verschweigen: und wenn man alles sagen könnte, wäre alles besser. Auf diese Vollkommenheit müßte sich jedes Individuum üben, wie die Menschheit sie erwarten muß.
In der geringsten Stube ist ein Roman, wenn man nur die Herzen kennt.
Was heißt das, Satisfaktion haben? Die hat man immer, wenn man mit sich in Ordnung ist; das heißt aber nur das Nothwendige nicht vermissen; daß auch Andere mir genügen, ist allein der schöne Überfluß, der glücklich macht.
Den 13. Januar 1800.
Giebt es Wunder, so sind es die in unsrer eigenen Brust; was wir nicht kennen, nennen wir so. Wie überrascht, wenn auch nicht beschämt, wenn uns die Begeisterung wird, sie zu gewahren!
Da eine willkürliche Einrichtung Statt haben konnte, so ist es kein Vorurtheil, daß ein Weib nicht Liebe bekennen darf. Der Liebe Verdammniß zum Sterben, ist Verschmä- hung. Bei einem Weibe kann sie das Gewand von Keusch- heit und Schüchternheit nehmen, bei einem Manne steht sie gewandlos, tödtend da.
Den 24. März 1800.
Symptome der Liebe giebt's. Wenn man folgende Pe- riode von Mad. Genlis ganz auf sich anwenden kann: "Mais
13 *
verſchweigen: und wenn man alles ſagen könnte, wäre alles beſſer. Auf dieſe Vollkommenheit müßte ſich jedes Individuum üben, wie die Menſchheit ſie erwarten muß.
In der geringſten Stube iſt ein Roman, wenn man nur die Herzen kennt.
Was heißt das, Satisfaktion haben? Die hat man immer, wenn man mit ſich in Ordnung iſt; das heißt aber nur das Nothwendige nicht vermiſſen; daß auch Andere mir genügen, iſt allein der ſchöne Überfluß, der glücklich macht.
Den 13. Januar 1800.
Giebt es Wunder, ſo ſind es die in unſrer eigenen Bruſt; was wir nicht kennen, nennen wir ſo. Wie überraſcht, wenn auch nicht beſchämt, wenn uns die Begeiſterung wird, ſie zu gewahren!
Da eine willkürliche Einrichtung Statt haben konnte, ſo iſt es kein Vorurtheil, daß ein Weib nicht Liebe bekennen darf. Der Liebe Verdammniß zum Sterben, iſt Verſchmä- hung. Bei einem Weibe kann ſie das Gewand von Keuſch- heit und Schüchternheit nehmen, bei einem Manne ſteht ſie gewandlos, tödtend da.
Den 24. März 1800.
Symptome der Liebe giebt’s. Wenn man folgende Pe- riode von Mad. Genlis ganz auf ſich anwenden kann: „Mais
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verſchweigen: und wenn man alles ſagen könnte, wäre alles
beſſer. Auf dieſe Vollkommenheit müßte ſich jedes Individuum
üben, wie die Menſchheit ſie erwarten muß.
In der geringſten Stube iſt ein Roman, wenn man nur
die Herzen kennt.
Was heißt das, Satisfaktion haben? Die hat man
immer, wenn man mit ſich in Ordnung iſt; das heißt aber
nur das Nothwendige nicht vermiſſen; daß auch Andere mir
genügen, iſt allein der ſchöne Überfluß, der glücklich macht.
Den 13. Januar 1800.
Giebt es Wunder, ſo ſind es die in unſrer eigenen Bruſt;
was wir nicht kennen, nennen wir ſo. Wie überraſcht, wenn
auch nicht beſchämt, wenn uns die Begeiſterung wird, ſie zu
gewahren!
Da eine willkürliche Einrichtung Statt haben konnte, ſo
iſt es kein Vorurtheil, daß ein Weib nicht Liebe bekennen
darf. Der Liebe Verdammniß zum Sterben, iſt Verſchmä-
hung. Bei einem Weibe kann ſie das Gewand von Keuſch-
heit und Schüchternheit nehmen, bei einem Manne ſteht ſie
gewandlos, tödtend da.
Den 24. März 1800.
Symptome der Liebe giebt’s. Wenn man folgende Pe-
riode von Mad. Genlis ganz auf ſich anwenden kann: „Mais
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/209>, abgerufen am 28.11.2024.
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