Menschengebäude lassen sich nicht aufführen, wehren kann man sich nicht, entfliehen auch nicht. Hütten aber, und stille Anstalten sind zu treffen: dazu aber sind die Guten zu stolz. Einen Namen sollen ihre Thaten, ihre Werke haben; nach Alexander, nach Moses, nach Christus sollen sie heißen. Es sind der Guten mehr da als je; seien sie gut, leben sie gut; leben sie nah, soviel als möglich; und dies für eine That an- gesehen, ist viel möglich. Die Kolonie ist gleich da; nur ohne Projekt, nur das Allernächste immer gut gemacht; so sehr hindert keine Regierung, und hindern sie wirklich, die Regie- rungen, so ist es ja gut zusammensein, sich helfen, besprechen, sich da wissen, sehen. Kann einer sterbend die Welt, sein Land retten: ich rathe es ihm und wären Sie es. Geht es? nützt es? Das Grübeln über Rettung und die Zeit, die am- bitiösen Versuche, sind das Schlechteste. Leben, lieben, studi- ren, fleißig sein, heirathen, wenn's so kommt, jede Kleinigkeit recht und lebendig machen, dies ist immer gelebt, und dies wehrt niemand. Und von einer großen, immer größern Ver- einigung dieses wollender Menschen sollte nichts, gar nichts entstehen? Ein Wachsthum solcher Vereinigung müßte alle rohen Anstalten sprengen, in sich aufnehmen. Aber dies hat keinen Namen, und es unterbleibt: oder es geschieht auch nur unbewußt; denn es geschieht allwährend. Aber die Braven, Sie, tummeln sich elend. Auch ich sehe Sie so, wie Sie sich mir mit wenigen Worten schilderten. Ganz sehe ich das ganze Sein und Thun ihrer Seele, meine lehrt mich dies. Sie können "die Berührung des Gemeinen nicht dulden;" das sind ja die Strohhalme, die auch mich dem Wahnsinn
Menſchengebäude laſſen ſich nicht aufführen, wehren kann man ſich nicht, entfliehen auch nicht. Hütten aber, und ſtille Anſtalten ſind zu treffen: dazu aber ſind die Guten zu ſtolz. Einen Namen ſollen ihre Thaten, ihre Werke haben; nach Alexander, nach Moſes, nach Chriſtus ſollen ſie heißen. Es ſind der Guten mehr da als je; ſeien ſie gut, leben ſie gut; leben ſie nah, ſoviel als möglich; und dies für eine That an- geſehen, iſt viel möglich. Die Kolonie iſt gleich da; nur ohne Projekt, nur das Allernächſte immer gut gemacht; ſo ſehr hindert keine Regierung, und hindern ſie wirklich, die Regie- rungen, ſo iſt es ja gut zuſammenſein, ſich helfen, beſprechen, ſich da wiſſen, ſehen. Kann einer ſterbend die Welt, ſein Land retten: ich rathe es ihm und wären Sie es. Geht es? nützt es? Das Grübeln über Rettung und die Zeit, die am- bitiöſen Verſuche, ſind das Schlechteſte. Leben, lieben, ſtudi- ren, fleißig ſein, heirathen, wenn’s ſo kommt, jede Kleinigkeit recht und lebendig machen, dies iſt immer gelebt, und dies wehrt niemand. Und von einer großen, immer größern Ver- einigung dieſes wollender Menſchen ſollte nichts, gar nichts entſtehen? Ein Wachsthum ſolcher Vereinigung müßte alle rohen Anſtalten ſprengen, in ſich aufnehmen. Aber dies hat keinen Namen, und es unterbleibt: oder es geſchieht auch nur unbewußt; denn es geſchieht allwährend. Aber die Braven, Sie, tummeln ſich elend. Auch ich ſehe Sie ſo, wie Sie ſich mir mit wenigen Worten ſchilderten. Ganz ſehe ich das ganze Sein und Thun ihrer Seele, meine lehrt mich dies. Sie können „die Berührung des Gemeinen nicht dulden;“ das ſind ja die Strohhalme, die auch mich dem Wahnſinn
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Menſchengebäude laſſen ſich nicht aufführen, wehren kann
man ſich nicht, entfliehen auch nicht. Hütten aber, und ſtille
Anſtalten ſind zu treffen: dazu aber ſind die Guten zu ſtolz.
Einen Namen ſollen ihre Thaten, ihre Werke haben; nach
Alexander, nach Moſes, nach Chriſtus ſollen ſie heißen. Es
ſind der Guten mehr da als je; ſeien ſie gut, leben ſie gut;
leben ſie nah, ſoviel als möglich; und dies für eine That an-
geſehen, iſt viel möglich. Die Kolonie iſt gleich da; nur ohne
Projekt, nur das Allernächſte immer gut gemacht; ſo ſehr
hindert keine Regierung, und hindern ſie wirklich, die Regie-
rungen, ſo iſt es ja gut zuſammenſein, ſich helfen, beſprechen,
ſich da wiſſen, ſehen. Kann einer ſterbend die Welt, ſein
Land retten: ich rathe es ihm und wären Sie es. Geht es?
nützt es? Das Grübeln über Rettung und die Zeit, die am-
bitiöſen Verſuche, ſind das Schlechteſte. Leben, lieben, ſtudi-
ren, fleißig ſein, heirathen, wenn’s ſo kommt, jede Kleinigkeit
recht und lebendig machen, dies iſt immer gelebt, und dies
wehrt niemand. Und von einer großen, immer größern Ver-
einigung dieſes wollender Menſchen ſollte nichts, gar nichts
entſtehen? Ein Wachsthum ſolcher Vereinigung müßte alle
rohen Anſtalten ſprengen, in ſich aufnehmen. Aber dies hat
keinen Namen, und es unterbleibt: oder es geſchieht auch nur
unbewußt; denn es geſchieht allwährend. Aber die
Braven, Sie, tummeln ſich elend. Auch ich ſehe Sie ſo, wie
Sie ſich mir mit wenigen Worten ſchilderten. Ganz ſehe ich
das ganze Sein und Thun ihrer Seele, meine lehrt mich dies.
Sie können „die Berührung des Gemeinen nicht dulden;“
das ſind ja die Strohhalme, die auch mich dem Wahnſinn
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/519>, abgerufen am 22.12.2024.
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