daß wir auch nicht heilen, nicht helfen können, wenn der von uns Geliebte leidet! Wir verstehen ihn ganz, sein Leid reißt in unserer Brust; und einsam ist er, einsam sind wir. Diese Klause, worin jede Menschenseele haftet, und wo Liebe dann und wann Leben und Leben vermählt, wie Licht, vom Him- mel geschenkt nur, hinüber trägt, -- dies ist der Graul, wo- vor der Mensch erstarrt (des Denkers Geschäft in Gebet über- gehen muß), und ich verzweifle. Mit mir ist es aus. Sie erscheinen mir, den ich lieben kann. Jung und gut dotirt, wie ich es nur wünschen mag, stehen Sie vor mir; ich lerne Sie auch genau kennen: Sie erkennen mich, ich bin Ihre Freundin; das Meiste und Beste der Welt, des Lebens, sehen wir mit gleichen Augen, mit gleichem Geiste an; fühlen, sind überzeugt, jeder vom Andern, daß er ein lebendiges, unschad- haftes Herz im Busen trägt; besitzen und lieben unsere fünf Sinne. Ich tröste mich -- wie man sich an einem Kinde etwa trösten kann -- eine ähnliche Natur in ihren besten Ver- mögen, in ihren geheimsten, feinsten Nuancen zu kennen, auf der Erde zu wissen, der es glücklicher gehen soll, als mir; kurz, -- die Worte sind alle dumm, und drücken plumpe Ge- danken und Absichten und Verhältnisse und regrets aus! -- ich kenne, durchschaue und empfinde Sie so, daß mein Glück und Ihr Glück Einen Strom geht! Sie wissen, ich halte nur auf Beieinanderleben; aber Sie sind der Erste, den ich nie wieder sehen, wieder hören will, wenn es Ihnen nur gut geht, wenn Ihre Natur mit ihren Bedürfnissen sich nur deployiren darf; Eins wissen Sie nicht, Marwitz, wie über alles zu fassende Maß dies bei mir viel ist. Wissen Sie dabei, daß Ihre Ge-
daß wir auch nicht heilen, nicht helfen können, wenn der von uns Geliebte leidet! Wir verſtehen ihn ganz, ſein Leid reißt in unſerer Bruſt; und einſam iſt er, einſam ſind wir. Dieſe Klauſe, worin jede Menſchenſeele haftet, und wo Liebe dann und wann Leben und Leben vermählt, wie Licht, vom Him- mel geſchenkt nur, hinüber trägt, — dies iſt der Graul, wo- vor der Menſch erſtarrt (des Denkers Geſchäft in Gebet über- gehen muß), und ich verzweifle. Mit mir iſt es aus. Sie erſcheinen mir, den ich lieben kann. Jung und gut dotirt, wie ich es nur wünſchen mag, ſtehen Sie vor mir; ich lerne Sie auch genau kennen: Sie erkennen mich, ich bin Ihre Freundin; das Meiſte und Beſte der Welt, des Lebens, ſehen wir mit gleichen Augen, mit gleichem Geiſte an; fühlen, ſind überzeugt, jeder vom Andern, daß er ein lebendiges, unſchad- haftes Herz im Buſen trägt; beſitzen und lieben unſere fünf Sinne. Ich tröſte mich — wie man ſich an einem Kinde etwa tröſten kann — eine ähnliche Natur in ihren beſten Ver- mögen, in ihren geheimſten, feinſten Nuancen zu kennen, auf der Erde zu wiſſen, der es glücklicher gehen ſoll, als mir; kurz, — die Worte ſind alle dumm, und drücken plumpe Ge- danken und Abſichten und Verhältniſſe und regrets aus! — ich kenne, durchſchaue und empfinde Sie ſo, daß mein Glück und Ihr Glück Einen Strom geht! Sie wiſſen, ich halte nur auf Beieinanderleben; aber Sie ſind der Erſte, den ich nie wieder ſehen, wieder hören will, wenn es Ihnen nur gut geht, wenn Ihre Natur mit ihren Bedürfniſſen ſich nur deployiren darf; Eins wiſſen Sie nicht, Marwitz, wie über alles zu faſſende Maß dies bei mir viel iſt. Wiſſen Sie dabei, daß Ihre Ge-
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daß wir auch nicht heilen, nicht helfen können, wenn der von
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und wann Leben und Leben vermählt, wie Licht, vom Him-
mel geſchenkt nur, hinüber trägt, — dies iſt der Graul, wo-
vor der Menſch erſtarrt (des Denkers Geſchäft in Gebet über-
gehen muß), und ich verzweifle. Mit mir iſt es aus. Sie
erſcheinen mir, den ich lieben kann. Jung und gut dotirt,
wie ich es nur wünſchen mag, ſtehen Sie vor mir; ich lerne
Sie auch genau kennen: Sie erkennen mich, ich bin Ihre
Freundin; das Meiſte und Beſte der Welt, des Lebens, ſehen
wir mit gleichen Augen, mit gleichem Geiſte an; fühlen, ſind
überzeugt, jeder vom Andern, daß er ein lebendiges, unſchad-
haftes Herz im Buſen trägt; beſitzen und lieben unſere fünf
Sinne. Ich tröſte mich — wie man ſich an einem Kinde
etwa tröſten kann — eine ähnliche Natur in ihren beſten Ver-
mögen, in ihren geheimſten, feinſten Nuancen zu kennen, auf
der Erde zu wiſſen, der es glücklicher gehen ſoll, als mir;
kurz, — die Worte ſind alle dumm, und drücken plumpe Ge-
danken und Abſichten und Verhältniſſe und regrets aus! — ich
kenne, durchſchaue und empfinde Sie ſo, daß mein Glück und
Ihr Glück Einen Strom geht! Sie wiſſen, ich halte nur auf
Beieinanderleben; aber Sie ſind der Erſte, den ich nie wieder
ſehen, wieder hören will, wenn es Ihnen nur gut geht, wenn
Ihre Natur mit ihren Bedürfniſſen ſich nur deployiren darf;
Eins wiſſen Sie nicht, Marwitz, wie über alles zu faſſende
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/514>, abgerufen am 22.12.2024.
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