Unwürdige darf's doch nicht übergehen? Adieu! Bedauer mich nicht! du wirst doch nicht klug daraus. Die Vagabunden ha- ben die häuslichste Seele: das glaub! Wenn ich etwas Be- sonderes thu', glaub mit dem Pöbel nicht: ich habe mich ver- ändert; ich war lange dazu fähig, es sei auch noch so alltäglich (das Übrige würde mir schon ausgelegt werden) oder besonders. Adieu! -- Und sterb' ich -- such' alle meine Briefe -- durch List etwa -- von allen meinen Freunden und Bekannten zu bekommen (und K'n sag', ich befehl' es ihm als eine Todte und Getödtete -- nicht just von ihm -- daß er sie gebe) -- und ordne sie mit Brinckmann. Es wird eine Original-Geschichte und poetisch. Adieu! Grüß Luise. Ich glaube L. liebt sie. Giebt das bloß Thränen, oder Traue?
Dies, Freundin, bind' ich dir als eine Pflicht auf. Ich will es. Das darf man doch von einer Freundin fordern. Leb' wohl! -- Beim Schlimmsten aber -- beim Tode selbst -- lass' uns denken -- daß wir zu den Edelsten gehörten, und mit offnen Augen lebten. Adieu, liebe Freundin. Versichre dich doch endlich meiner Liebe! Adieu! --
An Frau von Boye, in Stralsund.
Berlin, Mitte Juli's 1800.
Wie kömmst du darauf, meine liebe Freundin, nicht zu wissen, daß ich von deiner Treue und Liebe überzeugt bin?! -- Jeder Mensch trägt sein Schicksal in sich: das sind Wünsche, nach Dingen, ohne die wir nicht weiter leben können. So, mußtest du fort; und mich verlassen; oder vielmehr aus den
Augen
Unwürdige darf’s doch nicht übergehen? Adieu! Bedauer mich nicht! du wirſt doch nicht klug daraus. Die Vagabunden ha- ben die häuslichſte Seele: das glaub! Wenn ich etwas Be- ſonderes thu’, glaub mit dem Pöbel nicht: ich habe mich ver- ändert; ich war lange dazu fähig, es ſei auch noch ſo alltäglich (das Übrige würde mir ſchon ausgelegt werden) oder beſonders. Adieu! — Und ſterb’ ich — ſuch’ alle meine Briefe — durch Liſt etwa — von allen meinen Freunden und Bekannten zu bekommen (und K’n ſag’, ich befehl’ es ihm als eine Todte und Getödtete — nicht juſt von ihm — daß er ſie gebe) — und ordne ſie mit Brinckmann. Es wird eine Original-Geſchichte und poetiſch. Adieu! Grüß Luiſe. Ich glaube L. liebt ſie. Giebt das bloß Thränen, oder Traue?
Dies, Freundin, bind’ ich dir als eine Pflicht auf. Ich will es. Das darf man doch von einer Freundin fordern. Leb’ wohl! — Beim Schlimmſten aber — beim Tode ſelbſt — laſſ’ uns denken — daß wir zu den Edelſten gehörten, und mit offnen Augen lebten. Adieu, liebe Freundin. Verſichre dich doch endlich meiner Liebe! Adieu! —
An Frau von Boye, in Stralſund.
Berlin, Mitte Juli’s 1800.
Wie kömmſt du darauf, meine liebe Freundin, nicht zu wiſſen, daß ich von deiner Treue und Liebe überzeugt bin?! — Jeder Menſch trägt ſein Schickſal in ſich: das ſind Wünſche, nach Dingen, ohne die wir nicht weiter leben können. So, mußteſt du fort; und mich verlaſſen; oder vielmehr aus den
Augen
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Unwürdige darf’s doch nicht übergehen? Adieu! Bedauer mich
nicht! du wirſt doch nicht klug daraus. Die Vagabunden ha-
ben die häuslichſte Seele: das glaub! Wenn ich etwas Be-
ſonderes thu’, glaub mit dem Pöbel nicht: ich habe mich ver-
ändert; ich war lange dazu fähig, es ſei auch noch ſo
alltäglich (das Übrige würde mir ſchon ausgelegt werden)
oder beſonders. Adieu! — Und ſterb’ ich — ſuch’ alle meine
Briefe — durch Liſt etwa — von allen meinen Freunden
und Bekannten zu bekommen (und K’n ſag’, ich befehl’ es
ihm als eine Todte und Getödtete — nicht juſt von ihm —
daß er ſie gebe) — und ordne ſie mit Brinckmann. Es wird
eine Original-Geſchichte und poetiſch. Adieu! Grüß Luiſe.
Ich glaube L. liebt ſie. Giebt das bloß Thränen, oder Traue?
Dies, Freundin, bind’ ich dir als eine Pflicht auf. Ich
will es. Das darf man doch von einer Freundin fordern.
Leb’ wohl! — Beim Schlimmſten aber — beim Tode ſelbſt —
laſſ’ uns denken — daß wir zu den Edelſten gehörten, und
mit offnen Augen lebten. Adieu, liebe Freundin. Verſichre
dich doch endlich meiner Liebe! Adieu! —
An Frau von Boye, in Stralſund.
Berlin, Mitte Juli’s 1800.
Wie kömmſt du darauf, meine liebe Freundin, nicht zu
wiſſen, daß ich von deiner Treue und Liebe überzeugt bin?!
— Jeder Menſch trägt ſein Schickſal in ſich: das ſind Wünſche,
nach Dingen, ohne die wir nicht weiter leben können. So,
mußteſt du fort; und mich verlaſſen; oder vielmehr aus den
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/222>, abgerufen am 27.11.2024.
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