ich. Dein Vorschlag, mir und der Guten, so zu sagen, zu- gleich zu schreiben, widersteht mir. Fühl doch, daß du un- möglich mit der Geistesvigueur, und Freiheit, und Scherz, in allem Ernst und Kürze über jede Sache an sie schreiben kannst, als an mich! und daß unwillkürlich dadurch der Brief schon anders wird: obgleich deinem gestrigen nichts anzumerken ist. Glaubst du denn nicht, daß ich auch deine Briefe aufbewah- ren würde? und über Staaten, Völker, und Litteratur, sogar Racen, das ist ja alles für mich. Doch wie du willst.
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, Sommer 1806.
-- Liebe Freundin! Lassen Sie große Herzen für sich mitgelitten haben; entzünden solche Geister das Licht des Ihrigen früher! Haben Sie nur den Willen sich zu heilen -- es ist wie eine Wunde: auch sie entzündet fieberhaft jedes Lebensprinzip, -- verbannen Sie, wenn es nur möglich ist, das Willkürliche, wahrhaft Leidenschaftliche! Hören Sie auf Goethe -- mit Thränen schreibe ich den Namen dieses Vermittlers in Erinnerung großer Drangsale, -- der es im Meister deutlich sagt, daß die Jugend zu viel Kräfte zu haben glaubt, und sie aus Willkür dem verlorenen Gute wie nachwirft. Er sagt es anders. Lesen Sie es nach, liebe Tochter, wie man die Bibel im Unglück liest: wo Meister Marianen verliert, im ersten Bande steht es; er wird krank, und Goethe schließt ein Kapitel damit; es ist eine Götter- stelle, ein Wolkenspruch über diesen Drang der Jugend.
ich. Dein Vorſchlag, mir und der Guten, ſo zu ſagen, zu- gleich zu ſchreiben, widerſteht mir. Fühl doch, daß du un- möglich mit der Geiſtesvigueur, und Freiheit, und Scherz, in allem Ernſt und Kürze über jede Sache an ſie ſchreiben kannſt, als an mich! und daß unwillkürlich dadurch der Brief ſchon anders wird: obgleich deinem geſtrigen nichts anzumerken iſt. Glaubſt du denn nicht, daß ich auch deine Briefe aufbewah- ren würde? und über Staaten, Völker, und Litteratur, ſogar Racen, das iſt ja alles für mich. Doch wie du willſt.
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, Sommer 1806.
— Liebe Freundin! Laſſen Sie große Herzen für ſich mitgelitten haben; entzünden ſolche Geiſter das Licht des Ihrigen früher! Haben Sie nur den Willen ſich zu heilen — es iſt wie eine Wunde: auch ſie entzündet fieberhaft jedes Lebensprinzip, — verbannen Sie, wenn es nur möglich iſt, das Willkürliche, wahrhaft Leidenſchaftliche! Hören Sie auf Goethe — mit Thränen ſchreibe ich den Namen dieſes Vermittlers in Erinnerung großer Drangſale, — der es im Meiſter deutlich ſagt, daß die Jugend zu viel Kräfte zu haben glaubt, und ſie aus Willkür dem verlorenen Gute wie nachwirft. Er ſagt es anders. Leſen Sie es nach, liebe Tochter, wie man die Bibel im Unglück lieſt: wo Meiſter Marianen verliert, im erſten Bande ſteht es; er wird krank, und Goethe ſchließt ein Kapitel damit; es iſt eine Götter- ſtelle, ein Wolkenſpruch über dieſen Drang der Jugend.
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ich. Dein Vorſchlag, mir und der Guten, ſo zu ſagen, zu-
gleich zu ſchreiben, widerſteht mir. Fühl doch, daß du un-
möglich mit der Geiſtesvigueur, und Freiheit, und Scherz, in
allem Ernſt und Kürze über jede Sache an ſie ſchreiben kannſt,
als an mich! und daß unwillkürlich dadurch der Brief ſchon
anders wird: obgleich deinem geſtrigen nichts anzumerken iſt.
Glaubſt du denn nicht, daß ich auch deine Briefe aufbewah-
ren würde? und über Staaten, Völker, und Litteratur, ſogar
Racen, das iſt ja alles für mich. Doch wie du willſt.
An Frau von F., in Berlin.
Berlin, Sommer 1806.
— Liebe Freundin! Laſſen Sie große Herzen für ſich
mitgelitten haben; entzünden ſolche Geiſter das Licht des
Ihrigen früher! Haben Sie nur den Willen ſich zu heilen
— es iſt wie eine Wunde: auch ſie entzündet fieberhaft
jedes Lebensprinzip, — verbannen Sie, wenn es nur möglich
iſt, das Willkürliche, wahrhaft Leidenſchaftliche! Hören Sie
auf Goethe — mit Thränen ſchreibe ich den Namen dieſes
Vermittlers in Erinnerung großer Drangſale, — der es im
Meiſter deutlich ſagt, daß die Jugend zu viel Kräfte zu
haben glaubt, und ſie aus Willkür dem verlorenen Gute wie
nachwirft. Er ſagt es anders. Leſen Sie es nach, liebe
Tochter, wie man die Bibel im Unglück lieſt: wo Meiſter
Marianen verliert, im erſten Bande ſteht es; er wird krank,
und Goethe ſchließt ein Kapitel damit; es iſt eine Götter-
ſtelle, ein Wolkenſpruch über dieſen Drang der Jugend.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/307>, abgerufen am 30.11.2024.
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