Freund, der ihm vielleicht bei der Mitwelt fehlte: wie oft dacht' ich dies bei diesem Manne. Ich bin ewig sein Freund. "Ich weiß, was in dir lebt, ich kenne dich ganz!" hätte Ein- mal ich ihm dies sagen können, wie Goethe die Wahrheit vor sich sah. Wie oft habe ich es Mirabeau'n nachgerufen. Es ist mein Freund. "Träf' ich ihn draußen." Schiller. "O! gäb' ein guter Gott, daß wir dem Wurm gleich, in ein be- sonntes Thal -- --!" O! wäre nur Zeit da, das erlittene Unrecht gut zu machen. Das Verschwinden in Nichts ist in dieser Betrachtung schrecklich. Dies eine Anknüpfen, Erinn- ren, wünsche ich nur. So lange ich lebe, schließe ich Mira- beau ernst in mein Herz. --
Sie antworten. Und genau. Und benehmen mir meine Furcht immer auf's neue wegen meiner volumes. Sie antwor- ten hübsch gleich. Eigentlich müssen Ihnen meine Briefe lieb sein: sie enthalten so vielerlei; und in Ihrer Wüste dort! "Munter, nicht so altklug gethan." Überlegen Sie alles; und suchen Sie aus reinen stillen Gesichtspunkten zu antworten, wie ich mich bemüht habe zu schreiben. Neumann war ganz munter und gesellig. Der Schweizer blind, und eitel. Den habe ich ganz weg. Unheilbar ist er. Alle Naturgaben glaubt er nur verkrümelt zu haben. In wenigen rein spe- kulativen Momenten stellt er sich anders dar: und die sind abgeschnitten von ihm und seinem Benehmen.
Ei! Ei! So mächtig muß das Herzensmeer sein, wenn Handel und Wandel oben getrieben werden soll, werden darf.
Adieu. R.
Freund, der ihm vielleicht bei der Mitwelt fehlte: wie oft dacht’ ich dies bei dieſem Manne. Ich bin ewig ſein Freund. „Ich weiß, was in dir lebt, ich kenne dich ganz!“ hätte Ein- mal ich ihm dies ſagen können, wie Goethe die Wahrheit vor ſich ſah. Wie oft habe ich es Mirabeau’n nachgerufen. Es iſt mein Freund. „Träf’ ich ihn draußen.“ Schiller. „O! gäb’ ein guter Gott, daß wir dem Wurm gleich, in ein be- ſonntes Thal — —!“ O! wäre nur Zeit da, das erlittene Unrecht gut zu machen. Das Verſchwinden in Nichts iſt in dieſer Betrachtung ſchrecklich. Dies eine Anknüpfen, Erinn- ren, wünſche ich nur. So lange ich lebe, ſchließe ich Mira- beau ernſt in mein Herz. —
Sie antworten. Und genau. Und benehmen mir meine Furcht immer auf’s neue wegen meiner volumes. Sie antwor- ten hübſch gleich. Eigentlich müſſen Ihnen meine Briefe lieb ſein: ſie enthalten ſo vielerlei; und in Ihrer Wüſte dort! „Munter, nicht ſo altklug gethan.“ Überlegen Sie alles; und ſuchen Sie aus reinen ſtillen Geſichtspunkten zu antworten, wie ich mich bemüht habe zu ſchreiben. Neumann war ganz munter und geſellig. Der Schweizer blind, und eitel. Den habe ich ganz weg. Unheilbar iſt er. Alle Naturgaben glaubt er nur verkrümelt zu haben. In wenigen rein ſpe- kulativen Momenten ſtellt er ſich anders dar: und die ſind abgeſchnitten von ihm und ſeinem Benehmen.
Ei! Ei! So mächtig muß das Herzensmeer ſein, wenn Handel und Wandel oben getrieben werden ſoll, werden darf.
Adieu. R.
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Freund, der ihm vielleicht bei der Mitwelt fehlte: wie oft
dacht’ ich dies bei dieſem Manne. Ich bin ewig ſein Freund.
„Ich weiß, was in dir lebt, ich kenne dich ganz!“ hätte Ein-
mal ich ihm dies ſagen können, wie Goethe die Wahrheit vor
ſich ſah. Wie oft habe ich es Mirabeau’n nachgerufen. Es
iſt mein Freund. „Träf’ ich ihn draußen.“ Schiller. „O!
gäb’ ein guter Gott, daß wir dem Wurm gleich, in ein be-
ſonntes Thal — —!“ O! wäre nur Zeit da, das erlittene
Unrecht gut zu machen. Das Verſchwinden in Nichts iſt in
dieſer Betrachtung ſchrecklich. Dies eine Anknüpfen, Erinn-
ren, wünſche ich nur. So lange ich lebe, ſchließe ich Mira-
beau ernſt in mein Herz. —
Sie antworten. Und genau. Und benehmen mir meine
Furcht immer auf’s neue wegen meiner volumes. Sie antwor-
ten hübſch gleich. Eigentlich müſſen Ihnen meine Briefe lieb
ſein: ſie enthalten ſo vielerlei; und in Ihrer Wüſte dort!
„Munter, nicht ſo altklug gethan.“ Überlegen Sie alles; und
ſuchen Sie aus reinen ſtillen Geſichtspunkten zu antworten,
wie ich mich bemüht habe zu ſchreiben. Neumann war ganz
munter und geſellig. Der Schweizer blind, und eitel. Den
habe ich ganz weg. Unheilbar iſt er. Alle Naturgaben
glaubt er nur verkrümelt zu haben. In wenigen rein ſpe-
kulativen Momenten ſtellt er ſich anders dar: und die ſind
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/539>, abgerufen am 22.12.2024.
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