und gefällt mir darum nur desto besser, sie war mit Mad. Kircheisen bei uns und hat versprochen wieder zu kommen, auch werd' ich sie wieder besuchen. Herr von Poch hat Recht, die Gesellschaft abominabel zu finden, er sah sie schon mit solchen Blicken d'un aimable an, daß sie zehnmahl städtischer, galanter, feiner und verachtender ihrerseits hätte sein können, um daß er sie doch so gefunden hätte; mich fesselt sie auch bis auf einige Ausnahmen nicht, aber sie könnte den Herrn von Poch schmieden, ohne daß sie mich nur mehr anzöge: doch leb' ich recht artig mit den Leuten hier, denn sie sind sehr gütig gegen mich; und Sie wissen, wie ich auf antwor- ten halte, und was ich für ein geselliger Hund neben meiner Tadelsucht bin.
Stünde mir doch die Sprache so zu Gebote, wie ich die Fähigkeit habe, in meinem Kopf alles schnell und zu meinem Gebrauch zu verarbeiten, was ich erfahre; so weiß ich, würd' Ihnen das genügen, was ich Ihnen über Johanna zu sagen wüßte. Für's erste aber glauben Sie nicht, daß ich wie ein Prahler lüge; sonst finden Sie keinen Zusammenhang in dem, was ich sage, und meine Mühe, und vielleicht ein hübscher Augenblick für Sie, geht verloren. Johanna kommt mir wie- der so vor als vorhin, und ändert sich in meinen Augen nach und vor den verschiedenen Erzählungen nicht. Ein feines, gebildetes, verständiges Frauenzimmer wird nicht platt und nicht dumm: kann aber schwach, und unselbstständig sein, und ist's gewöhnlich; ist man das, so sind unzählige Modi- fikationen möglich, wohin denn auch alle die gehören, worin uns Johanna wochweise erscheint; je feiner ein Frauenzimmer
und gefällt mir darum nur deſto beſſer, ſie war mit Mad. Kircheiſen bei uns und hat verſprochen wieder zu kommen, auch werd’ ich ſie wieder beſuchen. Herr von Poch hat Recht, die Geſellſchaft abominabel zu finden, er ſah ſie ſchon mit ſolchen Blicken d’un aimable an, daß ſie zehnmahl ſtädtiſcher, galanter, feiner und verachtender ihrerſeits hätte ſein können, um daß er ſie doch ſo gefunden hätte; mich feſſelt ſie auch bis auf einige Ausnahmen nicht, aber ſie könnte den Herrn von Poch ſchmieden, ohne daß ſie mich nur mehr anzöge: doch leb’ ich recht artig mit den Leuten hier, denn ſie ſind ſehr gütig gegen mich; und Sie wiſſen, wie ich auf antwor- ten halte, und was ich für ein geſelliger Hund neben meiner Tadelſucht bin.
Stünde mir doch die Sprache ſo zu Gebote, wie ich die Fähigkeit habe, in meinem Kopf alles ſchnell und zu meinem Gebrauch zu verarbeiten, was ich erfahre; ſo weiß ich, würd’ Ihnen das genügen, was ich Ihnen über Johanna zu ſagen wüßte. Für’s erſte aber glauben Sie nicht, daß ich wie ein Prahler lüge; ſonſt finden Sie keinen Zuſammenhang in dem, was ich ſage, und meine Mühe, und vielleicht ein hübſcher Augenblick für Sie, geht verloren. Johanna kommt mir wie- der ſo vor als vorhin, und ändert ſich in meinen Augen nach und vor den verſchiedenen Erzählungen nicht. Ein feines, gebildetes, verſtändiges Frauenzimmer wird nicht platt und nicht dumm: kann aber ſchwach, und unſelbſtſtändig ſein, und iſt’s gewöhnlich; iſt man das, ſo ſind unzählige Modi- fikationen möglich, wohin denn auch alle die gehören, worin uns Johanna wochweiſe erſcheint; je feiner ein Frauenzimmer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0090"n="76"/>
und gefällt mir darum <hirendition="#g">nur</hi> deſto beſſer, ſie war mit Mad.<lb/>
Kircheiſen bei uns und hat verſprochen wieder zu kommen,<lb/>
auch werd’ ich ſie wieder beſuchen. Herr von Poch hat Recht,<lb/>
die Geſellſchaft abominabel zu finden, er ſah ſie ſchon mit<lb/>ſolchen Blicken <hirendition="#aq">d’un aimable</hi> an, daß ſie zehnmahl ſtädtiſcher,<lb/>
galanter, feiner und verachtender ihrerſeits hätte ſein können,<lb/>
um daß er ſie doch ſo gefunden hätte; mich feſſelt ſie auch<lb/>
bis auf einige Ausnahmen nicht, aber ſie könnte den Herrn<lb/>
von Poch <hirendition="#g">ſchmieden</hi>, ohne daß ſie mich nur mehr anzöge:<lb/>
doch leb’ ich recht artig mit den Leuten hier, denn ſie ſind<lb/>ſehr gütig gegen mich; und Sie wiſſen, wie ich auf antwor-<lb/>
ten halte, und was ich für ein geſelliger Hund neben meiner<lb/>
Tadelſucht bin.</p><lb/><p>Stünde mir doch die Sprache ſo zu Gebote, wie ich die<lb/>
Fähigkeit habe, in meinem Kopf alles ſchnell und zu <hirendition="#g">meinem<lb/>
Gebrauch</hi> zu verarbeiten, was ich erfahre; ſo weiß ich, würd’<lb/>
Ihnen das genügen, was ich Ihnen über Johanna zu ſagen<lb/>
wüßte. Für’s erſte aber glauben Sie nicht, daß ich wie ein<lb/>
Prahler lüge; ſonſt finden Sie keinen Zuſammenhang in dem,<lb/>
was ich ſage, und meine Mühe, und vielleicht ein hübſcher<lb/>
Augenblick für Sie, geht verloren. Johanna kommt mir <hirendition="#g">wie-<lb/>
der</hi>ſo vor als vorhin, und ändert ſich in meinen Augen nach<lb/>
und vor den verſchiedenen Erzählungen nicht. Ein feines,<lb/>
gebildetes, verſtändiges Frauenzimmer <hirendition="#g">wird</hi> nicht platt und<lb/>
nicht dumm: <hirendition="#g">kann</hi> aber ſchwach, und unſelbſtſtändig ſein,<lb/>
und iſt’s gewöhnlich; <hirendition="#g">iſt</hi> man das, ſo ſind unzählige Modi-<lb/>
fikationen möglich, wohin denn auch alle die gehören, worin<lb/>
uns Johanna wochweiſe erſcheint; je feiner ein Frauenzimmer<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[76/0090]
und gefällt mir darum nur deſto beſſer, ſie war mit Mad.
Kircheiſen bei uns und hat verſprochen wieder zu kommen,
auch werd’ ich ſie wieder beſuchen. Herr von Poch hat Recht,
die Geſellſchaft abominabel zu finden, er ſah ſie ſchon mit
ſolchen Blicken d’un aimable an, daß ſie zehnmahl ſtädtiſcher,
galanter, feiner und verachtender ihrerſeits hätte ſein können,
um daß er ſie doch ſo gefunden hätte; mich feſſelt ſie auch
bis auf einige Ausnahmen nicht, aber ſie könnte den Herrn
von Poch ſchmieden, ohne daß ſie mich nur mehr anzöge:
doch leb’ ich recht artig mit den Leuten hier, denn ſie ſind
ſehr gütig gegen mich; und Sie wiſſen, wie ich auf antwor-
ten halte, und was ich für ein geſelliger Hund neben meiner
Tadelſucht bin.
Stünde mir doch die Sprache ſo zu Gebote, wie ich die
Fähigkeit habe, in meinem Kopf alles ſchnell und zu meinem
Gebrauch zu verarbeiten, was ich erfahre; ſo weiß ich, würd’
Ihnen das genügen, was ich Ihnen über Johanna zu ſagen
wüßte. Für’s erſte aber glauben Sie nicht, daß ich wie ein
Prahler lüge; ſonſt finden Sie keinen Zuſammenhang in dem,
was ich ſage, und meine Mühe, und vielleicht ein hübſcher
Augenblick für Sie, geht verloren. Johanna kommt mir wie-
der ſo vor als vorhin, und ändert ſich in meinen Augen nach
und vor den verſchiedenen Erzählungen nicht. Ein feines,
gebildetes, verſtändiges Frauenzimmer wird nicht platt und
nicht dumm: kann aber ſchwach, und unſelbſtſtändig ſein,
und iſt’s gewöhnlich; iſt man das, ſo ſind unzählige Modi-
fikationen möglich, wohin denn auch alle die gehören, worin
uns Johanna wochweiſe erſcheint; je feiner ein Frauenzimmer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/90>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.