zu erlangen. Dieses Bestreben raubt mir auch noch den letz- ten Rest von äußerem Talent. Mein Urtheil aber, ist so ge- bildet, und in einem so hohen Grade fertig, daß dies eins ist.
-- Wenn ein Mann von einem Weibe, und einer erst kürzlich Bekannten, borgt, hasse ich: besonders, wenn noch bekannte Männer vorhanden sind. Dies in Betreff M's. -- Ganz recht! Ich, und meine Briefe, und alle meine Äußerun- gen, müssen immer sehr "verschiedene Empfindungen" in Ihnen hervorbringen. Es ist in mir noch ein für Sie unverdauliches Ingrediens. Es wird Ihnen dereinst desto besser schmecken, und bekommen. Meine einmalige Mischung -- trempe -- ist nicht zu ändern: und wenn man sie karakterisiren wollte, muß man dies von ihr sagen. -- Mich peinigt jetzt meine Schwäche, und mein sehr unbequemes Ausziehen. Mein neues Quartier ist nicht frei. Alle meine alte Meubel muß ich um- arbeiten lassen. Und am Ende bin ich mesquin, und gar in keiner Art wie ich will auf einem Orte eingerichtet, wo ich nur hingehöre, weil ich so lange auf ihm geblieben bin. Ich fühle es ewig, und tief, daß ich keine Bürgerin bin; und unser Thal keine Gegend, kein Klima hat. Adieu. Viel Ver- gnügen. Kommen Sie bald.
Rahel.
Vorhin wurde ich von einem Besuch gestört, und war so ärgerlich drüber, daß ich lieber den Brief schloß, ohne nach der Person aufzusehen. Noch ein Wort von St. M. Ich würde Ihnen gratuliren, wenn er durch einen lahmen Arm von der Armee kommen könnte, wie der deutsche junge Mann: ich kann mich auf seinen Namen nicht besinnen; -- (Türck- heim, diable!!) jetzt aber weiß ich wirklich nichts zu sagen,
zu erlangen. Dieſes Beſtreben raubt mir auch noch den letz- ten Reſt von äußerem Talent. Mein Urtheil aber, iſt ſo ge- bildet, und in einem ſo hohen Grade fertig, daß dies eins iſt.
— Wenn ein Mann von einem Weibe, und einer erſt kürzlich Bekannten, borgt, haſſe ich: beſonders, wenn noch bekannte Männer vorhanden ſind. Dies in Betreff M’s. — Ganz recht! Ich, und meine Briefe, und alle meine Äußerun- gen, müſſen immer ſehr „verſchiedene Empfindungen“ in Ihnen hervorbringen. Es iſt in mir noch ein für Sie unverdauliches Ingrediens. Es wird Ihnen dereinſt deſto beſſer ſchmecken, und bekommen. Meine einmalige Miſchung — trempe — iſt nicht zu ändern: und wenn man ſie karakteriſiren wollte, muß man dies von ihr ſagen. — Mich peinigt jetzt meine Schwäche, und mein ſehr unbequemes Ausziehen. Mein neues Quartier iſt nicht frei. Alle meine alte Meubel muß ich um- arbeiten laſſen. Und am Ende bin ich mesquin, und gar in keiner Art wie ich will auf einem Orte eingerichtet, wo ich nur hingehöre, weil ich ſo lange auf ihm geblieben bin. Ich fühle es ewig, und tief, daß ich keine Bürgerin bin; und unſer Thal keine Gegend, kein Klima hat. Adieu. Viel Ver- gnügen. Kommen Sie bald.
Rahel.
Vorhin wurde ich von einem Beſuch geſtört, und war ſo ärgerlich drüber, daß ich lieber den Brief ſchloß, ohne nach der Perſon aufzuſehen. Noch ein Wort von St. M. Ich würde Ihnen gratuliren, wenn er durch einen lahmen Arm von der Armee kommen könnte, wie der deutſche junge Mann: ich kann mich auf ſeinen Namen nicht beſinnen; — (Türck- heim, diable!!) jetzt aber weiß ich wirklich nichts zu ſagen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0493"n="479"/>
zu erlangen. Dieſes Beſtreben raubt mir auch noch den letz-<lb/>
ten Reſt von äußerem Talent. Mein Urtheil aber, iſt ſo ge-<lb/>
bildet, und in einem ſo hohen Grade fertig, daß dies eins iſt.</p><lb/><p>— Wenn ein Mann von einem Weibe, und einer erſt<lb/>
kürzlich Bekannten, borgt, haſſe ich: beſonders, wenn noch<lb/>
bekannte Männer vorhanden ſind. Dies in Betreff M’s. —<lb/>
Ganz recht! Ich, und meine Briefe, und alle meine Äußerun-<lb/>
gen, müſſen immer ſehr „verſchiedene Empfindungen“ in Ihnen<lb/>
hervorbringen. Es iſt in mir noch ein für Sie unverdauliches<lb/>
Ingrediens. Es wird Ihnen dereinſt deſto beſſer ſchmecken,<lb/>
und bekommen. Meine einmalige Miſchung —<hirendition="#aq">trempe</hi>—<lb/>
iſt nicht zu ändern: und wenn man ſie karakteriſiren wollte,<lb/>
muß man dies von ihr ſagen. — Mich peinigt jetzt meine<lb/>
Schwäche, und mein ſehr unbequemes Ausziehen. Mein neues<lb/>
Quartier iſt nicht frei. <hirendition="#g">Alle</hi> meine alte Meubel muß ich um-<lb/>
arbeiten laſſen. Und am Ende bin ich <hirendition="#aq">mesquin</hi>, und gar in<lb/>
keiner Art wie ich will auf einem Orte eingerichtet, wo ich<lb/>
nur hingehöre, weil ich ſo lange auf ihm geblieben bin. Ich<lb/>
fühle es ewig, und tief, daß ich keine Bürgerin bin; und<lb/>
unſer Thal keine Gegend, kein Klima hat. Adieu. Viel Ver-<lb/>
gnügen. Kommen Sie bald.</p><closer><salute><hirendition="#et">Rahel.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Vorhin wurde ich von einem Beſuch geſtört, und war ſo<lb/>
ärgerlich drüber, daß ich lieber den Brief ſchloß, ohne nach<lb/>
der Perſon aufzuſehen. Noch ein Wort von St. M. Ich<lb/>
würde Ihnen gratuliren, wenn er durch einen lahmen Arm<lb/>
von der Armee kommen könnte, wie der deutſche junge Mann:<lb/>
ich kann mich auf ſeinen Namen nicht beſinnen; — (Türck-<lb/>
heim, <hirendition="#aq">diable!!</hi>) jetzt aber weiß ich wirklich nichts zu ſagen,<lb/></p></postscript></div></div></body></text></TEI>
[479/0493]
zu erlangen. Dieſes Beſtreben raubt mir auch noch den letz-
ten Reſt von äußerem Talent. Mein Urtheil aber, iſt ſo ge-
bildet, und in einem ſo hohen Grade fertig, daß dies eins iſt.
— Wenn ein Mann von einem Weibe, und einer erſt
kürzlich Bekannten, borgt, haſſe ich: beſonders, wenn noch
bekannte Männer vorhanden ſind. Dies in Betreff M’s. —
Ganz recht! Ich, und meine Briefe, und alle meine Äußerun-
gen, müſſen immer ſehr „verſchiedene Empfindungen“ in Ihnen
hervorbringen. Es iſt in mir noch ein für Sie unverdauliches
Ingrediens. Es wird Ihnen dereinſt deſto beſſer ſchmecken,
und bekommen. Meine einmalige Miſchung — trempe —
iſt nicht zu ändern: und wenn man ſie karakteriſiren wollte,
muß man dies von ihr ſagen. — Mich peinigt jetzt meine
Schwäche, und mein ſehr unbequemes Ausziehen. Mein neues
Quartier iſt nicht frei. Alle meine alte Meubel muß ich um-
arbeiten laſſen. Und am Ende bin ich mesquin, und gar in
keiner Art wie ich will auf einem Orte eingerichtet, wo ich
nur hingehöre, weil ich ſo lange auf ihm geblieben bin. Ich
fühle es ewig, und tief, daß ich keine Bürgerin bin; und
unſer Thal keine Gegend, kein Klima hat. Adieu. Viel Ver-
gnügen. Kommen Sie bald.
Rahel.
Vorhin wurde ich von einem Beſuch geſtört, und war ſo
ärgerlich drüber, daß ich lieber den Brief ſchloß, ohne nach
der Perſon aufzuſehen. Noch ein Wort von St. M. Ich
würde Ihnen gratuliren, wenn er durch einen lahmen Arm
von der Armee kommen könnte, wie der deutſche junge Mann:
ich kann mich auf ſeinen Namen nicht beſinnen; — (Türck-
heim, diable!!) jetzt aber weiß ich wirklich nichts zu ſagen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/493>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.