Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

sam in einem fremden Hause? nicht bequem? an mein Mäd-
chen gewöhnt? Ist nicht trübes Wetter? Sie haben Recht,
lieber Fouque, daß Sie sich voraus entschuldigen: Sie werden
wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt
Frau von Fouque nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü-
ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen lassen,
nach den Augen sehen: und auch ihr vom Sommer erzählen.
Ich empfehle mich dem ältesten Fräulein, wie alle Meinigen
thun. Robert will ja mit dem Fest zu Ihnen schliddren.
Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R.

Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt:
im Anfang schlecht; und dann sehr gut. Heute sähe ich ihn
sehr gerne. Ich lieb' ihn.



An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.

Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu schreiben; ich bin
zu disgustirt; nicht etwa auf eine schöne Art, wie ich es sonst
wohl war in witziger Verzweiflung, in schmerzhaft-reicher Her-
zensempörung! Nein, hölzern und zu bin ich geworden, stumm:
und eine Talbot'sche Verachtung drückt mir das inn're Reich
wie mit einem unerbittlich-künstlichen, höllischen Grabstein zu:
ein Indignationsgefühl nur steigt wie scheuer Seufzer, oder
Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö-
hen, mir selbst zum Zeichen, daß ich noch lebe, noch weiter zu
leben habe. Es kann mir kein Mensch hierauf antworten:

denn

ſam in einem fremden Hauſe? nicht bequem? an mein Mäd-
chen gewöhnt? Iſt nicht trübes Wetter? Sie haben Recht,
lieber Fouqué, daß Sie ſich voraus entſchuldigen: Sie werden
wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt
Frau von Fouqué nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü-
ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen laſſen,
nach den Augen ſehen: und auch ihr vom Sommer erzählen.
Ich empfehle mich dem älteſten Fräulein, wie alle Meinigen
thun. Robert will ja mit dem Feſt zu Ihnen ſchliddren.
Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R.

Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt:
im Anfang ſchlecht; und dann ſehr gut. Heute ſähe ich ihn
ſehr gerne. Ich lieb’ ihn.



An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.

Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu ſchreiben; ich bin
zu disguſtirt; nicht etwa auf eine ſchöne Art, wie ich es ſonſt
wohl war in witziger Verzweiflung, in ſchmerzhaft-reicher Her-
zensempörung! Nein, hölzern und zu bin ich geworden, ſtumm:
und eine Talbot’ſche Verachtung drückt mir das inn’re Reich
wie mit einem unerbittlich-künſtlichen, hölliſchen Grabſtein zu:
ein Indignationsgefühl nur ſteigt wie ſcheuer Seufzer, oder
Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö-
hen, mir ſelbſt zum Zeichen, daß ich noch lebe, noch weiter zu
leben habe. Es kann mir kein Menſch hierauf antworten:

denn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0574" n="560"/>
&#x017F;am in einem fremden Hau&#x017F;e? nicht bequem? an mein Mäd-<lb/>
chen gewöhnt? I&#x017F;t nicht trübes Wetter? Sie haben Recht,<lb/>
lieber Fouqu<hi rendition="#aq">é</hi>, daß Sie &#x017F;ich voraus ent&#x017F;chuldigen: Sie werden<lb/>
wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt<lb/>
Frau von Fouqu<hi rendition="#aq">é</hi> nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü-<lb/>
ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
nach den Augen &#x017F;ehen: und auch ihr vom Sommer erzählen.<lb/>
Ich empfehle mich dem älte&#x017F;ten Fräulein, wie alle Meinigen<lb/>
thun. Robert will ja mit dem Fe&#x017F;t zu Ihnen &#x017F;chliddren.<lb/>
Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R.</p><lb/>
          <p>Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt:<lb/>
im Anfang &#x017F;chlecht; und dann &#x017F;ehr gut. Heute &#x017F;ähe ich ihn<lb/>
&#x017F;ehr gerne. Ich lieb&#x2019; ihn.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Dienstag, den 3. December 1811.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu &#x017F;chreiben; ich bin<lb/>
zu disgu&#x017F;tirt; nicht etwa auf eine &#x017F;chöne Art, wie ich es &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wohl war in witziger Verzweiflung, in &#x017F;chmerzhaft-reicher Her-<lb/>
zensempörung! Nein, hölzern und <hi rendition="#g">zu</hi> bin ich geworden, &#x017F;tumm:<lb/>
und eine Talbot&#x2019;&#x017F;che Verachtung drückt mir das inn&#x2019;re Reich<lb/>
wie mit einem unerbittlich-kün&#x017F;tlichen, hölli&#x017F;chen Grab&#x017F;tein zu:<lb/>
ein Indignationsgefühl nur &#x017F;teigt wie &#x017F;cheuer Seufzer, oder<lb/>
Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö-<lb/>
hen, mir &#x017F;elb&#x017F;t zum Zeichen, daß ich noch lebe, noch weiter zu<lb/>
leben habe. Es kann mir kein Men&#x017F;ch hierauf antworten:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">denn</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[560/0574] ſam in einem fremden Hauſe? nicht bequem? an mein Mäd- chen gewöhnt? Iſt nicht trübes Wetter? Sie haben Recht, lieber Fouqué, daß Sie ſich voraus entſchuldigen: Sie werden wohl in den vierzehn Tagen nicht zu mir kommen! Kommt Frau von Fouqué nach Berlin? Legen Sie mich ihr zu Fü- ßen: ich könnte wohl vor ihr knien und mir erzählen laſſen, nach den Augen ſehen: und auch ihr vom Sommer erzählen. Ich empfehle mich dem älteſten Fräulein, wie alle Meinigen thun. Robert will ja mit dem Feſt zu Ihnen ſchliddren. Adieu! Trauen Sie mir wie bis jetzt. Ihre Freundin R. R. Ich habe den ganzen Sommer mit Varnhagen gelebt: im Anfang ſchlecht; und dann ſehr gut. Heute ſähe ich ihn ſehr gerne. Ich lieb’ ihn. An Alexander von der Marwitz, in Potsdam. Dienstag, den 3. December 1811. Ich bin es gar nicht werth, an Sie zu ſchreiben; ich bin zu disguſtirt; nicht etwa auf eine ſchöne Art, wie ich es ſonſt wohl war in witziger Verzweiflung, in ſchmerzhaft-reicher Her- zensempörung! Nein, hölzern und zu bin ich geworden, ſtumm: und eine Talbot’ſche Verachtung drückt mir das inn’re Reich wie mit einem unerbittlich-künſtlichen, hölliſchen Grabſtein zu: ein Indignationsgefühl nur ſteigt wie ſcheuer Seufzer, oder Blick, nach den ehmals gekannten, lichten, reichen, Jugendhö- hen, mir ſelbſt zum Zeichen, daß ich noch lebe, noch weiter zu leben habe. Es kann mir kein Menſch hierauf antworten: denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/574
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/574>, abgerufen am 22.12.2024.