Lieber Markus. Meiner Rechnung nach bist du mir eine Antwort schuldig; ich hätte dir auch nicht geschrieben, wenn ich dich nicht um etwas bitten, fragen und beschwören wollte. Donnerstag sind Papa und Mama hier angekommen. (Bei diesem Wort bekomme ich deinen Brief. -- Ich bitte dich noch Einmal, bedenk' uns und die Folgen; sei nur aufmerk- samer! --) Ich gab Mama gleich einen Brief, den die Dienstags-Breslauer-Post mitgebracht hat, versteht sich heim- lich; der Inhalt dieses Briefs ist: etwas von unsren Geschich- ten: und dann eine Klage über dich (genau was es ist, hat er nicht geschrieben) und die Bitte, dich zu ermahnen; sonst müßt' er es Papaen melden. Du kannst dir denken, was das auf unsre gedrückte Mutter für Eindruck machen muß. Be- queme dich, ich bitte dich um Gottes willen, nur noch eine kurze Zeit: soll ich dir schreiben, daß sich Alle bequemen müs- sen, und alle die Moral und vernünftige Sachen, die du mir unzähligemal selbst gesagt hast? und die du wirklich fühlst, denn ich kenne dich, obgleich du der ganzen Welt dunkel bist. Verstand hast du; und ein gutes Herz auch; an was kann
4 *
An Markus Theodor Robert, in Breslau.
Berlin, den 20. Oktober 1787.
Lieber Markus. Meiner Rechnung nach biſt du mir eine Antwort ſchuldig; ich hätte dir auch nicht geſchrieben, wenn ich dich nicht um etwas bitten, fragen und beſchwören wollte. Donnerstag ſind Papa und Mama hier angekommen. (Bei dieſem Wort bekomme ich deinen Brief. — Ich bitte dich noch Einmal, bedenk’ uns und die Folgen; ſei nur aufmerk- ſamer! —) Ich gab Mama gleich einen Brief, den die Dienstags-Breslauer-Poſt mitgebracht hat, verſteht ſich heim- lich; der Inhalt dieſes Briefs iſt: etwas von unſren Geſchich- ten: und dann eine Klage über dich (genau was es iſt, hat er nicht geſchrieben) und die Bitte, dich zu ermahnen; ſonſt müßt’ er es Papaen melden. Du kannſt dir denken, was das auf unſre gedrückte Mutter für Eindruck machen muß. Be- queme dich, ich bitte dich um Gottes willen, nur noch eine kurze Zeit: ſoll ich dir ſchreiben, daß ſich Alle bequemen müſ- ſen, und alle die Moral und vernünftige Sachen, die du mir unzähligemal ſelbſt geſagt haſt? und die du wirklich fühlſt, denn ich kenne dich, obgleich du der ganzen Welt dunkel biſt. Verſtand haſt du; und ein gutes Herz auch; an was kann
4 *
<TEI><text><body><pbfacs="#f0065"n="51"/><divn="1"><head/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Markus Theodor Robert, in Breslau.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 20. Oktober 1787.</hi></dateline><lb/><p>Lieber Markus. Meiner Rechnung nach biſt du mir eine<lb/>
Antwort ſchuldig; ich hätte dir auch nicht geſchrieben, wenn<lb/>
ich dich nicht um etwas bitten, fragen und beſchwören wollte.<lb/>
Donnerstag ſind Papa und Mama hier angekommen. (Bei<lb/>
dieſem Wort bekomme ich deinen Brief. — Ich bitte dich<lb/>
noch Einmal, bedenk’ uns und die Folgen; ſei nur aufmerk-<lb/>ſamer! —) Ich gab Mama gleich einen Brief, den die<lb/>
Dienstags-Breslauer-Poſt mitgebracht hat, verſteht ſich heim-<lb/>
lich; der Inhalt dieſes Briefs iſt: etwas von unſren Geſchich-<lb/>
ten: und dann eine Klage über dich (genau was es iſt, hat<lb/>
er nicht geſchrieben) und die Bitte, dich zu ermahnen; ſonſt<lb/>
müßt’ er es Papaen melden. Du kannſt dir denken, was das<lb/>
auf unſre gedrückte Mutter für Eindruck machen muß. Be-<lb/>
queme dich, ich bitte dich um Gottes willen, nur noch eine<lb/>
kurze Zeit: ſoll ich dir ſchreiben, daß ſich Alle bequemen müſ-<lb/>ſen, und alle die Moral und vernünftige Sachen, die du mir<lb/>
unzähligemal ſelbſt geſagt haſt? und die du wirklich fühlſt,<lb/>
denn ich kenne dich, obgleich du der ganzen Welt dunkel biſt.<lb/>
Verſtand haſt du; und ein gutes Herz auch; an was kann<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4 *</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0065]
An Markus Theodor Robert, in Breslau.
Berlin, den 20. Oktober 1787.
Lieber Markus. Meiner Rechnung nach biſt du mir eine
Antwort ſchuldig; ich hätte dir auch nicht geſchrieben, wenn
ich dich nicht um etwas bitten, fragen und beſchwören wollte.
Donnerstag ſind Papa und Mama hier angekommen. (Bei
dieſem Wort bekomme ich deinen Brief. — Ich bitte dich
noch Einmal, bedenk’ uns und die Folgen; ſei nur aufmerk-
ſamer! —) Ich gab Mama gleich einen Brief, den die
Dienstags-Breslauer-Poſt mitgebracht hat, verſteht ſich heim-
lich; der Inhalt dieſes Briefs iſt: etwas von unſren Geſchich-
ten: und dann eine Klage über dich (genau was es iſt, hat
er nicht geſchrieben) und die Bitte, dich zu ermahnen; ſonſt
müßt’ er es Papaen melden. Du kannſt dir denken, was das
auf unſre gedrückte Mutter für Eindruck machen muß. Be-
queme dich, ich bitte dich um Gottes willen, nur noch eine
kurze Zeit: ſoll ich dir ſchreiben, daß ſich Alle bequemen müſ-
ſen, und alle die Moral und vernünftige Sachen, die du mir
unzähligemal ſelbſt geſagt haſt? und die du wirklich fühlſt,
denn ich kenne dich, obgleich du der ganzen Welt dunkel biſt.
Verſtand haſt du; und ein gutes Herz auch; an was kann
4 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/65>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.