Ich weiß gar nicht, wie man ein Misanthrop sein kann?' Je mehr mir die Menschen im Einzelnen Schlechtes thun, je empfindlicher werde ich gegen jedes gute Wort: ich liebe immer wieder Neue. Es ist auch von den andern nur Ausrede; die liebten nie Menschen; sondern allerhand Dinge? -- Und ein Haß, ein sogenannter, ein Mißverhältniß, welches aufthaut, ist wahrlich eine Art Frühling, Ankündigung neuen Lebens, und Atmosphäre zum Athmen. Nur das Gute ist wahr; das andere Verwirrung und ganz negativ.
Dienstag, den 14. Juni 1807.
-- Der Mann, von dem ich sprach, es ist der Freund -- der einzige -- der mich zwar vergessen hat -- dem ich's tau- sendmal vorher sagte -- und der mich nicht vergessen kann -- weil ich eins seiner moralischen Ideale realisirt, ja auch ge- schaffen habe -- wenn er mich sieht, wieder an mich denken muß --, der mir kürzlich die viele Angst gab; dessen Ge- müth und Dummheit ich ewig lieben werde; der jede Wahrheit faßt: ach! und Sie glauben nicht, und niemand, wie wenig Geistern dies Talent ward! -- (Gentz!) -- Sie glauben nicht, wie gerührt ich von dem lebendigen Andenken dieses Menschen und dieser Dinge bin! Alles müssen wir lassen: unsere innigste, intimste Empfindung! Ach und kein Sterblicher, kein Nero, kein Spinoza, keiner, keiner, kein Mann! war je überzeug- ter davon als ich!!! mit dem rauhsten, mit dem zartesten Herzen! Ach Gott! --
Den 21. Mai 1807.
Ich weiß gar nicht, wie man ein Miſanthrop ſein kann?′ Je mehr mir die Menſchen im Einzelnen Schlechtes thun, je empfindlicher werde ich gegen jedes gute Wort: ich liebe immer wieder Neue. Es iſt auch von den andern nur Ausrede; die liebten nie Menſchen; ſondern allerhand Dinge? — Und ein Haß, ein ſogenannter, ein Mißverhältniß, welches aufthaut, iſt wahrlich eine Art Frühling, Ankündigung neuen Lebens, und Atmoſphäre zum Athmen. Nur das Gute iſt wahr; das andere Verwirrung und ganz negativ.
Dienstag, den 14. Juni 1807.
— Der Mann, von dem ich ſprach, es iſt der Freund — der einzige — der mich zwar vergeſſen hat — dem ich’s tau- ſendmal vorher ſagte — und der mich nicht vergeſſen kann — weil ich eins ſeiner moraliſchen Ideale realiſirt, ja auch ge- ſchaffen habe — wenn er mich ſieht, wieder an mich denken muß —, der mir kürzlich die viele Angſt gab; deſſen Ge- müth und Dummheit ich ewig lieben werde; der jede Wahrheit faßt: ach! und Sie glauben nicht, und niemand, wie wenig Geiſtern dies Talent ward! — (Gentz!) — Sie glauben nicht, wie gerührt ich von dem lebendigen Andenken dieſes Menſchen und dieſer Dinge bin! Alles müſſen wir laſſen: unſere innigſte, intimſte Empfindung! Ach und kein Sterblicher, kein Nero, kein Spinoza, keiner, keiner, kein Mann! war je überzeug- ter davon als ich!!! mit dem rauhſten, mit dem zarteſten Herzen! Ach Gott! —
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Den 21. Mai 1807.
Ich weiß gar nicht, wie man ein Miſanthrop ſein kann?′
Je mehr mir die Menſchen im Einzelnen Schlechtes thun, je
empfindlicher werde ich gegen jedes gute Wort: ich liebe immer
wieder Neue. Es iſt auch von den andern nur Ausrede; die
liebten nie Menſchen; ſondern allerhand Dinge? — Und ein
Haß, ein ſogenannter, ein Mißverhältniß, welches aufthaut,
iſt wahrlich eine Art Frühling, Ankündigung neuen Lebens,
und Atmoſphäre zum Athmen. Nur das Gute iſt wahr; das
andere Verwirrung und ganz negativ.
Dienstag, den 14. Juni 1807.
— Der Mann, von dem ich ſprach, es iſt der Freund —
der einzige — der mich zwar vergeſſen hat — dem ich’s tau-
ſendmal vorher ſagte — und der mich nicht vergeſſen kann —
weil ich eins ſeiner moraliſchen Ideale realiſirt, ja auch ge-
ſchaffen habe — wenn er mich ſieht, wieder an mich denken
muß —, der mir kürzlich die viele Angſt gab; deſſen Ge-
müth und Dummheit ich ewig lieben werde; der jede Wahrheit
faßt: ach! und Sie glauben nicht, und niemand, wie wenig
Geiſtern dies Talent ward! — (Gentz!) — Sie glauben nicht,
wie gerührt ich von dem lebendigen Andenken dieſes Menſchen
und dieſer Dinge bin! Alles müſſen wir laſſen: unſere innigſte,
intimſte Empfindung! Ach und kein Sterblicher, kein Nero,
kein Spinoza, keiner, keiner, kein Mann! war je überzeug-
ter davon als ich!!! mit dem rauhſten, mit dem zarteſten
Herzen! Ach Gott! —
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/333>, abgerufen am 23.11.2024.
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