doch wo möglich aus, daß die Charlottenburger Chaussee re- parirt wird! Es ist die einzige im Lande, die danieder liegt; und grade die, auf der ich, und alle guten Einwohner Ihres -- doch ewig Ihres -- Berlins leben und hausen. Es kostet Sie ein Wort, und Steinchen blüht darauf neben Steinchen! Eine Grausamkeit wär' es gegen mich, wenn Sie dieses Wort nicht sprechen: und für ewig wüßt' ich, wie es mit dem Hasse steht. Denken Sie sich die Wallungen meines Herzens für Sie, wenn meine Augen den ersten Arbeiter auf diesem Wege sehen. Fünf Tage geht ein Brief von hier zu Ihnen: in vier- zehn kann schon der Chausseemann und mein Herz hammern. Ich fürchte mich recht, daß Sie so viel von meiner Ihnen ver- haßten, und in der That diesmal abscheulichen Handschrift sehen müssen: zerreißen Sie ja gleich diesen Brief! Leben Sie wohl; ich muß den Brief sieglen, und habe noch nicht zu Hrn. von Laroche geschickt.
Ich habe Ihr Geschenk schon um: es ist vom besten Ge- schmack! Goethe wollte mir schon einen Rosenkranz schenken; und versäumte es. Zehen Jahr später mußt' ich ihn von Ih- nen bekommen. Es freut mich ungemein. Unsere Eleganten vom höchsten Schlage tragen ihn, und Ihnen danke ich ihn am liebsten. Leben Sie wohl.
Montag, den 3. Juli 1809.
Ich ganz allein und krank. Ganz allein, und froh drü- ber; gelesen; gelegen. Gehen konnte ich nicht. Abends um S. der Besuch! komplett unausstehlich, überzeugungsunfähig. Schlechter Kopf. Englischer Romanheld in Stolz. Närrisch
ganz
doch wo möglich aus, daß die Charlottenburger Chauſſée re- parirt wird! Es iſt die einzige im Lande, die danieder liegt; und grade die, auf der ich, und alle guten Einwohner Ihres — doch ewig Ihres — Berlins leben und hauſen. Es koſtet Sie ein Wort, und Steinchen blüht darauf neben Steinchen! Eine Grauſamkeit wär’ es gegen mich, wenn Sie dieſes Wort nicht ſprechen: und für ewig wüßt’ ich, wie es mit dem Haſſe ſteht. Denken Sie ſich die Wallungen meines Herzens für Sie, wenn meine Augen den erſten Arbeiter auf dieſem Wege ſehen. Fünf Tage geht ein Brief von hier zu Ihnen: in vier- zehn kann ſchon der Chauſſéemann und mein Herz hammern. Ich fürchte mich recht, daß Sie ſo viel von meiner Ihnen ver- haßten, und in der That diesmal abſcheulichen Handſchrift ſehen müſſen: zerreißen Sie ja gleich dieſen Brief! Leben Sie wohl; ich muß den Brief ſieglen, und habe noch nicht zu Hrn. von Laroche geſchickt.
Ich habe Ihr Geſchenk ſchon um: es iſt vom beſten Ge- ſchmack! Goethe wollte mir ſchon einen Roſenkranz ſchenken; und verſäumte es. Zehen Jahr ſpäter mußt’ ich ihn von Ih- nen bekommen. Es freut mich ungemein. Unſere Eleganten vom höchſten Schlage tragen ihn, und Ihnen danke ich ihn am liebſten. Leben Sie wohl.
Montag, den 3. Juli 1809.
Ich ganz allein und krank. Ganz allein, und froh drü- ber; geleſen; gelegen. Gehen konnte ich nicht. Abends um S. der Beſuch! komplett unausſtehlich, überzeugungsunfähig. Schlechter Kopf. Engliſcher Romanheld in Stolz. Närriſch
ganz
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0446"n="432"/>
doch wo möglich aus, daß die Charlottenburger Chauſſ<hirendition="#aq">é</hi>e re-<lb/>
parirt wird! Es iſt die einzige im Lande, die danieder liegt;<lb/>
und grade die, auf der ich, und alle guten Einwohner Ihres<lb/>— doch ewig Ihres — Berlins leben und hauſen. Es koſtet<lb/>
Sie ein Wort, und Steinchen blüht darauf neben Steinchen!<lb/>
Eine Grauſamkeit wär’ es gegen mich, wenn Sie dieſes Wort<lb/>
nicht ſprechen: und für ewig wüßt’ ich, wie es mit dem <hirendition="#g">Haſſe</hi><lb/>ſteht. Denken Sie ſich die Wallungen meines Herzens für<lb/>
Sie, wenn meine Augen den erſten Arbeiter auf dieſem Wege<lb/>ſehen. Fünf Tage geht ein Brief von hier zu Ihnen: in vier-<lb/>
zehn kann ſchon der Chauſſ<hirendition="#aq">é</hi>emann und mein Herz hammern.<lb/>
Ich fürchte mich recht, daß Sie ſo viel von meiner Ihnen ver-<lb/>
haßten, und in der That diesmal abſcheulichen Handſchrift<lb/>ſehen müſſen: zerreißen Sie ja gleich dieſen Brief! Leben Sie<lb/>
wohl; ich muß den Brief ſieglen, und habe noch nicht zu Hrn.<lb/>
von Laroche geſchickt.</p><lb/><p>Ich habe Ihr Geſchenk ſchon um: es iſt vom beſten Ge-<lb/>ſchmack! Goethe wollte mir ſchon einen Roſenkranz ſchenken;<lb/>
und verſäumte es. Zehen Jahr ſpäter mußt’ ich ihn von Ih-<lb/>
nen bekommen. Es freut mich ungemein. Unſere Eleganten<lb/>
vom höchſten Schlage tragen ihn, und Ihnen danke ich ihn<lb/>
am liebſten. Leben Sie wohl.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Montag, den 3. Juli 1809.</hi></dateline><lb/><p>Ich ganz allein und krank. Ganz allein, und froh drü-<lb/>
ber; geleſen; gelegen. Gehen konnte ich nicht. Abends um <hirendition="#aq">S.</hi><lb/>
der Beſuch! komplett unausſtehlich, überzeugungsunfähig.<lb/>
Schlechter Kopf. Engliſcher Romanheld in Stolz. Närriſch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ganz</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[432/0446]
doch wo möglich aus, daß die Charlottenburger Chauſſée re-
parirt wird! Es iſt die einzige im Lande, die danieder liegt;
und grade die, auf der ich, und alle guten Einwohner Ihres
— doch ewig Ihres — Berlins leben und hauſen. Es koſtet
Sie ein Wort, und Steinchen blüht darauf neben Steinchen!
Eine Grauſamkeit wär’ es gegen mich, wenn Sie dieſes Wort
nicht ſprechen: und für ewig wüßt’ ich, wie es mit dem Haſſe
ſteht. Denken Sie ſich die Wallungen meines Herzens für
Sie, wenn meine Augen den erſten Arbeiter auf dieſem Wege
ſehen. Fünf Tage geht ein Brief von hier zu Ihnen: in vier-
zehn kann ſchon der Chauſſéemann und mein Herz hammern.
Ich fürchte mich recht, daß Sie ſo viel von meiner Ihnen ver-
haßten, und in der That diesmal abſcheulichen Handſchrift
ſehen müſſen: zerreißen Sie ja gleich dieſen Brief! Leben Sie
wohl; ich muß den Brief ſieglen, und habe noch nicht zu Hrn.
von Laroche geſchickt.
Ich habe Ihr Geſchenk ſchon um: es iſt vom beſten Ge-
ſchmack! Goethe wollte mir ſchon einen Roſenkranz ſchenken;
und verſäumte es. Zehen Jahr ſpäter mußt’ ich ihn von Ih-
nen bekommen. Es freut mich ungemein. Unſere Eleganten
vom höchſten Schlage tragen ihn, und Ihnen danke ich ihn
am liebſten. Leben Sie wohl.
Montag, den 3. Juli 1809.
Ich ganz allein und krank. Ganz allein, und froh drü-
ber; geleſen; gelegen. Gehen konnte ich nicht. Abends um S.
der Beſuch! komplett unausſtehlich, überzeugungsunfähig.
Schlechter Kopf. Engliſcher Romanheld in Stolz. Närriſch
ganz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/446>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.