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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage
weder mich, noch meinen Freund an. Helden sind wir nicht;
er war's in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch
lass' ich mir meinen Vorzug. --

Wir werden uns wiedersehen, und es wird dir wohl wer-
den. Ich werde dir allerhand Trost in die Seele leben,
und das thut am besten. Du bist müssig in einen Gegenstand
verloren. Ich finde dich vertieft, aber nicht lebendig, nicht
vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her,
das thut gut: und -- liebe wenn du mußt. Thu was du
kannst; ich auch. Ich bleib dir treu, das ist auch viel. Wann
kommst du nach Berlin? Den 1. Mai reise ich nach Amster-
dam, da bleib' ich eine quinzaine, dann mit Mama zu Hause;
wo ich mit Prätension wegreiste, und ohne Forderung wieder-
komme; ich werde sie Alle besser finden, -- sie mich vielleicht
auch --, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne!
die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und
noch aufnehmen muß. --

Antworte mir. Grüß Boye; Luise, und hundertmal Lippe!
Sag, bei mir ist nichts verloren, ich wollte schon noch himm-
lisch gut gegen ihn sein. Vernachlässigen könnte man mich
nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk-
lich etwas für ihn wäre, so würde er mich immer finden.
Hübsch wär' es, wenn du mir ein karakterisirendes Wort über
deinen Freund geschrieben hättest! Laß Charlotte Rantzau,
von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige,
durch Lippe von mir grüßen.

Deine R. L.

Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage
weder mich, noch meinen Freund an. Helden ſind wir nicht;
er war’s in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch
laſſ’ ich mir meinen Vorzug. —

Wir werden uns wiederſehen, und es wird dir wohl wer-
den. Ich werde dir allerhand Troſt in die Seele leben,
und das thut am beſten. Du biſt müſſig in einen Gegenſtand
verloren. Ich finde dich vertieft, aber nicht lebendig, nicht
vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her,
das thut gut: und — liebe wenn du mußt. Thu was du
kannſt; ich auch. Ich bleib dir treu, das iſt auch viel. Wann
kommſt du nach Berlin? Den 1. Mai reiſe ich nach Amſter-
dam, da bleib’ ich eine quinzaine, dann mit Mama zu Hauſe;
wo ich mit Prätenſion wegreiſte, und ohne Forderung wieder-
komme; ich werde ſie Alle beſſer finden, — ſie mich vielleicht
auch —, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne!
die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und
noch aufnehmen muß. —

Antworte mir. Grüß Boye; Luiſe, und hundertmal Lippe!
Sag, bei mir iſt nichts verloren, ich wollte ſchon noch himm-
liſch gut gegen ihn ſein. Vernachläſſigen könnte man mich
nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk-
lich etwas für ihn wäre, ſo würde er mich immer finden.
Hübſch wär’ es, wenn du mir ein karakteriſirendes Wort über
deinen Freund geſchrieben hätteſt! Laß Charlotte Rantzau,
von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige,
durch Lippe von mir grüßen.

Deine R. L.

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[246/0260] Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage weder mich, noch meinen Freund an. Helden ſind wir nicht; er war’s in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch laſſ’ ich mir meinen Vorzug. — Wir werden uns wiederſehen, und es wird dir wohl wer- den. Ich werde dir allerhand Troſt in die Seele leben, und das thut am beſten. Du biſt müſſig in einen Gegenſtand verloren. Ich finde dich vertieft, aber nicht lebendig, nicht vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her, das thut gut: und — liebe wenn du mußt. Thu was du kannſt; ich auch. Ich bleib dir treu, das iſt auch viel. Wann kommſt du nach Berlin? Den 1. Mai reiſe ich nach Amſter- dam, da bleib’ ich eine quinzaine, dann mit Mama zu Hauſe; wo ich mit Prätenſion wegreiſte, und ohne Forderung wieder- komme; ich werde ſie Alle beſſer finden, — ſie mich vielleicht auch —, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne! die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und noch aufnehmen muß. — Antworte mir. Grüß Boye; Luiſe, und hundertmal Lippe! Sag, bei mir iſt nichts verloren, ich wollte ſchon noch himm- liſch gut gegen ihn ſein. Vernachläſſigen könnte man mich nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk- lich etwas für ihn wäre, ſo würde er mich immer finden. Hübſch wär’ es, wenn du mir ein karakteriſirendes Wort über deinen Freund geſchrieben hätteſt! Laß Charlotte Rantzau, von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige, durch Lippe von mir grüßen. Deine R. L.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/260>, abgerufen am 25.11.2024.