schwarzenberg in Paris; ſieht Barnekow etwas
ähnlich. Dann ein Graf Karl Cl. M. ein ſchöner junger
Mann; dem ich erſt Unrecht that, weil es nicht meine Schön-
heit iſt; der ungeheuer natürlich iſt, und keine Art von Prä-
tenſion hat; der für ſein Alter bewundernswürdig abgeſchliffen
iſt, ohne nur im Geringſten an Jugendlichkeit zu verlieren;
eine menſchliche Artigkeit in ſich trägt, die in Argloſigkeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0110" n="102"/>
          <postscript>
            <p>Grüße Marwitz millionenmal: &#x017F;eine Schwägerin i&#x017F;t hier,<lb/>
und hat mich nach ihm fragen la&#x017F;&#x017F;en. Ach! nun kommen<lb/>
nicht mehr häufige Briefe von dir! Adieu! adieu! &#x2014;</p>
          </postscript>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#et">An Varnhagen, in Mecklenburg.</hi> </head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Prag, Sonnabend den 10. Juli 1813.</hi> </dateline><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Vormittags 10 Uhr. Helle brennende Sonnenhitze;<lb/>
mein Fen&#x017F;ter gegen Morgen.</hi> </p><lb/>
          <p>&#x2014; Als ich ge&#x017F;tern deine Briefe gele&#x017F;en hatte, mußt&#x2019; ich<lb/>
gleich nach dem Landhau&#x017F;e, die Schildwache genannt, fahren,<lb/>
ich nahm Papier mit, und wollte dir dort &#x017F;chreiben: die Hitze,<lb/>
die Sonne, die Men&#x017F;chen, mein körperlicher Zu&#x017F;tand, alles<lb/>
&#x017F;törte mich. &#x2014; Nach Ti&#x017F;ch kam eine Unzahl Men&#x017F;chen. Das<lb/>
Schwarzenbergi&#x017F;che Hauptquartier &#x017F;teht in der Nähe, und<lb/>
&#x017F;eine Suite &#x017F;itzt bei Liebich; recht leb&#x017F;elige, artige, angenehme<lb/>
Leute; und was noch viel mehr i&#x017F;t, launige, lu&#x017F;tige Leute.<lb/>
Ein Hr. von Böhm, der komplet artig und fein, und freundli-<lb/>
chen Herzens i&#x017F;t, und keine Grade der Artigkeit äußert, &#x017F;ondern<lb/>
den Orden nicht getheilt hat; artige Behandlung fließt aus<lb/>
ihm aus, weil er artig i&#x017F;t; vielleicht kenn&#x017F;t du ihn, er war<lb/>
mit Für&#x017F;t Schwarzenberg in Paris; &#x017F;ieht Barnekow etwas<lb/>
ähnlich. Dann ein Graf Karl Cl. M. ein &#x017F;chöner junger<lb/>
Mann; dem ich er&#x017F;t Unrecht that, weil es nicht meine Schön-<lb/>
heit i&#x017F;t; der ungeheuer natürlich i&#x017F;t, und keine Art von Prä-<lb/>
ten&#x017F;ion hat; der für &#x017F;ein Alter bewundernswürdig abge&#x017F;chliffen<lb/>
i&#x017F;t, ohne nur im Gering&#x017F;ten an Jugendlichkeit zu verlieren;<lb/>
eine men&#x017F;chliche Artigkeit in &#x017F;ich trägt, die in Arglo&#x017F;igkeit.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0110] Grüße Marwitz millionenmal: ſeine Schwägerin iſt hier, und hat mich nach ihm fragen laſſen. Ach! nun kommen nicht mehr häufige Briefe von dir! Adieu! adieu! — An Varnhagen, in Mecklenburg. Prag, Sonnabend den 10. Juli 1813. Vormittags 10 Uhr. Helle brennende Sonnenhitze; mein Fenſter gegen Morgen. — Als ich geſtern deine Briefe geleſen hatte, mußt’ ich gleich nach dem Landhauſe, die Schildwache genannt, fahren, ich nahm Papier mit, und wollte dir dort ſchreiben: die Hitze, die Sonne, die Menſchen, mein körperlicher Zuſtand, alles ſtörte mich. — Nach Tiſch kam eine Unzahl Menſchen. Das Schwarzenbergiſche Hauptquartier ſteht in der Nähe, und ſeine Suite ſitzt bei Liebich; recht lebſelige, artige, angenehme Leute; und was noch viel mehr iſt, launige, luſtige Leute. Ein Hr. von Böhm, der komplet artig und fein, und freundli- chen Herzens iſt, und keine Grade der Artigkeit äußert, ſondern den Orden nicht getheilt hat; artige Behandlung fließt aus ihm aus, weil er artig iſt; vielleicht kennſt du ihn, er war mit Fürſt Schwarzenberg in Paris; ſieht Barnekow etwas ähnlich. Dann ein Graf Karl Cl. M. ein ſchöner junger Mann; dem ich erſt Unrecht that, weil es nicht meine Schön- heit iſt; der ungeheuer natürlich iſt, und keine Art von Prä- tenſion hat; der für ſein Alter bewundernswürdig abgeſchliffen iſt, ohne nur im Geringſten an Jugendlichkeit zu verlieren; eine menſchliche Artigkeit in ſich trägt, die in Argloſigkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/110
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/110>, abgerufen am 27.11.2024.