und zweifeln, ob es zum April ginge, oder der Tag wirklich zum Oktober gehört.
1801.
Es giebt recht wenig Menschen, die Einfälle haben.
Die Andern plagen einen aber abscheulich mit ihrem bis- chen Armuth.
Des wirklichen Unglücks schämt man sich.
Und man kann es eigentlich daran erkennen.
Von Menschen kommt kein Glück. Da erwartet man es nur.
An Gustav von Brinckmann, in Berlin.
Dienstag, den 17. November 1801.
Mit Graf Voß und mir hat es sich plötzlich verändert. Ich lieb' ihn nun, weil er ein unbekanntes tendre für mich hat; für mich. Erstlich, lieb' ich die Leute, die ein tendre ha- ben können, und dann, die wieder besonders, die ein unbe- kanntes haben können; und noch besonders, die, die eins für mich haben können. Ich bin so nichts, wenn man mich nicht lange kennt, daß die schon etwas bei mir gelten, die mich nur von Ansehen hassen. Welches Mitleid muß er in der Seele tragen, welcher Aufmerksamkeit muß er fähig sein, für mich
und zweifeln, ob es zum April ginge, oder der Tag wirklich zum Oktober gehört.
1801.
Es giebt recht wenig Menſchen, die Einfälle haben.
Die Andern plagen einen aber abſcheulich mit ihrem bis- chen Armuth.
Des wirklichen Unglücks ſchämt man ſich.
Und man kann es eigentlich daran erkennen.
Von Menſchen kommt kein Glück. Da erwartet man es nur.
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Dienstag, den 17. November 1801.
Mit Graf Voß und mir hat es ſich plötzlich verändert. Ich lieb’ ihn nun, weil er ein unbekanntes tendre für mich hat; für mich. Erſtlich, lieb’ ich die Leute, die ein tendre ha- ben können, und dann, die wieder beſonders, die ein unbe- kanntes haben können; und noch beſonders, die, die eins für mich haben können. Ich bin ſo nichts, wenn man mich nicht lange kennt, daß die ſchon etwas bei mir gelten, die mich nur von Anſehen haſſen. Welches Mitleid muß er in der Seele tragen, welcher Aufmerkſamkeit muß er fähig ſein, für mich
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und zweifeln, ob es zum April ginge, oder der Tag wirklich
zum Oktober gehört.
1801.
Es giebt recht wenig Menſchen, die Einfälle haben.
Die Andern plagen einen aber abſcheulich mit ihrem bis-
chen Armuth.
Des wirklichen Unglücks ſchämt man ſich.
Und man kann es eigentlich daran erkennen.
Von Menſchen kommt kein Glück. Da erwartet man
es nur.
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Dienstag, den 17. November 1801.
Mit Graf Voß und mir hat es ſich plötzlich verändert.
Ich lieb’ ihn nun, weil er ein unbekanntes tendre für mich
hat; für mich. Erſtlich, lieb’ ich die Leute, die ein tendre ha-
ben können, und dann, die wieder beſonders, die ein unbe-
kanntes haben können; und noch beſonders, die, die eins für
mich haben können. Ich bin ſo nichts, wenn man mich nicht
lange kennt, daß die ſchon etwas bei mir gelten, die mich nur
von Anſehen haſſen. Welches Mitleid muß er in der Seele
tragen, welcher Aufmerkſamkeit muß er fähig ſein, für mich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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