schlecht: und was ich Ihnen sage, Liebe, sagte ich, beim All- mächtigen! mir selbst, und habe es mir gesagt. Leben Sie wohl! über mich sein Sie ganz ruhig, ich habe nur einige schlechte Stunden. Leben Sie wohl! Es ist gut, daß Sie sich gestern mit den Menschen zwangen, und sie unterhielten und im Gang erhielten. Es zerstreut, weil es beschäftigt. Sie werden schon immer geschickter werden. Ich denke viel an Sie! Adieu. Ich kann gar nicht mehr! Lesen Sie meinen großen Brief, als käm' er erst in acht Tagen an!
An Gustav von Brinckmann, in Königsberg.
Berlin, den 8. Januar 1808. Freitag Abend um 8 Uhr.
Lieber Brinckmann! Wie ist alles anders! O! dürft' ich reden! vermöchte ich es auch! Sie sind der erste Mensch -- außer Bruderbriefe nach Hamburg -- dem ich seitdem ein Wort schreibe. Als ich Ihren letzten, vierten Brief vom 27. November 1807. bekam, konnte ich vor Fieber ihn kaum lesen; schreiben, lieber, alter, wahrer Freund, kann ich noch nicht. Mir stehen die lichten Thränen bei diesen Worten in den Au- gen, O! Gott, was ist geworden, seit ich zu einem solchen nicht sprach, Wie vermehrte Ihr Brief, Ihr sanfter, deßhalb verwundender Brief mein Fieber! Schuldig scheine ich nur: aber ist das nicht tausendfach genug? verließ ich Sie nicht scheinbar -- und was haben Menschen anders -- im Leben -- was haben wir anders, als das bischen Überfahrt! Aber nie- drig bin ich nicht geworden. Weil es mir gut geht, ist es
ſchlecht: und was ich Ihnen ſage, Liebe, ſagte ich, beim All- mächtigen! mir ſelbſt, und habe es mir geſagt. Leben Sie wohl! über mich ſein Sie ganz ruhig, ich habe nur einige ſchlechte Stunden. Leben Sie wohl! Es iſt gut, daß Sie ſich geſtern mit den Menſchen zwangen, und ſie unterhielten und im Gang erhielten. Es zerſtreut, weil es beſchäftigt. Sie werden ſchon immer geſchickter werden. Ich denke viel an Sie! Adieu. Ich kann gar nicht mehr! Leſen Sie meinen großen Brief, als käm’ er erſt in acht Tagen an!
An Guſtav von Brinckmann, in Königsberg.
Berlin, den 8. Januar 1808. Freitag Abend um 8 Uhr.
Lieber Brinckmann! Wie iſt alles anders! O! dürft’ ich reden! vermöchte ich es auch! Sie ſind der erſte Menſch — außer Bruderbriefe nach Hamburg — dem ich ſeitdem ein Wort ſchreibe. Als ich Ihren letzten, vierten Brief vom 27. November 1807. bekam, konnte ich vor Fieber ihn kaum leſen; ſchreiben, lieber, alter, wahrer Freund, kann ich noch nicht. Mir ſtehen die lichten Thränen bei dieſen Worten in den Au- gen, O! Gott, was iſt geworden, ſeit ich zu einem ſolchen nicht ſprach, Wie vermehrte Ihr Brief, Ihr ſanfter, deßhalb verwundender Brief mein Fieber! Schuldig ſcheine ich nur: aber iſt das nicht tauſendfach genug? verließ ich Sie nicht ſcheinbar — und was haben Menſchen anders — im Leben — was haben wir anders, als das bischen Überfahrt! Aber nie- drig bin ich nicht geworden. Weil es mir gut geht, iſt es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0341"n="327"/>ſchlecht: und was ich Ihnen ſage, Liebe, ſagte ich, beim All-<lb/>
mächtigen! mir ſelbſt, und habe es mir geſagt. Leben Sie<lb/>
wohl! über mich ſein Sie ganz ruhig, ich habe nur einige<lb/>ſchlechte Stunden. Leben Sie wohl! Es iſt gut, daß Sie<lb/>ſich geſtern mit den Menſchen zwangen, und ſie unterhielten<lb/>
und im Gang erhielten. Es zerſtreut, weil es beſchäftigt.<lb/>
Sie werden ſchon immer geſchickter werden. Ich denke viel<lb/>
an Sie! Adieu. Ich kann gar nicht mehr! Leſen Sie meinen<lb/>
großen Brief, als käm’ er erſt in acht Tagen an!</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Guſtav von Brinckmann, in Königsberg.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 8. Januar 1808.<lb/>
Freitag Abend um 8 Uhr.</hi></dateline><lb/><p>Lieber Brinckmann! Wie iſt alles anders! O! dürft’ ich<lb/>
reden! vermöchte ich es auch! <hirendition="#g">Sie</hi>ſind der erſte Menſch —<lb/>
außer Bruderbriefe nach Hamburg — dem ich <hirendition="#g">ſeitdem</hi> ein<lb/>
Wort ſchreibe. Als ich Ihren letzten, vierten Brief vom 27.<lb/>
November 1807. bekam, konnte ich vor Fieber ihn kaum leſen;<lb/>ſchreiben, lieber, alter, wahrer Freund, kann ich noch nicht.<lb/>
Mir ſtehen die lichten Thränen bei dieſen Worten in den Au-<lb/>
gen, O! Gott, was iſt geworden, ſeit ich zu einem ſolchen<lb/>
nicht ſprach, Wie vermehrte Ihr Brief, Ihr ſanfter, deßhalb<lb/>
verwundender Brief mein Fieber! Schuldig ſcheine ich nur:<lb/>
aber iſt das nicht tauſendfach genug? verließ ich Sie nicht<lb/>ſcheinbar — und was haben Menſchen anders — im Leben —<lb/>
was haben wir anders, als das bischen Überfahrt! Aber nie-<lb/>
drig bin ich nicht geworden. Weil es mir gut geht, iſt es<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[327/0341]
ſchlecht: und was ich Ihnen ſage, Liebe, ſagte ich, beim All-
mächtigen! mir ſelbſt, und habe es mir geſagt. Leben Sie
wohl! über mich ſein Sie ganz ruhig, ich habe nur einige
ſchlechte Stunden. Leben Sie wohl! Es iſt gut, daß Sie
ſich geſtern mit den Menſchen zwangen, und ſie unterhielten
und im Gang erhielten. Es zerſtreut, weil es beſchäftigt.
Sie werden ſchon immer geſchickter werden. Ich denke viel
an Sie! Adieu. Ich kann gar nicht mehr! Leſen Sie meinen
großen Brief, als käm’ er erſt in acht Tagen an!
An Guſtav von Brinckmann, in Königsberg.
Berlin, den 8. Januar 1808.
Freitag Abend um 8 Uhr.
Lieber Brinckmann! Wie iſt alles anders! O! dürft’ ich
reden! vermöchte ich es auch! Sie ſind der erſte Menſch —
außer Bruderbriefe nach Hamburg — dem ich ſeitdem ein
Wort ſchreibe. Als ich Ihren letzten, vierten Brief vom 27.
November 1807. bekam, konnte ich vor Fieber ihn kaum leſen;
ſchreiben, lieber, alter, wahrer Freund, kann ich noch nicht.
Mir ſtehen die lichten Thränen bei dieſen Worten in den Au-
gen, O! Gott, was iſt geworden, ſeit ich zu einem ſolchen
nicht ſprach, Wie vermehrte Ihr Brief, Ihr ſanfter, deßhalb
verwundender Brief mein Fieber! Schuldig ſcheine ich nur:
aber iſt das nicht tauſendfach genug? verließ ich Sie nicht
ſcheinbar — und was haben Menſchen anders — im Leben —
was haben wir anders, als das bischen Überfahrt! Aber nie-
drig bin ich nicht geworden. Weil es mir gut geht, iſt es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/341>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.